Tracking und Privatsphäre

Google läutet das Ende der Cookies ein

Die Ankündigung verheisst Grosses: Google schafft im Chrome-Browser eine Methode zur Nachverfolgung der Nutzer ab. Unsere Vorlieben bleiben trotzdem nicht unerkannt.

Matthias Schüssler

Statt Nutzer individuell zu verfolgen, sollen Werber künftig nur noch Gruppen anhand gemeinsamer Interessen adressieren.

Seit einem Jahr treibt Google eine Initiative voran, die nach einer 180-Grad-Wende klingt: Der Suchmaschinenkonzern setzt sich neuerdings nach Kräften für den Datenschutz ein. Oberstes Ziel dieses «Privacy Sandbox» genannten Unterfangens ist es, die Nutzer vor dem Tracking zu schützen.

Ausgerechnet Google! Das Geschäftsmodell und Erfolgsrezept von Larry Page und Sergey Brin besteht bekanntlich darin, jeden Einzelnen von uns möglichst genau zu kennen und mit Werbung zu beliefern, die exakt zu unseren Vorlieben passt.

Mit der «Privacy Sandbox» strebt Google die Quadratur des Kreises an: personalisierte Werbung, aber ohne individuelles Tracking.

Da Google dieses Werbegeschäft nicht aufzugeben gedenkt, stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit: Ist Google vielleicht dabei, medienwirksam eine Technik zur Nachverfolgung aus dem Verkehr zu ziehen, nur um sie durch eine modernere und leistungsfähigere Methode zu ersetzen? Ist alles nur Taktik und Kalkül?

Google – hier das Logo an einer Ausstellung in China 2018 – will den Datenschutz stärken.

Um derlei Mutmassungen zu entkräften, hat Google letzte Woche in einem Blogpost festgehalten, das Ziel sei ernst: Man werde «keine alternativen Identifikatoren erstellen, um Personen zu verfolgen, während sie im Internet surfen» – ein Versprechen, auf das man den Konzern wird behaften können.

Weniger Tracking – weil es sich für Google lohnt

Mit der «Privacy Sandbox» strebt Google die Quadratur des Kreises an: personalisierte Werbung, aber ohne individuelles Tracking. Doch der Schritt könnte entscheidend für Googles künftigen Geschäftserfolg sein: Er würde es dem Konzern erlauben, sein Kerngeschäft bei zunehmendem Gegenwind wie bisher fortzusetzen – ohne technische Gegenmassnahmen zu fürchten, die von mehreren Seiten vorangetrieben werden.

Apple hat im letzten Jahr im Safari-Browser den Tracking-Schutz deutlich ausgebaut. Der Firefox-Browser setzt auf weitreichende, effiziente Datenschutzmethoden, und das auf Datenschutz getrimmte Surfprogramm Brave baut seine Nutzerbasis auf tiefem Niveau aus.

Vor allem aber wäre Google für strengere gesetzliche Regulierungen gerüstet und müsste sich nicht mehr den Vorwurf der Datenkrake gefallen lassen. Für das öffentliche Image ist das auf alle Fälle besser, als sich wie der Facebook-Chef gänzlich uneinsichtig zu zeigen: Mark Zuckerberg hat als Reaktion auf Apples Ankündigung, das Tracking bei den Apps einschränken zu wollen, gedroht, er wolle Apple mit einer Kartellklage «Schmerzen bereiten». Schliesslich würde sich Google einen Wettbewerbsvorteil im Werbemarkt verschaffen, wenn viele der Konkurrenten weiterhin auf das klassische Tracking angewiesen sind, das nun zurückgedrängt werden soll.

Ein Mittel gegen Datensammler

Google hat in einem Blogpost aufgezeigt, wie die «Privacy Sandbox» funktionieren soll. Ansatzpunkt ist der hauseigene Browser Chrome und dessen Umgang mit den Cookies. Ein Cookie ist eine kleine Informationseinheit, die eine Website im Browser des Nutzers ablegt. Es erlaubt es beispielsweise, eine Anmeldung zu speichern, sodass sich der Nutzer nicht bei jedem Besuch erneut einloggen muss.

Aus Sicht der Nutzer ist diese Initiative ein Fortschritt: Google scheint es mit dem besseren Schutz der Privatsphäre ernst zu meinen.

In Verruf geraten sind nun vor allem die «Third-Party-Cookies», die nicht von der eigentlichen Website, sondern von Drittunternehmen gesetzt werden. Das tun diese mithilfe von Werbebannern oder über eingebundene Inhalte wie den Like-Knopf von Facebook.

Es sind diese Dritt-Cookies, die es den Datensammlern ermöglichen, Nutzer über viele Websites hinweg zu verfolgen und spezifische Surfprofile anzulegen.

Unser Video erklärt, wie Sie das Tracking am Smartphone und Tablet eindämmen.
Video: Matthias Schüssler

Chrome geht bereits in den neueren Versionen deutlich restriktiver mit den Dritt-Cookies um als früher und wird sie künftig – nach Zeitplan wohl ab nächstem Jahr – gar nicht mehr akzeptieren. Um die Interessen der Nutzer dennoch zu ermitteln, kommt eine Methode namens «Federated Learning of Cohorts» (Floc) zum Einsatz.

Zu diesem Zweck wird der Surfverlauf ausgewertet und ein User gemäss seinen Interessen bestimmten Kohorten zugeordnet. Eine Kohorte ist in der Soziologie eine Gruppe von Leuten, die durch ähnliche Faktoren geprägt worden sind und daher gemeinsame Interessen haben – beziehungsweise ein «ähnliches Surfverhalten» zeigen, wie Google hier beschreibt.

Werbung für bestimmte Gruppen

Statt Nutzerinnen und Nutzer individuell zu adressieren, werden Werbetreibende künftig also nur noch Interessengruppen ansprechen können. Diese Gruppen will Google ausreichend gross wählen, dass auch mit Tricks keine Rückschlüsse auf Einzelpersonen möglich sind. Und die Berechnung der Kohortenzugehörigkeit soll nicht in der Cloud auf Googles Servern, sondern als zusätzlicher Schutz auf den Geräten der Nutzer stattfinden.

Aus Sicht der Nutzer ist diese Initiative ein Fortschritt: Google verfolgt zwar auch eigene Interessen, scheint es mit dem besseren Schutz der Privatsphäre ernst zu meinen. Die «Privacy Sandbox» wird eine der gruseligsten Werbeformen eliminieren, nämlich das Retargeting: Das führt dazu, dass wir als Nutzer nach dem Besuch eines Webshops regelrecht verfolgt fühlen, weil wir hinterher auf diversen Websites Werbung zu genau den Produkten angezeigt bekommen, die wir uns im Shop angesehen haben: Das ist anhand von allgemeinen Interessengruppen nicht mehr möglich – allerdings gibt es auch jetzt Tracking-Methoden, die ohne Cookies auskommen.

Selbstschutz gegen das Tracking

Verwenden Sie einen datenschutzfreundlichen Browser. Firefox hat mit den letzten Versionen den Schutz gegen das Tracking stark ausgebaut. Die Funktionen sind über das Schild-Symbol zugänglich, das am linken Rand des Adressfelds erscheint. Weitere Informationen gibt es über das Menü und «Schutzmassnahmen-Übersicht».

Auch Safari von Apple bietet einen vergleichsweise hohen Schutz, sowohl am iPhone, iPad und Mac, namentlich mit der via Einstellungen zugänglichen Option «Cross-Site-Tracking verhindern». Sie kann in Einzelfällen Probleme verursachen; darum lohnt es sich, sie zum Beispiel bei Log-in-Problemen abzuschalten.

Ein speziell auf den Datenschutz getrimmter Browser ist Brave (brave.com), den es für alle gängigen Plattformen gibt.

Passen Sie die Datenschutzeinstellungen an. Firefox stellt über das Menü und Einstellungen bei Datenschutz und Sicherheit im Abschnitt «Browser-Datenschutz» mehrere Sicherheitslevel zur Verfügung. Das Level «Standard» schützt bereits sehr gut ohne die unerwünschten Nebenwirkungen, die mit der Option «Streng» zu erwarten sind. Auch Microsofts Browser Edge verwendet in den Einstellungen bei «Datenschutz, Suche und Dienste» inzwischen ein ähnliches Konzept.

In Chrome blockieren Sie Cookies von Drittanbietern in den Einstellungen bei «Datenschutz und Sicherheit».

Tricks für die maximale Sicherheit. Um sich weiter zu schützen, verwenden Sie entweder ein VPN oder den Tor-Browser. Mittels VPN verschleiern Sie Ihren Aufenthaltsort, und das Tor-Netzwerk leitet Daten verschlüsselt über mehrere Stationen, um die Nachverfolgung zu erschweren. Allerdings sind beide Verschleierungstechniken tückisch in der Anwendung. Tipps finden Sie hier. (schü.)

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 10. März 2021

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