Geldregen für Apple, Frust für die Entwickler

Im Geschäft mit Smartphone-Apps werden inzwischen Milliarden umgesetzt. Doch bei Windows und Mac setzen die Softwareanbieter lieber auf die Selbstvermarktung.

Matthias Schüssler

Im letzten Jahr haben die mobilen App-Stores ein atemberaubendes Wachstum hingelegt. Der Umsatz ist um 35 Prozent gestiegen. 2017 setzten Google und Apple mit ihren Stores 58,6 Milliarden US-Dollar um. Gemäss der Marktanalyse von Sensortower.com hat Google bei den Downloads stärker zugelegt als Apple. Android bei dieser Kennziffer weit vorn. Beim Umsatz ist Apple der klare Sieger: iPhone und iPad erzielten mit Verkäufen, In-App-Käufen und Abos einen fast doppelt so grossen Erlös wie der Konkurrent.

Diese Zahlen sind mit Vorsicht zu geniessen. Da die Softwarekonzerne keine Detailzahlen offenlegen, gibt es diverse Marktbeobachtungsunternehmen, die Daten indirekt erheben. Dazu werden beispielsweise Statistiken der App-Entwickler gesammelt und hochgerechnet. Apple lässt die Welt immerhin wissen, wie viel Geld nach Abzug des eigenen Anteils an die Entwickler ausbezahlt wird. Und auch diese Zahl zeigt ein dickes Plus von um die 30 Prozent: 26,5 Milliarden US-Dollar waren es 2017, im Vorjahr noch 20,3 Milliarden.

Der Analyst Horace Dediu hält fest, dass der Umsatz des App Stores nun grösser ist als der von McDonald’s. Der App Store allein würde sich als «Fortune 100»-Unternehmen qualifizieren.

Exodus beim Mac App Store

Das App-Store-Modell ist bei den Mobilgeräten enorm erfolgreich. Im harten Kontrast dazu führen die App-Stores für die Laptops und Desktop-PC ein Schattendasein. Der Mac App Store bietet seit sieben Jahren Software für Macs an. Er macht vor allem durch einen seit Jahren andauernden Exodus Schlagzeilen.

Letztes Jahr hat beispielsweise das Entwicklerstudio St. Clair seine Mac-Hilfsprogramme zurückgezogen: «Es ergibt wirtschaftlich keinen Sinn, dort vertreten zu sein», kritisiert der Chefentwickler. Apple will, dass die Anwendungen aus dem Store höhere Sicherheitsanforderungen erfüllen. Das erfordert einen grossen Anpassungsaufwand.

Es gibt noch weitere Kritikpunkte: Apple lässt sich mit der Freigabe von Updates oft viel Zeit. Es gibt keine Möglichkeit, Testversionen und kostenpflichtige Updates anzubieten.

Das «rothaarige Stiefkind»

«Der Mac App Store ist Apples rothaariges Stiefkind», urteilte das IT-Wirtschaftsmagazin CIO, und schon 2015 hatte der bekannte Apple-Blogger und Entwickler John Gruber kritisiert: «Der Mac App Store rottet vor sich hin. Dass deswegen bei Apple keine Alarmglocken losgehen, ist bedenklich.»

Seitdem ist nichts passiert. Das schlägt sich in den Beliebtheitswerten nieder: «Abneigung verwandelt sich in Hass», stellt der «Annual Mac Market Survey 2017» bei den Entwicklern fest, die ihre Produkte exklusiv über den Mac App Store vertreiben.

Auch Microsoft betreibt einen Store für sein Desktop-Betriebssystem. Er wurde mit Windows 8 eingeführt und Ende letzten Jahres von Windows- in Microsoft-Store umbenannt. Wie erfolgreich er ist, lässt sich schwer abschätzen, da Microsoft keine Zahlen veröffentlicht. «The Verge» hat ihn Mitte 2017 als «App-Wüste» bezeichnet: «Viele der Apps, die man dort erwarten würde, gibt es nicht. Und die, die es gibt, sind oft schlechter als die Varianten, die es fürs iPad, den Mac oder als normale Windows-Programme gibt.»

Windows Store: «Nur für Spassprojekte»

Quang Lam, der als Student ein einfaches Übersetzungsprogramm für den Store entwickelt hat, kam zu einem ernüchternden Fazit: «Als Spassprojekt oder für eine Uni-Heimarbeit ist das Microsoft-Ökosystem in Ordnung.» Doch für ernsthafte Softwareprodukte sei es nicht geeignet, Die Suchfunktion bringe veraltete Apps für Windows Phone, nicht aber aktuelle Windows-10-Apps zum Vorschein, bemängelt Quang Lam. Auch andere Entwickler haben ähnliche Erfahrungen mit der Store-Suche gemacht.

Tricks für die App-Stores, wie Sie als Nutzer auf Ihre Rechnung kommen.

Dass der Store noch nicht alltagstauglich ist, scheint Windows 10 S zum Verhängnis zu werden, der erst vor neun Monaten vorgestellten, jüngsten Version des Betriebssystems. Windows 10 S führt nur Apps aus dem Store aus.

Das verspricht mehr Sicherheit und Schnelligkeit, da die Risiken und Nebenwirkungen klassischer Windows-Programme ausgeschaltet sind. Bei den Store-Apps handelt es sich um sogenannte UWP-Anwendungen. Die Universal Windows Platform vereinigt Apps nicht nur für Windows 10, sondern auch für das Smartphone-Betriebssystem Windows 10 Mobile, die Xbox und Microsofts Datenbrille Hololens.

Sicherheit ist nicht alles

UWP-Apps sind gegenüber herkömmlichen Windows-Programmen in ihren Möglichkeiten stark limitiert: Sie können sich nicht selbst starten und nicht konstant im Hintergrund laufen oder Einfluss auf andere Programme nehmen. Entsprechend bremsen und kompromittieren sie das System nicht. Doch Sicherheit allein ist eben nicht alles. Windows-Experte Paul Thurrott hält UWP-Apps für eine Sackgasse und kritisiert, im Store gebe es viel zu viele qualitativ minderwertige Apps. (Ausnahmen bestätigen die Regel).

Thurrott urteilt entsprechend harsch: «Windows 10 S ist unausgegoren. Es ist nicht parat für mich, dich oder irgendjemanden!» Und tatsächlich scheint Windows 10 S als eigenständiges System bereits überholt. Letzte Woche war zu lesen, dass Microsoft es nicht mehr als eigenständiges Produkt, sondern nur noch als Betriebsmodus der normalen Windows-Version anbieten will.

Beliebt, weil ohne Alternative?

Anders als bei Windows und Mac können die Softwareanbieter ihre Produkte für iPhone und iPad nicht selbst vertreiben und direkt verkaufen. (Bei Android ist das möglich, für Normalanwender ist es aber keine Option.) Könnte es sein, dass bei den Smartphones die App-Stores deswegen so erfolgreich sind, weil die Entwickler keine Alternative haben? Zu diesem Schluss kam vor einigen Monaten Matt Gemmell, ein Journalist aus Edinburgh, der für «The Guardian» und «Macworld» schreibt: «Kein Unternehmen hat mehr Schaden angerichtet als Apple.» Der Store hat den Wert der Software in den Augen der Benutzer massiv geschmälert. Und der Store erschwert es unabhängigen Entwicklern, ein langfristiges Einkommen zu finden.

Apple fördert die Abwärtsspirale

Apple fördert demnach eine preisliche Abwärtsspirale, indem ein einmaliger Kauf auch die Updates einschliesst und Entwickler belohnt werden, die ihre App zum gleichen Preis fürs iPhone, iPad und die Apple Watch anbieten. Die Familienfreigabe erlaubt es sogar, einmal gekaufte Apps an maximal fünf Angehörige weiterzugeben. Sogar kleine Preise werden als teuer empfunden, stellt Matt Gemmell fest. «Schlägt eine App beispielsweise von 1 auf 3 Dollar auf, gehen die Verkäufe so stark zurück, dass unter dem Strich weniger bleibt.»

Einen Lichtblick gibt es: Seit anderthalb Jahren können Entwickler Apps im Abo anbieten. Die Nutzungsgebühr fällt monatlich oder jährlich an und das Abonnement verlängert sich automatisch. Das ergibt ein regelmässigeres Einkommen und eine langfristige Perspektive. Doch das nutzt bis jetzt nur den Apps mit grosser Strahlkraft: Nur sie schaffen es, Nutzer als wiederkehrende Kunden zu binden. (DerBund.ch/Newsnet)

Die Apps als Massengeschäft – das rentiert sich längst nicht für alle Anbieter. Bild: Stream of Apps, Phil Aaronson/Flickr.com (CC BY 2.0)

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 14. Februar 2018

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