Mieten statt kaufen

Wenn die Software nicht arbeiten mag

Bei abonnierten Programmen kann es zu unerwarteten Streiks kommen.

Matthias Schüssler

Adobe ist eines der grossen Softwarehäuser, das Standardprogramme für die Produktion von gedruckten und digitalen Medien herstellt. Photoshop und die anderen zur Creative Cloud gehörenden Programme gibt es seit 2013 nur noch zur Miete. Adobe hatte damals voll und ganz auf das Abomodell gesetzt. Die Kaufversionen der Produkte wurden gleich ganz abgeschafft. Das hat natürlich für Unmut gesorgt. Viele professionelle Anwender hatten die Befürchtung, sie könnten bei einer Panne mit ihrem Abo oder der Internetverbindung plötzlich ohne ihre digitalen Werkzeuge dastehen – natürlich exakt in dem Moment, wenn eine Deadline droht und ihnen ein Kunde im Nacken sitzt.

Adobe hatte damals abgewiegelt: Die Lizenz werde bei monatlichen Zahlern in Abständen von 30 Tagen überprüft, bei Jahresabonnenten nur alle 99 Tage. Dazwischen könne man die Software auch problemlos offline verwenden.

Das klingt theoretisch überzeugend. In der Praxis zeigt sich, dass die Bedenken nicht unbegründet sind. Ein Serverausfall von etwa einem Tag hatte im Mai 2014 manche Abonnenten auf dem falschen Fuss erwischt. Die Empfehlung war damals, sich notfalls mit den Demoversionen der Produkte zu behelfen.

Doch auch ohne Serverpannen hat das Abomodell seine Tücken. Zwei persönliche Schreckmomente mit Adobes Creative Cloud:

Da heisst es aus heiterem Himmel, die Lizenz würde in wenigen Tagen ablaufen; eine Erneuerung sei unumgänglich. Das wird dann zum Problem, wenn der Softwareverantwortliche des Teams gerade in den Ferien weilt und die Firmenkreditkarte abgelaufen ist.

Auch unerfreulich: Wenn die Software plötzlich meldet, für die weitere Nutzung sei umgehend eine Neuanmeldung nötig – und diese sogleich mit einem Hinweis auf «fehlende Internetkonnektivität» verweigert. Da steht man wie der Esel am Berg, wenn alle anderen Programme keinerlei Verbindungsprobleme haben. Adobes Hotline verweist auf ein ellenlanges Supportdokument, das die schliesslich rettende Massnahme leider mit keinem Wort erwähnt: nämlich, die Windows-Firewall für die Dauer der Abo-Überprüfung abzuschalten.

Manche arbeiten lieber offline

Fazit: Ein gemietetes Programm ist nicht so zuverlässig wie eine Kaufsoftware, egal wie sorgfältig der Hersteller auch operiert. Kommt hinzu: Viele Nutzer möchten allein zum Schutz ihrer Privatsphäre lieber mit einem Produkt arbeiten, das keine Verbindung zu den Servern des Herstellers benötigt und das auch offline bestens funktioniert.

Nur Mietprogramme anzubieten, wird legitimen Kundenbedürfnissen nicht gerecht.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 23. Mai 2018

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