Bei Apple häufen sich die Pannen

Eine ungewohnte Reihe von Sicherheitslücken und Produktpannen lassen daran zweifeln, ob der Vorzeigekonzern seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird.

Matthias Schüssler

Apple ist dieses Jahr eine überraschende Premiere gelungen: Das iPhone X ist positiver aufgenommen worden, als viele das im Vorfeld erwartet hatten. Beim Verkaufsstart im November gab es sogar wieder Schlangen vor den Apple Stores. So gross war das Interesse an einem neuen iPhone schon lange nicht mehr gewesen.

Doch abgesehen von diesem Triumph hat Apple in diesem Jahr, und vor allem in den letzten Monaten, mit diversen ­Sicherheitslücken Negativschlagzeilen produziert: Da war ein fataler Fehler im Betriebssystem High Sierra Ende November. Der «Root bug» erlaubte es Eindringlingen, sich ohne Passwort mit maximalen Rechten an Mac-Computern anzumelden. «Wired» zitierte den Sicherheitsexperten Patrick Wardle, Schadsoftware würde ständig versuchen, diesen unbeschränkten Root-Zugang zu erlangen: «Und Apple serviert ihn auf dem Silbertablett!»

Apple hat das Problem zwar schnell mittels eines Patches behoben. Doch das Notfallupdate konnte unter unglücklichen Umständen sang- und klanglos wieder verschwinden, wie wiederum «­Wired» berichtete. Das war der Fall, wenn Nutzer den Patch auf einer Betriebssystemversion installierten, die nicht auf dem neuesten Stand war. Dann hat ein nachgelagertes Update die «Root»-Lücke wieder geöffnet, nachdem sie bereits geschlossen war.

Das Passwort verraten

Weiteres Beispiel gefällig? Anfang Oktober hatte ein brasilianischer Softwareentwickler einen Fehler im Festplattendienstprogramm gefunden. Das Programm ist dazu da, Speichermedien zu verwalten. Es hatte bei verschlüsselten Festplatten beim Passworthinweis nicht den Hinweis, sondern eben das Passwort selbst verraten.

Ein programmiertechnisches Missgeschick liess Anfang Dezember iPhones abstürzen. Bei Macs hatte der gleiche Fehler zur Folge, dass im Systemprotokoll abertausendfach ein Eintrag auftauchte, der an Apples Fähigkeit zweifeln liess, bis auf zwölf zu zählen: «Der 13. Monat ist ausserhalb des zulässigen Bereichs», lautete er.

Die Liste der Klagen geht weiter und weiter: Bei den neuen Macbook-Pro-Modellen klemmen Tasten und manche Displays werden fleckig. Apple war gezwungen, wegen «Staingate» ein Austauschprogramm zu starten. Es gab eine befremdliche Panne bei der Autokorrektur des iPhones. Sie hat Anfang November bei vielen Nutzern ein I automatisch durch ein A ersetzt – was auf Englisch Texte mit dem Personalpronomen Ich quasi verunmöglichte.

Und die brandneue LTE-Apple-Watch konnte anfänglich keine Verbindung aufbauen, wenn ihr ein öffentliches WLAN-Netz in die Quere kam. Auch Siri sorgte mit eigenartigen Aktionen für Ärger. Die digitale Assistentin wählte nach Sprachbefehlen mit Prozentangaben ungefragt und unnötig die Notrufnummer.

Ein schaler Nachgeschmack

Kritiker bemängeln nicht, dass Fehler passieren. Das ist bei Software unvermeidlich. Schwierig bis peinlich ist jedoch, dass die Probleme bei internen Qualitätskontrollen nicht bemerkt wurden. «Das hinterlässt einen schalen Nachgeschmack», urteilt Appleinsider.com. Apple rühme sich wegen der hohen Kundenzufriedenheit. Doch im Moment werde Apple diesem Anspruch nicht gerecht.

Über die Ursachen kann man nur spekulieren. Hat Apple der Marge wegen die Qualitätskontrollen über Gebühr reduziert? Oder ist doch alles nur eine Verkettung unglücklicher Umstände? So stellte es Marketing-Chef Phil Schiller dar. In einem Interview mit der britischen Zeitung «The Telegraph» sagte er, sein Unternehmen habe eine schlechte Woche in einem ansonsten sehr erfolgreichen Jahr gehabt. Schiller gelobte jedenfalls Besserung: «Ein paar Dinge sind vorgefallen. Das Team wird über die Bücher gehen, die Prozesse sorgfältig ansehen und alles tun, damit das nicht mehr passiert.»

Pepijn Bruienne ist ein Sicherheits­experte, dessen Analyse in «Wired» daran zweifeln lässt, dass es mit ein paar Modifikationen bei den Prozessen getan ist. «Meines Erachtens fordert Apples Taktfahrplan seinen Tribut», sagt er. Der Konzern wolle alle seine Betriebssysteme fürs iPhone und das iPad, den Mac, die Apple Watch und die TV-Box jährlich mit marketingträchtigen Neuerungen ausstatten. Andere Beobachter spekulieren, es gebe entweder zu wenig Personal in der Testabteilung oder es fehle an der Führung. Es bleibt die Frage, ob Apple es stemmen kann, alle zwölf Monate eine weitgehende Überarbeitung seiner wichtigen Produkte auszuliefern.

Erst einmal abwarten?

Softwareentwickler Marin Todorov befürchtet, dass die schiere Anzahl an Problemen die Nutzer dazu bringen könnte, Softwareupdates künftig nicht sofort zu installieren, sondern abzuwarten. Das wäre eine falsche Entwicklung. Denn wenn man von den aktuellen Pannen absieht, sind die Apple-Produkte sicher, gerade weil die meisten Anwender mit Aktualisierungen nicht zuwarten.

Auf alle Fälle setzt Apple fatale Prioritäten. Sicherheitsexperten von Elcomsoft.com haben vor kurzem in einem Blogpost aufgezeigt, wie iOS 11 die Hürden für Datendiebe massiv gesenkt hat.

Mit dem letzten Update der Systemsoftware für iPhones und iPads lassen sich Passwörter einfacher zurücksetzen. Das ist bei einem Gerät, das mit der eigentlich besonders sicheren Methode der Zwei-Faktor-Authentifizierung geschützt ist, direkt nach Eingabe des Passcodes möglich. Dieser Code ist bei den meisten Nutzern sechsstellig, bei manchen aber sogar nur vierstellig.

«Eine Horror-Story!»

Ein Dieb, der einen solchen Code ­knacken kann, hat die Möglichkeit, den iCloud-Account des Opfers zu übernehmen: Er kann dessen Daten stehlen oder löschen und den eigentlichen Benutzer von seinem Konto ausschliessen. Auch über die iTunes-Back-ups ergibt sich ein neuer Angriffspunkt.

Die Sicherheitsexperten stellen die Frage, warum Apple die zuvor perfekte Balance zwischen Sicherheit und Komfort zerstört habe – und antworten hart: «Das ist jenseits unseres Fassungsvermögens. Das ist eine Horror-Story!» (Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

Hat Apple noch den Überblick? Marketing-Chef Phil Schiller, hier an der Präsentation des iPhone X im September. Bild: Stephen Lam/Reuters

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 19. Dezember 2017

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