Schmutzige Tricks fürs Homeoffice

Tipps für die Heimarbeit Kleine Manipulationen an der Work-Life-Balance sollten doch erlaubt sein: Wie Sie zu Hause den Anschein erwecken, fleissig zu sein – selbst wenn Sie sich zwischendurch eine kreative Auszeit gestatten.

Matthias Schüssler

Vorneweg: Die allermeisten Leute sind im Homeoffice nicht weniger produktiv als im Büro – im Gegenteil. Studien zeigen, dass die Mehrheit produktiv arbeitet und manche Mühe haben, rechtzeitig Feierabend zu machen.

Das Homeoffice gibt uns nun die Gelegenheit, uns der sozialen Kontrolle durch Chefs und Kollegen zu entziehen. Oder, natürlich sinnvoller, man hat nun die grosse Chance, die richtigen Prioritäten zu setzen. Wer will schon Zeit an endlosen Sitzungen vertrödeln, wenn er sich bei einem Waldspaziergang Inspiration und Energie für die eigentliche Arbeit holen kann? Tricks helfen, bei kleinen Abschweifungen digital Präsenz zu markieren.

Aktivität simulieren

Viele Kommunikationsanwendungen signalisieren, dass ein Nutzer eingeloggt und aktiv ist. Die Teamsoftware Slack beispielsweise zeigt einen grünen Punkt an, wenn man am Desktop in den letzten 30 Minuten mit der Anwendung interagiert hat. Sollte die App einen untätig erscheinen lassen, behebt man das, indem man einen kleinen Plausch abhält.

Man kann bei Slack seinen Status auch selbst auf Grün setzen – oder aber einen Eindruck schindenden Status wie «Recherche» oder «Kundengespräch» setzen, um die Inaktivität zu rechtfertigen. Wenn Sie unterwegs sind, muss die App im Vordergrund sein, damit der grüne Punkt erscheint: Halten Sie also beim Spaziergang die App offen und entsperren Sie ab und zu das Telefon.

Wichtig tun mit Facebook

Verräterisch ist natürlich, wenn man vorgibt zu arbeiten, währenddessen man sich in den sozialen Medien die Zeit vertreibt. Für solche Ausschweifungen ist es wichtig, die Privatsphären-Einstellungen richtig zu setzen. Bei Facebook bietet sich die Option «Freunde ausser» an: Mit ihr sperrt man Chefs und Kollegen mit Blockwartmentalität aus.

Um einmal die sozialen Medien auch für sich einzusetzen, bereitet man einige Postings mit einem gewissen Bezug zur Arbeit vor, in denen man Chefs oder Kollegen namentlich erwähnt. Die stellt man bei buffer.com ein: Das ist ein Dienst, der Beiträge zum vorgegebenen Zeitpunkt via Twitter, Facebook, Instagram oder Linkedin verbreitet. Auf diese Weise prägt man auch die Aussenwahrnehmung positiv. Aber Achtung: Wenn es Reaktionen auf die Beiträge gibt, müssen Sie in der Lage sein, sich in die Diskussion einzuschalten.

Mails zur Unzeit versenden

Bei Gmail oder Outlook können Sie Mails statt sofort zu senden auch auf später verschieben: Eine wunderbare Möglichkeit, um eine Nachricht nicht um 15:45 zu versenden, wenn man bereits an den Feierabend denkt. Stattdessen setzt man sie automatisiert um 17:20 ab. Doch übertreiben Sie es nicht: Um 23:22 Uhr abgeschickte Mails bringen Ihren Chef dazu, über Ihre Work-Life-Balance sprechen zu wollen.

Geteilte Dokumente eröffnen hervorragende Möglichkeiten, um sich mit seinem Engagement richtig in Szene zu setzen: Platzieren Sie mittels Kommentar-Funktion einige Anmerkungen. In den meisten Anwendungen, namentlich Google Docs oder auch Office, erscheinen die prominent mit Ihrem Konterfei. Zwischendurch ist es nicht verkehrt, etwas Substanzielles beizutragen. Doch ab und an reicht es, an beliebigen Stellen Bemerkungen wie «Guter Punkt!», «Win Win!» oder «USP!» zu hinterlassen.

Videochats schwänzen

Die ganz Abgebrühten unter uns können sogar Konferenzen vor der Kamera schwänzen. Beim Videotool Zoom gibt es die Möglichkeit, eigene Videos als Hintergrund einzubinden. Die Idee ist, dass man nicht seine Bücherwand zur Schau stellen muss, sondern eine eigens ausgewählte Kulisse zeigt.

Nun filmt man sich selbst für einige Minuten und richtet die Aufnahme dann als Live-Hintergrund ein. Während dieses Videos sollte man neutral, aber aufmerksam aussehen. Und da das Video nun kontinuierlich abgespielt wird, muss man am Anfang und Ende genau die gleiche Position innehaben, damit kein verräterischer Sprung entsteht – schneiden Sie die Aufnahme in einem Schnittprogramm passend zu. Achten Sie aber darauf, dass kein Fenster zu sehen ist, weil es auffallen würde, wenn dort strahlender Sonnenschein zu sehen ist, während es überall sonst regnet. Und ja: Selbstverständlich nutzt man diesen Trick nur in Sitzungen, in denen man sich nicht zu Wort melden muss und nicht aufgerufen wird.

Wenn Konferenzen nur mit Ton abgehalten werden, sind drahtlose Kopfhörer eine gute Wahl: Hat man sie im Ohr, erhält man einen recht grossen Bewegungsfreiraum: Man sitzt auf den Balkon, holt sich einen Kaffee oder spielt mit den Kindern Lego, während man mit einem Ohr die Diskussion verfolgt.

Wichtig: Schalten Sie sich bei diesen Aktivitäten immer auf stumm. Und seien sie aufmerksam genug, um jederzeit an die Tastatur zurückzukehren und sich einschalten zu können. Und wenn es auch nur ist, um am Ende allen einen schönen Feierabend zu wünschen – oder um am Feierabend am gemeinsamen Team-Apéro voll dabei zu sein.

Homeoffice eröffnet Möglichkeiten, sich der sozialen Kontrolle am Arbeitsplatz zu entziehen. Das eröffnet ganz neue Gelegenheiten, um die Zeit sinnvoll zu nutzen. Foto: Sabine Joosten (HH, laif)

Die Abgebrühten können mit ein wenig Aufwand sogar Konferenzen vor der Kamera schwänzen.

«Corona gibt uns die Chance, mutig mit neuen Arbeitsformaten zu experimentieren»

Viele von uns arbeiten derzeit im Homeoffice. Welches persönliche Fazit ziehen Sie bis jetzt aus dieser Situation?

Für mich sind zwei Aspekte spannend. Erstens das «Boundary Management»: Unser Bedürfnis, Arbeit und Privatleben räumlich und zeitlich abzugrenzen, ist sehr unterschiedlich. Integrierer mögen die Vermischung, also tagsüber private Termine wahrnehmen und dafür am Abend noch Liegengebliebenes erledigen. Segmentierer möchten die beiden Lebensbereiche hingegen möglichst klar trennen – diese Gruppe musste sich neue Taktiken und Rituale zulegen, um mit der neuen Situation klarzukommen.

Und was ist der andere spannende Aspekt?

Das fasziniert mich noch mehr: Das ist unsere Haltung im Umgang mit Veränderungen. Viele Organisationen arbeiteten in den letzten Wochen nach dem Prinzip «Best Effort»: Jeder gibt im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Bestes, und das muss genügen. Corona hat uns damit über Nacht die «grüne Wiese» beschert, von der wir so oft in Workshops gesprochen haben. Also quasi die Erlaubnis, mit neuen Formaten mutig zu experimentieren, ohne dass immer alles perfekt sein muss.

Sie haben bei Microsoft das Homeoffice eingeführt, als die meisten von uns nicht einmal den Begriff kannten. Gab es damals schon Tricks, um Geschäftigkeit vorzutäuschen?

Ganz im Gegenteil. Wir hatten bei Microsoft im Team die lustige Unsitte, beim Abnehmen des Telefons zu sagen, wo man wirklich ist, also «Josef beim Coiffeur», «Palladino auf dem Laufband» oder «Keller im Garten». Mir gefiel das sehr gut! Es zeigt, dass Täuschungsmanöver überhaupt nicht nötig sind.

Wie verändern die Erfahrungen mit Corona unsere Beziehung zum Arbeitsplatz?

Ich habe letzthin für ein Corona-Restart-Webinar das Akronym FOESAH erfunden: Fear of everyone staying at home. Davor haben die meisten Angst: dass plötzlich niemand mehr ins Büro kommen möchte. Ich glaube, dass FOESAH mit einer gesunden Firmenkultur unbegründet ist, weil die Mitarbeitenden nicht nur Spass am Homeoffice bekommen haben, sondern auch ein Bewusstsein entwickeln konnten, wie wichtig die Gemeinschaft ist. Mir gefällt der Gedanke, dass die Zeit im Büro jetzt zur Quality Time wird.

Lässt sich die denn Freude, ins Büro zurückzukehren, auch irgendwie fördern?

Wir sollten diese Zeit nutzen, uns Gedanken über diese Quality Time zu machen und nicht zur alten Routine zurückkehren, bei der wir Schulter an Schulter im Büro unsere E-Mails abarbeiten. Es wäre eine verlorene Chance, die Zusammenarbeit nach Corona dem Zufall zu überlassen. Jetzt gilt es, zum einen diese «neuen Deals» bewusst auszuhandeln, sodass Individuen und Organisationen von mehr Flexibilität profitieren. Zum anderen ist es wichtig zu überlegen, wie wir in Zukunft mit Präsenz umgehen. Wir könnten mit weniger physischer Präsenz viel mehr erreichen, wenn wir Formate wählen, die den Ideen- und Wissensaustausch und zwischenmenschliche Beziehungen fördern.

Matthias Schüssler

Barbara Josef Expertin für neue Arbeitsformen bei 5to9.ch, bis 2015 war sie Kommunikations Chefin bei Microsoft Schweiz.

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Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 27. Mai 2020

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