So wird Fussball scharf

Solls zur WM ein neuer Fernseher sein? Wir erklären, auf welche Details Sie achten müssen – und ob Sie in den noch schärferen UHD-Standard investieren sollten.

Matthias Schüssler

Vor TV-Grossanlässen wie der anstehenden Fussball-WM wird in vielen Haushalten die Frage nach dem Empfangsgerät aufgeworfen: Tut es der alte Fernseher noch, oder ist es an der Zeit für eine Neuanschaffung? Die Frage stellt sich auch dieses Jahr. Die Weltmeisterschaft wird erstmals in UHD zu sehen sein, also extra-hochauflösend.

Nach den Spezifikationen ist bei der «Ultra High Definition» respektive bei 4K das Bild viermal so scharf wie beim herkömmlichen HD-Signal und sagenhafte 20-mal so scharf wie beim analogen Fernsehen, wie es noch bis vor zehn Jahren üblich war. Doch für dieses Seherlebnis muss man Aufwand betreiben.

Voraussichtlich wird nur die Swisscom die WM auf den Kanälen der SRG in UHD übertragen. Zum Empfang braucht man nicht nur den richtigen Fernseher, sondern auch den passenden Internetzugang. Er muss mindestens 33 Mbit/s aufweisen, damit Reserven für die anderen Internetdienste und das Telefonieren bleiben. Auch die UHD-TV-Box des Telecomanbieters muss installiert sein. Auf Anfrage erklärt die Swisscom, dass etwa achtzig Prozent der erschlossenen Liegenschaften die Anforderungen für UHD erfüllen und 30 Prozent der Kunden eine UHD-Box haben. Wie viele Kunden effektiv ultrahochauflösendes Fernsehen konsumieren, wollte der Telecomanbieter nicht verraten.

Ob sich dieser Aufwand allein für den Fussball lohnt, ist Ansichtssache. Bislang gibt es nebst der Fussball-WM keine Fernsehsendungen für den Massengeschmack in UHD. Die Swisscom sendet nur Spartenprogramme, ebenso Sunrise TV, wo bislang ein UHD-Promotionssender aufgeschaltet ist. Sunrise-Mediensprecher Rolf Ziebold sagt, es sei «nicht auszuschliessen, dass Sunrise TV WM-Spiele in UHD-Qualität zeigen wird» – offiziell angekündigt ist jedoch nichts.

Wenig Interesse bei der EM 16

Salt will ab Ende Sommer vier Spartensender in 4k ins Programm aufnehmen. Die UPC teilt mit, ihr Netz sei bereit für das noch schärfere Fernsehen. Die Spiele der EM 2016 hätten alle UPC-Kunden in UHD empfangen können: «Die Resonanz dieses Testbetriebes war allerdings noch sehr gering, und seither warten wir auf den Moment, bis echte UHD-Sender angeboten werden», erläutert Mediensprecherin Alexandra Bini. Es bleibt das Streaming: Netflix stellt einen Teil seines Angebots extra-hochauflösend bereit. Dafür muss man extra in die Tasche greifen und das teuerste Abo für 19.90 Franken pro Monat buchen.

Die zusätzliche Auflösung kommt nur bei grossen Bildschirmen überhaupt zur Geltung. «Sofern der Bildschirm nicht besonders gross ist und man sich nicht allzu nah davor aufhält, ist normales HDTV sicher scharf genug», sagt Albrecht Gasteiner, der als «Digital-Papst» gilt, seit er an der legendären Fera, der Schweizer Fernseh- und Radioausstellung 1981, die erste Compact Disc vorgestellt hatte.

Wenn das Sofa zwei Meter vom Bildschirm entfernt steht, braucht man mindestens 50 Zoll Bildschirmdurchmesser, um die zusätzlichen Details zu erkennen. Bei drei Metern sollten es schon 70 Zoll sein. Das sind fast 1,8 Meter oder mit anderen Worten: ein raumdominierendes Gerät. Trotzdem empfiehlt Gasteiner in jedem Fall UHD: «Ein solcher Apparat ist zukunftssicher, und er zeigt nicht nur Fernsehen. Digitale Fotokameras liefern ihm Bilder in UHD-Auflösung, selbstgedrehte Familien- und Drohnenvideos bieten ebenfalls diese Detailschärfe.» Es gebe sie auch bei Videospielen. Und schliesslich würden normale HDTV-Programme auf «recht attraktives Pseudo-UHD» hochgerechnet.

Noch schärfer, noch flüssiger, noch kontrastreicher

Gasteiner, der auch UHD-forum.ch betreibt, verweist auf zwei weitere Tricks, mit denen die neuen Fernseher das Erlebnis für die Zuschauer intensivieren wollen: Die erste technische Neuerung führt dazu, dass Fernseher mehr Bilder als bisher pro Sekunde darstellen können. HFR, bzw. high frame rate ergibt flüssigere Bewegungen. Bei Sportübertragungen würde das womöglich mehr bringen als zusätzliche Auflösung.

Zweitens HDR oder high dynamic range. Sie vergrössert den Unterschied zwischen den hellsten und dunkelsten Bildbereichen. Sie macht Szenen mit prallem Sonnenschein oder grellen Scheinwerfern eindrücklicher. Und sie verleiht einer uralten Diskussion neuen Auftrieb: Schadet Fernsehen den Augen? Cnet gab prophylaktisch die (naheliegende) Empfehlung ab, in dunklen Räumen die Helligkeit zurückzudrehen oder ein paar Lampen einzuschalten.

Ein neuer Formatstreit

Es gibt ein zweites Problem mit HDR: Es existieren mehrere konkurrenzierende Formate, sodass sich die Fach-Website Heise.de schon an den Streit zwischen der Blu-Ray und der HD-DVD erinnert sieht. Er behinderte die Verbreitung von hochaufgelösten Filmen auf Datenträger über Jahre. Im Fall von HDR scheint die Industrie gewillt, eine Pattsituation zu vermeiden. Dolby, einer der Beteiligten im Streit, signalisierte kürzlich, dass die Standards auch koexistieren könnten – das, nachdem Panasonic einen Player für Ultra-HD-Blu-Rays angekündigt hat, der mit HDR10, HDR10+ und Dolby Vision die relevanten Formate unterstützt.

Schliesslich gibt es zwei konkurrenzierende Displaytechnologien. OLED und QLED unterscheiden sich in der Art und Weise, wie sie das Bild erhellen: Bei OLED strahlen die Bildpunkte selbst, bei QLED braucht es eine Hintergrundbeleuchtung. OLED verspricht das dunkelste Schwarz, ist aber nach wie vor teuer. QLED ist eine Weiterentwicklung der herkömmlichen LCD-Technologie, die die hellsten Bilder liefert.

Doch selbst im direkten Vergleich muss man genau hinsehen, um Unterschiede festzustellen. Auch Fernsehexperte Albrecht Gasteiner kürt keinen eindeutigen Sieger: «Das ist ein bisschen wie die Frage ‹Benzin oder Diesel?›. Hier wie dort gilt: Jedes System hat seine Eigenheiten. Und welche man für sich selbst wichtig findet, ist individuell verschieden.» Daraus darf man ableiten, dass man sich für den Entscheid nicht auf die technischen Details, sondern auf seine Augen verlassen sollte. Am besten nimmt man seine Favoriten im Fachgeschäft in Augenschein.

Ist das Fernsehen bald passé?

Bleibt die Frage, ob das herkömmliche Fernsehen überhaupt eine Zukunft hat. Oder wird die Unterhaltung virtuell? Albrecht Gasteiner ist skeptisch, weil schon frühere technische Revolutionen nie im Massenmarkt angekommen sind: «Ob 3-D, Surroundsound oder Dolby Atmos, Revolutionsversuche waren immer zu teuer und zu unpraktisch. Hätten Sie gerne zweiundzwanzig Lautsprecher im Wohnzimmer? Die Familienmitglieder mit dichten Taucherbrillen voneinander abgeschlossen?» Virtual-Reality-Brillen vermitteln intensive Eindrücke. Doch sie werden es auch weiterhin nur in der Nische tun: «Das klassische Fernsehen wird auch weiterhin die Familie fasziniert vor dem Bildschirm versammeln», davon ist Gasteiner überzeugt.

Mit UHD bekommt der Fernsehzuschauer noch mehr Details zu sehen. Im Bild: Ein tschechischer Spieler feiert ein Tor gegen Costa Rica.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 30. Mai 2018

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