Wie man die App-Stores verbessern könnte

Ideen für Updates Bleiben darf, wer spurt: Der Spielehersteller Epic («Fortnite») wirft Apple und Google monopolistische Praktiken in den App-Stores vor. Dort gibt es indes noch weiteren Nachholbedarf.

Matthias Schüssler

Am 10. Juli 2008 hat Apple seinen App Store eröffnet. Die Anfänge waren bescheiden: Es gab gerade einmal 500 Apps. Im ersten Monat gab es 60 Millionen Downloads und einen Umsatz von 30 Millionen Dollar. Auch wenn das aus heutiger Sicht sehr bescheiden ist, war vielen klar, dass der Store der Schlüssel zum Erfolg ist. Das Techportal «Mashable» urteilte, der Store schaffe «einen Mehrwert, der das iPhone auf ein neues Level katapultiert».

2019 hat Apples Store mehr als 54 Milliarden Dollar umgesetzt. Gut 1,8 Millionen Apps stehen zum Download, und 120 Milliarden Downloads wurden verzeichnet. Im gleichen Mass ist die Bedeutung gewachsen: Zusammen mit dem Store von Google – bei dem 2019 gut 83 Milliarden Downloads verzeichnet wurden – hält der IT-Gigant die Smartphone-Ökonomie am Laufen.

Apple diktiert unverändert strenge Regeln

Nicht verändert haben sich die Bedingungen für die Softwareentwickler. Die Betreiber entscheiden nach wie vor, welche App aufgenommen wird und welche nicht. Diese Regeln sind unverändert streng: Apple setzt voraus, dass ein Anbieter für Verkäufe innerhalb der App die Bezahlschnittstelle des iPhones nutzen muss.

Apple verdient an den Transaktionen kräftig mit: 30 Prozent sind es bei Einzelkäufen und Abos im ersten Jahr. Bei Abos fällt der Anteil im zweiten Jahr auf 15 Prozent. In einer Studie hat Apple im Juni dargelegt, dass sein AppÖkosystem 2019 mehr als eine halbe Billion (519 Milliarden) Dollar Umsatz generiert hat.

Ist es noch zeitgemäss, dass zwei Firmen über diese Stores herrschen? Game-Entwickler Tim Sweeney ist der dezidierten Ansicht, hier hätten sich zwei Konzerne den Markt für mobile Software untereinander aufgeteilt und ein Duopol gebildet. Sweeney hat mit seinem Unternehmen Epic eine Konfrontationsstrategie eingeschlagen und den Rauswurf seines Spiels «Fortnite» provoziert.

Er ist längst nicht der Einzige, der sich beklagt: Streaming-Anbieter Spotify sieht sich gegenüber Apples eigenem Musikdienst benachteiligt und hat im März 2019 EU-Kartellbeschwerde eingereicht.

Auch wenn Sweeney seine eigenen Interessen verfolgt und selbst gerne mit einer Spieleplattform zum dominierenden Plattformbetreiber werden möchte, so trifft er doch einen wunden Punkt: Es ist offensichtlich, dass die Dominanz von Apple und Google die Innovation behinderten. Bei einer zwingenden Abgabe von 30 Prozent sind viele Geschäftsideen schlicht nicht lukrativ und nicht realisierbar.

Die Dominanz hat schlechter verwendbare, weniger nutzerfreundliche Apps zur Folge: Das «Wall Street Journal» hat vor kurzem überspitzt formuliert, die Hersteller würden die Apps «absichtlich kaputt machen», um Apple nicht am Umsatz beteiligen zu müssen. Beispiel Netflix: Wenn ein Nutzer die App herunterlädt, aber noch nicht Kunde ist, erhält er keinerlei Hinweis darauf, wie er an sein Abo gelangt. Er muss selbst auf die Idee kommen, das via Browser zu lösen.

Entbündeln – aber nicht zulasten der Sicherheit

Sweeneys Vorschlag lautet nun, die App-Stores zu entbündeln. Doch wie genau liesse sich das bewerkstelligen, ohne dass ein offensichtlicher Vorteil des Stores – nämlich die Sicherheit und der grosse Schutz vor Viren und Schadsoftware – verloren ginge?

Wir haben die Ideen weitergedacht. Hier sind fünf Massnahmen, die einzeln oder in Kombination eingeführt werden könnten:

— Eine signifikante Reduktion der Kommission: Apple reduziert seinen Anteil von 30 Prozent auf deutlich unter 10 Prozent – zu rechtfertigen wäre das durch das riesige Umsatzwachstum seit 2008.

— Alternative Stores bzw. direkte Downloads: Vorbild dabei wäre der Mac-App-Store bei den Mac-Computern oder parallel dazu inzwischen auch der Microsoft-Store von Windows. Diejenigen Nutzer, die gewillt sind, ein höheres Sicherheitsrisiko einzugehen, dürfen Apps aus alternativen Quellen beziehen oder ohne Store direkt installieren. Und Apple könnte so beweisen, dass der offizielle Store weiterhin das beste Benutzererlebnis bietet.

— Zusätzliche Bezahlschnittstellen, die für In-App-Käufe benutzt werden dürfen. Das würde eine Konkurrenzsituation und einen Kostendruck schaffen, der für Kunden und Hersteller Vorteile brächte.

— Eine Ombudsstelle, die Konflikte schlichtet und in der nicht nur Apple, sondern auch Vertreter der Softwarehersteller Einsitz haben.

— Eine Ausgliederung des Stores in eine unabhängige Organisation, an der Apple beteiligt ist, in die aber auch die Hersteller ihre Vertreter entsenden dürfen und in der Konsumentenschützer mitzureden haben.

Die letzte Massnahme wäre die wirkungsvollste. Die Sicherheit wäre weiterhin gewährleistet, und sie würde den unzweifelhaften Vorteilen des App-Stores Rechnung tragen: Nämlich die hohe Sicherheit, die dank rigider Kontrolle gewährleistet werden kann. Apple hat bis jetzt keine Reformbereitschaft signalisiert. Der Konflikt wird andauern – bis ein Gericht entscheidet, die Politik reguliert oder sich eine breite Allianz der Hersteller formiert.

«Fortnite»-Hersteller Epic hat sich bewusst gegen die Store-Regeln von Apple aufgelehnt und wurde mit dem Rauswurf bestraft. Foto: Keystone

Hersteller streitet mit Techkonzernen

Streit um Storezugang Epic Games ist ein Spielehersteller mit Tradition: 1991 gegründet, legte er Titel vor, die heute als Klassiker der PC-Game-Ära gelten, beispielsweise «Jill of the Jungle» von 1992. Der Hersteller ist heute auch auf den mobilen Plattformen vertreten. Das vor allem bei Jugendlichen beliebte Multiplayer-Spiel «Fortnite» (2017) hat ihm drei Milliarden Dollar eingebracht.

Nachdem Epic-Chef Tim Sweeney schon früher gegen Apple gestänkert hatte, ging er am 13. August 2020 auf Konfrontationskurs: Ein «Fortnite»-Update führte eine direkte Kaufmöglichkeit für die Spielwährung V-Bucks ein, bei der Käufern ein Rabatt gewährt und Apples Bezahlschnittstelle umgangen wird. Da ein solcher Parallelverkauf gemäss den Bestimmungen nicht gestattet ist, hat Apple sogleich reagiert und die App innert weniger Stunden aus dem Store entfernt. Auch Google hat wenig später nachgezogen.

Auf diesen Schritt war Sweeney aber offensichtlich gut vorbereitet. Er hat umgehend Klagen wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens gegen Apple und Google eingereicht. Epic Games hat ausserdem das Video «Nineteen Eighty-Fortnite» veröffentlicht, das Apples legendären Werbespot «1984» gegen IBM parodiert – aber mit Tim Cook als Bösewicht.

Seitdem ist die Sache weiter eskaliert: Am 17. August hat Apple dem aufmüpfigen Spielentwickler gedroht, ihn gänzlich vor die Tür zu setzen. Wenn Epic Games bis zum 28. August die Rabattaktion nicht beende, werde man den Zugang zum Developer-Programm streichen. Das könnte einen weiteren Kollateralschaden nach sich ziehen. Epic entwickelt auch die Unreal Engine, eine Software zur Erzeugung von Spielwelten, die in vielen Drittprodukten steckt. Der Gamehersteller hat deswegen eine einstweilige Verfügung gegen diesen Hinauswurf angestrengt, die am Montagabend von einem Richter gutgeheissen worden ist. (schü.)

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 26. August 2020

Rubrik und Tags:

Faksimile
200826 TA Seite 31.pdf

Die Faksimile-Dateien stehen nur bei Artikeln zur Verfügung, die vor mindestens 15 Jahren erschienen sind.

Metadaten
Thema: Aufmacher
Nr: 15545
Ausgabe:
Anzahl Subthemen: 1

Obsolete Datenfelder
Bilder:
Textlänge:
Ort:
Tabb: FALSCH