Die erste smarte Brille, die nicht gruselig ist

Sind die Datenbrillen jetzt endlich alltagstauglich? Die Vaunt ist äusserlich nicht von einer normalen Sehhilfe zu unterscheiden.

Matthias Schüssler

Seit fünf Jahren laufen Versuche, die Brille digital aufzurüsten: Da der Träger sie sowieso ständig vor den Augen hat, kann man sie doch zur Anzeige nützlicher Informationen nutzen, so die Idee. Eine solche Datenbrille würde gleich zwei Megatrends bedienen: Einerseits macht sie aus der profanen Sehhilfe ein Wearable – eine Schnittstelle zum Smartphone und dem Internet. Andererseits ist sie ein Hilfsmittel für die Augmented Reality: die virtuelle Anreicherung der Wirklichkeitswahrnehmung durch Informationen über die sichtbare Umgebung.

Sozial bislang nicht akzeptiert

Das klingt in der Theorie einleuchtend, ist in der Praxis aber nur etwas für Computerfreaks. Die smarten Brillen sind klobig, mit hässlichen Aufsätzen ausgestattet und entsprechend schwer. Und sie sind sozial nicht akzeptiert. Die Träger von Googles smarter Brille Glass wurden auch «Glasshole» genannt. Diese rüde Bezeichnung rührt daher, dass die User mit der Kamera die Umgebung unbemerkt filmen und belauschen konnten. Google hat Glass 2015 (abgesehen von einer Enterprise-Version) nach einem Jahr eingestellt und verbrannte Erde zurückgelassen.

Nun wagt Intel einen neuen Versuch. Die Vaunt ist eine Brille, die sich äusserlich nicht von einer normalen Sehhilfe unterscheidet. Mit einem Gewicht von unter 50 Gramm soll sie den ganzen Tag getragen werden können; die Batterie ist auf 18 Stunden Betriebszeit ausgelegt. Diese Brille projiziert per Laser ein einfarbiges Bild auf einen Reflektor im rechten Glas, das auf die Netzhaut umgeleitet wird – und dort scharf ankommt, egal, was für einen Sehfehler der Träger hat.

Unaufdringliche Einblendungen

Diese Einblendung erscheint rechts unten im Sehfeld und ist darauf angelegt, möglichst unaufdringlich zu sein: Wenn der Träger nicht an die entsprechende Stelle blickt, ist dort auch nichts zu sehen. Für das Gegenüber ist kaum erkennbar, ob der Träger der Datenbrille gerade Informationen entgegennimmt oder nicht. Nur bei bestimmten Winkeln erscheint ein leichter roter Schimmer auf dem Brillenglas.

Die Brille hat keinen Lautsprecher und kann auch nicht per Vibration auf sich aufmerksam machen. Sie hat aber einen Bewegungssensor, sodass man mit Kopfbewegungen interagieren und Anfragen bejahen oder verneinen kann.

Bei der Brille handelt es sich um einen Prototypen, der von einem Redaktor der Newsplattform «The Verge» getestet werden konnte. «In weniger als einer Stunde gewöhnt man sich daran, die Anzeige zu fokussieren oder zu ignorieren und sich stattdessen aufs Gegenüber zu konzentrieren», erläuterte «The Verge»-Journalist Dieter Bohn.

Das Rezept im Brillenglas

Im Test hat Bohn lediglich eine Demoschlaufe aus Benachrichtigungen, Ankündigungen eingehender Anrufe und Navigationsanweisungen gesehen. Intel könnte sich auch vorstellen, dass man beim Kochen seinen smarten Lautsprecher nach einem Rezept fragt und die Instruktionen in der Brille sieht.

Doch was genau aus Vaunt wird, hängt massgeblich von den Entwicklern ab: Sie werden im Lauf des Jahres Zugang zu Prototypen erhalten, um ihre Apps zu entwickeln. Ob die Vaunt in der getesteten Form auf den Markt kommt, lässt auch Bohn offen: «Intel hat einen Ruf, Ideen vorzuführen, die nie zu echten Produkten werden.» Doch da unaufdringliche Datenbrillen realisierbar sind, werde man sich früher oder später an sie gewöhnen müssen.

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 6. Februar 2018

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