Drahtlos-Kopfhörer im Test

Die deutschen Audio-Profis bieten Apple Paroli

Sennheiser, der Kopfhörerspezialist aus Niedersachsen, hat seine drahtlosen Ohrstöpsel überarbeitet. Die wichtigste Neuerung ist die aktive Geräuschunterdrückung.

Matthias Schüssler

Gegen Apple anzukommen, ist nicht einfach, auch in der Hi-Fi-Sphäre. Die Airpods sind die weltweit am meisten gekauften drahtlosen Ohrstöpsel. Im eben zu Ende gegangenen Geschäftsquartal verzeichnete das iPhone eine herbe Einbusse. Doch die Kopfhörer haben zusammen mit der Apple Watch um ungefähr eine Umsatzmilliarde zugelegt.

Doch trotz der Dominanz gibt sich die Konkurrenz nicht kampflos geschlagen. Der deutsche Audioexperte Sennheiser, der dieses Jahr sein 75-Jahr-Jubiläum feiert, hat ein einleuchtendes Konzept: Er kopiert Apple in Sachen Benutzerfreundlichkeit, setzt aber alles daran, um sich bei der Tonqualität und der Verarbeitung deutlich abzuheben. Während die Airpods massentauglich sind, richten sich die Modelle der Momentum-Reihe an Audioliebhaber.

Die Sennheiser Momentum True Wireless kommen komplett ohne Kabel aus. Sie sitzen im Gehörgang und im Gehörgangseingangstrichter und werden nur durch die Ohrmuschel festgehalten. Ob man das als bequem empfindet, ist Geschmackssache.

Auch für unsymmetrische Ohren

Ich jedenfalls habe nichts zu meckern: Die Ohrstöpsel sitzen so satt, dass ich auch bei einem flotten Spaziergang keine Angst habe, sie zu verlieren. Gleichzeitig drückt oder quetscht nichts. Es fällt aber auf, dass die rechte Kapsel weniger rutscht als die linke: Das zeigt erstens, dass das eine individuelle Angelegenheit ist. Und zweitens ist es ein deutliches Indiz, dass meine beiden Ohren nicht ganz symmetrisch sind.

Als Sennheiser vor einem Jahr die erste Version der True Wireless vorstellte, war mein Urteil fast ungetrübt: Nebst dem Tragekomfort gefielen mir der Sound und das ausgewogene, reiche Klangbild sowie die trotz fehlender aktiver Geräuschunterdrückung hervorragende Abschirmung des Umgebungslärms. Lediglich die Akkus waren mir etwas zu wenig ausdauernd. Aber es leuchtete ein, dass die Ingenieure den knappen Platz in den Kapseln lieber für einen möglichst voluminösen Klangwandler statt für eine grosse Batterie verwenden.

Links die Kopfhörer für die Masse, rechts die Stöpsel für Audiofans.
Foto: Matthias Schüssler

Die Lade- und Transportbox der Sennheiser-Stöpsel ist deutlich grösser als jene der Airpods 2 von Apple.
Foto: Matthias Schüssler

Wie gut sie passen, hängt von den Ohrmuscheln ab. Immerhin: Es werden Silikonkappen in vier Grössen (XS, S, M, L) mitgeliefert.
Foto: Matthias Schüssler

Die Box, in der man die Kopfhörer auflädt und transportiert.
Foto: PD

Die Kapseln in der Aufsicht: Beide Aussenflächen sind berührungsempfindlich, sodass sich die Kopfhörer durch Antippen steuern lassen.
Foto: PD

Die Steuerung auf den Aussenflächen lässt sich über die App konfigurieren.
Screenshot: schü.

Vor kurzem hat Sennheiser eine Neuauflage lanciert: Die neuen Momentum True Wireless 2 behalten die alten Stärken bei und bügeln das grösste Manko aus: Jetzt gibt es auch aktives Noise-Cancelling, also die Unterdrückung des Umgebungslärms durch Gegenschall. Das habe ich beim ersten Modell nicht sonderlich vermisst, da wie erwähnt die passive Abschirmung durch die Silikonkappen bereits ausgezeichnet ist. Aber es ist klar, dass bei einem Modell dieser Preisklasse das Noise-Cancelling inzwischen zur Grundausstattung gehört.

Geräuschunterdrückung: Okay, aber nicht überragend

Die aktive Geräuschunterdrückung lässt sich entweder durch dreifaches Tippen auf die rechte Kapsel oder aber über die App ein- und ausschalten. Da ich den Kopfhörer im Homeoffice teste, kann ich an dieser Stelle leider nicht beurteilen, wie gut sie sich im öffentlichen Verkehr bewährt. Jedenfalls reduziert sie das Geräusch des Computerlüfters, doch das Klappern der Tastatur bleibt weiterhin deutlich zu hören. Mein Sony WH-1000XM2 dämmt deutlich besser, ist als Muschelkopfhörer aber konstruktionsbedingt im Vorteil. Doch dass auch bei Ohrstöpseln mehr möglich ist, beweisen die Airpods Pro von Apple.

Das gilt auch für das transparente Hören (das es schon bei der ersten Version gab): Diese Funktion leitet die Aussengeräusche durch, wenn man sich mit einem Kollegen unterhalten oder doch etwas vom Umgebungslärm mitbekommen möchte. Es klingt bei den Airpods natürlicher als bei den True Wireless 2 – allerdings ist das für meine Verwendungszwecke eine wirklich nebensächliche Funktion.

Deutlich längere Akkulaufzeit

Nebst der Geräuschunterdrückung hat Sennheiser auch die Bedienung verbessert. Wie die Airpods schalten die True Wireless 2 sich automatisch ein und aus, wenn man sie aus der Transportbox nimmt. Die Wiedergabe stoppt, wenn man einen Stöpsel aus dem Ohr nimmt. Auch die Akkulaufzeit wurde verlängert: von 4 auf 7 Stunden. Die Transportbox hat einen eigenen Akku und lädt die verstauten Kapseln auf. Das verlängert die mobile Akkulaufzeit auf insgesamt 28 Stunden. Geladen wird die Transportbox übrigens per USB-C.

Ein Unboxing-Video vom Hersteller selbst.
Video: Sennheiser

Fazit: Die Momentum True Wireless 2 sind eine echte Empfehlung bei den drahtlosen Kopfhörern – wenn man gewillt ist, für exzellente, aber nicht allzu basslastige Soundqualität 349 Franken auszugeben. Einschränkend ist zu sagen, dass ich sie für den Sport nicht verwenden würde: Da scheint mir die Verlustgefahr zu gross.

Eine kleine Einschränkung ist ausserdem, dass die Ohrhörer auch voll aufgedreht für manche Leute etwas leise sein dürften. Das mag aber an gesetzlichen Vorgaben und nicht an der Hardware liegen. Schliesslich sind sowohl die Ohrhörer als auch die Ladebox deutlich grösser als bei den Airpods: Während man Apples Ladebox problemlos in der Jeanstasche versorgen kann, sorgt das Kästchen von Sennheiser dort für eine ziemliche Beule.

Relativ gross, aber trotzdem angenehm zu tragen.
Foto: PD

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 7. Mai 2020

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