Tricks fürs Homeoffice

Auf digitalem Weg werden Sie zur Vorzeige-Arbeitskraft

Kleine Manipulationen an der Work-Life-Balance sollten doch erlaubt sein: Wie Sie zu Hause den Anschein erwecken, fleissig zu sein – selbst wenn sie sich zwischendurch eine kreative Auszeit gestatten.

Matthias Schüssler

Vorneweg: Die allermeisten Leute sind im Homeoffice nicht weniger produktiv als im Büro – im Gegenteil. Studien zeigen, dass die Mehrheit produktiv arbeitet und manche eher Mühe bekunden, rechtzeitig Feierabend zu machen.

Die Gelegenheit beim Homeoffice ist nun, nicht einfach eine ruhige Kugel zu schieben. Stattdessen eröffnet sich die grosse Chance, die richtigen Prioritäten zu setzen. Wer will Zeit in endlosen Sitzungen vertrödeln, wenn er sich bei einem Waldspaziergang Inspiration und Energie für die eigentliche Arbeit holen kann? Und es gibt Tricks, bei solchen kleinen Abschweifungen digital Präsenz zu markieren – selbst wenn man physisch abwesend ist.

Den grünen Punkt zum Leuchten bringen

Viele Kommunikationsanwendungen signalisieren mit einem grünen Punkt oder einem anderen Symbol, dass ein Nutzer eingeloggt und aktiv ist. Die Teamsoftware Slack beispielsweise zeigt den grünen Punkt an, wenn man am Desktop in den letzten 30 Minuten mit der Anwendung interagiert hat. Sollte die App einen untätig erscheinen lassen, behebt man das, indem man mit einem seiner Kollegen einige private Nachrichten austauscht.

Man kann aber auch einfach seinen Status selbst auf Grün setzen – oder aber einen Eindruck-schindenden Status wie «Recherche» oder «Kundengespräch» setzen, um die Inaktivität zu rechtfertigen. Wenn Sie unterwegs sind, muss die App im Vordergrund sein, damit der grüne Punkt erscheint: Daher beim Waldspaziergang die App im Vordergrund behalten und ab und zu das Telefon entsperren!

Mails zu Unzeiten versenden

Wie kürzlich in diesem Beitrag beschrieben, ist es bei Gmail oder Outlook möglich, Mails nicht sofort zu versenden, sondern auf später zu verschieben: Das ist eine wunderbare Möglichkeit, um eine wichtige Nachricht nicht um 15:45 zu versenden, wenn man bereits an den Feierabend denkt. Stattdessen lässt man sie automatisiert um 17:20 absetzen – und erscheint so als besonders fleissiges Arbeitsbienchen. Doch übertreiben Sie es nicht: Wenn Sie den Mailversand auf 23:22 Uhr ansetzen, wird Ihr Chef sicher über Ihre Work-Life-Balance sprechen wollen.

Einer meiner Arbeitskollegen setzt das Mail auch strategisch ein: «Ich versuche erst, per Rundmail etwas zu delegieren, und mache es dann selbst: So sehen alle, wie fleissig ich bin!»

Die sozialen Medien für sich arbeiten lassen

Verräterisch ist natürlich, wenn man vorgibt zu arbeiten, währenddessen man in den sozialen Medien ausgiebig über Fernsehserien diskutiert, Kochrezepte austauscht oder übers Gärtnern fachsimpelt. Für solche Ausschweifungen ist es wichtig, die Privatsphären-Einstellungen richtig zu setzen. Bei Facebook bietet sich die Option «Freunde ausser» an: Mit ihr sperrt man den Chef und jene Kollegen mit Blockwartmentalität aus.

Mal die sozialen Medien auch für sich einsetzen: Dazu bereitet man einige Postings mit einem gewissen Bezug zur Arbeit vor, in denen man Chefs oder Kollegen namentlich erwähnt. Die stellt man bei buffer.com ein: Das ist ein Dienst, der Beiträge zum vorgegebenen Zeitpunkt via Twitter, Facebook, Instagram oder Linkedin verbreitet. Auf diese Weise prägt man auch die Aussenwahrnehmung positiv. Aber Achtung: Wenn es Reaktionen auf die Beiträge gibt, müssen Sie in der Lage sein, sich in die Diskussion einzuschalten – sonst geht der Schuss nach hinten los.

In der Bearbeitungs-Historie Spuren hinterlassen

Geteilte Dokumente, die für die Abteilung oder das ganze Unternehmen freigegeben sind, eröffnen hervorragende Möglichkeiten, um sich mit seinem Engagement richtig in Szene zu setzen: Platzieren Sie mittels Kommentar-Funktion einige Anmerkungen. In den meisten Anwendungen, namentlich Google Docs oder auch Office, erscheinen die mit Ihrem Konterfei in der rechten Leiste. Zwischendurch ist es nicht verkehrt, etwas Substanzielles beizutragen. Doch ab und an reicht es, an beliebigen Stellen eine Bemerkung wie «Guter Punkt!», «Win Win!» oder «USP!» zu hinterlassen.

Wollen jetzt alle nur noch zu Hause arbeiten?

Anwesenheit in Videochats simulieren

Die Abgebrühten unter uns können sogar Konferenzen vor der Kamera schwänzen. Bei Zoom gibt es nämlich die Möglichkeit, so zu tun, als ob man brav zuhören würde: Die Videoconferencing-Software erlaubt es, eigene Videos als Hintergründe einzubinden. Die Idee ist, dass man nicht seine Bücherwand zur Schau stellen muss, sondern eine eigens dafür gewählte Kulisse zeigt.

Nun filmt man sich selbst für einige Minuten und richtet die Aufnahme dann als Live-Hintergrund ein. Während dieses Videos sollte man neutral, aber aufmerksam aussehen. Und da das Video nun kontinuierlich abgespielt wird, muss man am Anfang und Ende genau die gleiche Position innehaben, damit kein verräterischer Sprung entsteht – am besten schneidet man seine Aufnahme in einem einfachen Schnittprogramm passend zu. Achten Sie darauf, dass kein Fenster zu sehen ist, weil es auffallen würde, wenn dort strahlender Sonnenschein zu sehen ist, während es überall sonst regnet. Und ja: Selbstverständlich nutzt man diesen Trick nur in Sitzungen, in denen man sich nicht zu Wort melden muss und nicht aufgerufen wird.

Spielen statt chatten

Wenn Konferenzen nur mit Ton abgehalten werden, dann sind drahtlose Kopfhörer eine gute Wahl: Hat man sie im Ohr, erhält man einen recht grossen Bewegungsfreiraum: Man sitzt auf den Balkon oder holt sich in der Küche einen Kaffee oder spielt mit den Kindern Lego, während man mit einem Ohr die Diskussion verfolgt. Wichtig: Schalten Sie sich bei diesen Aktivitäten immer auf stumm. Und seien sie alert genug, um jederzeit an die Tastatur zurückkehren und sich einschalten zu können. Und wenn es nur ist, um am Ende allen einen schönen Feierabend zu wünschen – oder dann am Feierabend am gemeinsamen Team-Apéro voll dabei zu sein.

Der Konsum harter Getränke während der Arbeitszeit ist auch weiterhin nicht empfohlen – Apéros per Videoconferencing sind aber nachdrücklich erlaubt.
Foto: Anthony Anex/Keystone

Wollen jetzt alle nur noch zu Hause arbeiten?

Barbara Josef ist Expertin für neue Arbeitsformen, Mitbegründerin von 5to9.ch, und sie hat 2009, damals als Kommunikationsleiterin bei Microsoft Schweiz, den Homeoffice-Day mitinitiiert, der in vielen Unternehmen die Möglichkeiten des Arbeitens von zu Hause aus ins Bewusstsein gerufen hat.

Viele von uns arbeiten derzeit im Homeoffice. Was ist Ihr persönliches Fazit?

Für mich sind zwei Aspekte spannend. Erstens das «Boundary Management»: Unser Bedürfnis, Arbeit und Privatleben räumlich und zeitlich abzugrenzen, ist sehr unterschiedlich. Integrierer mögen die Vermischung, also tagsüber private Termine wahrnehmen und dafür am Abend noch Liegengebliebenes erledigen. Segmentierer möchten die beiden Lebensbereiche hingegen möglichst klar trennen – diese Gruppe musste sich neue Taktiken und Rituale zulegen, um mit der neuen Situation klarzukommen.

Und das zweite Thema?

Das fasziniert mich noch mehr: Das ist unsere Haltung im Umgang mit Veränderungen. Viele Organisationen arbeiteten in den letzten Wochen nach dem Prinzip «Best Effort»: Jeder gibt im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Bestes, und das muss genügen. Corona hat uns damit über Nacht die «grüne Wiese» beschert, von der wir so oft in Workshops gesprochen haben. Also quasi die Erlaubnis, mit neuen Formaten mutig zu experimentieren, ohne dass immer alles perfekt sein muss.

Sie haben bei Microsoft das Homeoffice eingeführt, als die meisten von uns nicht einmal den Begriff kannten. Gab es da auch Tricks, um Geschäftigkeit vorzutäuschen?

Ganz im Gegenteil. Wir hatten bei Microsoft im Team die lustige Unsitte, beim Abnehmen des Telefons zu sagen, wo man wirklich ist, also «Josef beim Coiffeur», «Palladino auf dem Laufband» oder «Keller im Garten». Mir gefiel das sehr gut! Es zeigt, dass Täuschungsmanöver überhaupt nicht nötig sind.

Wie verändern die Erfahrungen mit Corona unsere Beziehung zum Arbeitsplatz?

Ich habe letzthin für ein Corona-Restart-Webinar das Akronym FOESAH erfunden: Fear of everyone staying at home. Davor haben die meisten Angst: dass plötzlich niemand mehr ins Büro kommen möchte. Ich glaube, dass FOESAH mit einer gesunden Firmenkultur unbegründet ist, weil die Mitarbeitenden nicht nur Spass am Homeoffice bekommen haben, sondern auch ein Bewusstsein entwickeln konnten, wie wichtig die Gemeinschaft ist. Mir gefällt der Gedanke, dass die Zeit im Büro jetzt zur Quality Time wird.

Lässt sich die Freude, ins Büro zurückzukehren, fördern?

Wir sollten diese Zeit nutzen, uns Gedanken über diese Quality Time zu machen und nicht zur alten Routine zurückkehren, bei der wir Schulter an Schulter E-Mails abarbeiten. Es wäre eine verlorene Chance, die Zusammenarbeit nach Corona dem Zufall zu überlassen. Jetzt gilt es, zum einen diese «neuen Deals» bewusst auszuhandeln, sodass Individuen und Organisationen von mehr Flexibilität profitieren. Zum anderen ist es wichtig zu überlegen, wie wir in Zukunft mit Präsenz umgehen. Wir könnten mit weniger physischer Präsenz viel mehr erreichen, wenn wir Formate wählen, die den Ideen- und Wissensaustausch und zwischenmenschliche Beziehungen fördern.

Barbara Josef ist Expertin für neue Arbeitsformen.
PD

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 26. Mai 2020

Rubrik und Tags:

Metadaten
Thema: Newsnetz
Nr: 15509
Ausgabe:
Anzahl Subthemen: 1

Obsolete Datenfelder
Bilder:
Textlänge:
Ort:
Tabb: FALSCH