Warum die Schweiz den «Contract for the Web» stützen soll

Einschätzung Der Erfinder des World Wide Web lanciert seinen Vertrag zur Rettung des Internets.

Tim Berners Lee hat am Wochenende seinen «Contract for the Web» vorgestellt. Der Mann, der vor dreissig Jahren das World Wide Web erfunden hat, sieht seine Kreation in Gefahr: Politische Manipulatoren, Verbreiter von Fake News und Datensammler bedrohten die Freiheit.

Darum also dieser Vertrag, der Regierungen, Unternehmen und die Bürger gleichermassen in die Pflicht nimmt (und unter contractfortheweb.org einsehbar ist). Regierungen müssten dafür sorgen, dass alle das Netz nutzen dürfen und dass alle Inhalte immer zugänglich sind.

Die Unternehmen hätten die Pflicht, die Privatsphäre der Nutzer zu schützen und Technologien zu entwickeln, die «in den Menschen das Beste wecken und das Schlimmste bekämpfen». Wir Bürger seien angehalten, fürs Web zu kämpfen, nicht nur zu konsumieren, sondern selbst etwas online beizutragen und anständig miteinander umzugehen.

Insgesamt sind es neun Prinzipien, an denen 80 Organisationen mehr als ein Jahr lang gearbeitet haben. Der Vertrag wird von 150 Unternehmen gestützt, unter anderem von Microsoft, Twitter, Google, Facebook und Microsoft. Es fällt auf, dass von den grossen Tech-Unternehmen Apple und Amazon sich bislang nicht zu dem Vertrag bekannt haben.

Ist das die Wende zum Besseren oder ein idealistisches Hirngespinst? Natürlich kann man sich fragen, wie ernst es Facebook mit seinem Engagement ist, nachdem Konzernchef Mark Zuckerberg nach all den Privatsphären-Skandalen noch keinen echten Willen zur Besserung hat erkennen lassen. Und Google hat vor zwei Wochen eine Partnerschaft mit dem Gesundheitsdienstleister Ascension abgeschlossen, die dem Suchmaschinenkonzern in den USA Zugang zu Millionen von Patientendaten verschafft.

Es ist ein Anfang

Trotzdem: Auch wenn manche Unternehmen den Vertrag als Feigenblatt missbrauchen, ist er richtig und wichtig. Erstens hat Tim Berners Lee das Web als idealistische Menschheitsidee bereits einmal zum Fliegen gebracht. Und zweitens haben wir nichts Besseres – auch bei der Bekämpfung des Klimawandels stand am Anfang erst einmal die Absichtserklärung.

Darum sollte sich, nach Deutschland, Frankreich und Ghana, auch die Schweiz zu dem Vertrag bekennen. Natürlich, wir müssten die Netzsperren aus unseren Gesetzen kippen, weil die im Widerspruch zum Zensurverbot stehen. Aber das ist ein geringer Preis für die Rettung des Web.

Matthias Schüssler

Tim Berners Lee sorgt sich um sein Erbe. Foto: Reuters

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 27. November 2019

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