Kampf gegen Google

Microsoft wagt mit seinem Browser einen Neuanfang

Der Name bleibt gleich, aber sonst ändert sich fast alles: Microsoft hat seinen Edge-Browser komplett umgebaut.

Matthias Schüssler

Vor fünf Jahren hat Microsoft sich entschlossen, eines seiner Erfolgsprodukte sterben zu lassen: Das war der Internet Explorer, der seine besten Tage schon längst hinter sich hatte. 2002 war Microsofts alter Browser auf dem Höhepunkt angelangt, mit einem Marktanteil von weit über neunzig Prozent.

Seitdem ging es bergab: Der offene Browser Firefox jagte dem Internet Explorer Nutzer ab. Aber vor allem machte Google dem Internet Explorer das Leben schwer: Im September 2008 hatte der Suchmaschinenkonzern quasi aus dem Nichts ein Surfprogramm namens Chrome lanciert, das sich als enorm erfolgreich erwies und inzwischen auf Marktanteile von über sechzig Prozent kommt.

Für den Internet Explorer sollte es einen Ersatz geben. Er wurde unter dem Codenamen «Spartan» entwickelt, was ein klarer Hinweis auf die Ziele war, die Microsoft mit dem Neuanfang verfolgte: Das neue Programm sollte einen reduzierten Funktionsumfang aufweisen und einfach zu benutzen sein. Und dieses Versprechen hat Microsoft eingelöst: Das zeigte sich, als das Programm am 29. Juli 2015 zusammen mit Windows 10 veröffentlicht wurde.

Mit den Schwächen des Internet Explorer aufgeräumt

Edge, wie der Browser mit offiziellem Namen hiess, hatte mit den grössten Schwächen des Internet Explorer aufgeräumt: Viele alte Technologien waren verschwunden: Sie hatten den Internet Explorer anfällig für Schadsoftware gemacht und waren schuld gewesen, dass Dritthersteller die Benutzeroberfläche mit ihren eigenen Symbolleisten verschandelt hatten. Microsoft hatte ausserdem die unübersichtlichen und hochkomplexen Einstellungsmöglichkeiten radikal ausgedünnt und die Konfiguration aufs Wesentliche beschränkt. Damit war Edge eine hervorragende Alternative zu den beiden grossen Konkurrenten Firefox und Chrome.

Der Verlauf des Browserkriegs aus Sicht des Internet Explorer.

Damit hätten die sogenannten Browserkriege eine weitere Runde erleben können: So wird der andauernde Verdrängungswettbewerb genannt, der ursprünglich zwischen Microsoft und Netscape ausgefochten worden war und sich dann zwischen Firefox, Chrome und dem Internet Explorer abspielte. Doch auf dem Desktop ist Edge nie über einen einstelligen Anteil am Browsermarkt hinausgekommen. Im Moment sind es etwas mehr als sieben Prozent – was nur marginal mehr ist als der totgesagte Internet Explorer, der noch immer auf gut fünf Prozent kommt.

Krachend gescheitert

Das lässt sich nur so deuten, dass Microsofts Neuanfang krachend gescheitert ist: Denn obwohl Edge bei jedem Windows-10-PC vorinstalliert ist, hat der Browser Chrome keine nennenswerten Nutzeranteile abjagen können.

Deswegen hat Microsoft jetzt die Konsequenzen gezogen: Edge wird nicht ein-, aber auf ein neues Fundament gestellt. Der Browser basiert in der neuesten Version auf dem Chromium-Projekt. Das ist jener Teil von Chrome, den Google als Open Source der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Die neue, auf Chromium basierende Version von Edge wird derzeit über das Windows-Update ausgeliefert, sodass früher oder später alle Nutzer die neue Variante verwenden.

Unser Video stellt die neue Version des Edge-Browsers vor. Und wir wagen eine Einschätzung: Wie ist Microsofts Entscheid zu werten, keinen eigenständigen Browser mehr zu pflegen, sondern auf die Software des grossen Konkurrenten Google umzuschwenken?

Eine Kapitulation, aber…

Natürlich, das ist im Prinzip eine Kapitulation und für die Nutzer ein Verlust von Wahlmöglichkeiten – so habe ich das auch in diesem Blogbeitrag hier kommentiert. Doch im Video geht es auch darum, die positiven Aspekte herauszustreichen: Edge bietet die Möglichkeit, den Komfort von Chrome zu nutzen und gleichzeitig die Abhängigkeit von Google zu verringern. Edge ist etwas besser, was die Schutzmöglichkeiten gegen das Tracking angeht. Und schliesslich ist Edge auch besser auf Windows abgestimmt, gerade für Tablet-Nutzer.

Auch in früheren Videos haben wir uns mit Browsern beschäftigt: Hier stellen wir fünf tolle, mobile Browser vor, und hier gibt es Tipps zu Firefox, Chrome und Opera auf dem Smartphone. Der sicherste Browser der Welt zeigt ein Surfprogramm, das gegen Bedrohungen aus dem Netz immun ist. Tricks und schräge Hacks fürs Web führt vor, wie Sie die Browser Ihren Bedürfnissen anpassen.

Für uns Nutzer wäre es besser gewesen, wenn Microsoft nicht vor Google eingeknickt wäre.
Video: Matthias Schüssler

Quelle: Newsnetz, Montag, 29. Juni 2020

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Thema: Patentrezept
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