Alle gegen Google

Chrome geht aus den Browserkriegen der letzten Jahre als Sieger hervor, mit einem Marktanteil von soliden 60 Prozent. Doch nun ist der Vorsprung in Gefahr – denn die Konkurrenz verspricht besseren Datenschutz und höheres Surftempo.

Matthias Schüssler

Die Browserkriege sind nichts, was Historiker bewegen würde. Doch in der Geschichtsschreibung des Internets nehmen sie einen grossen Platz ein. Denn es stecken Dynamik und Drama in den Geschehnissen. Es gibt wechselnde Fronten, abgestürzte Dominatoren und ein mögliches Comeback einer alten Grossmacht. Da war Netscape. Dieser alte Haudegen stellte in den Anfängen für viele den Inbegriff des World Wide Web dar. Doch mit einer misslichen Logistik (ausbleibende Updates) überliess er Ende der 1990er-Jahre dem Internet Explorer das Feld fast kampflos.

Doch das Zweckbündnis des Internet Explorers mit seinen Nutzern war nicht von Dauer. Viele Surfer wandten sich ab, als Mitte der Nullerjahre Netscape aus seiner Asche wiederauferstand – erst unter dem passenden Namen Phoenix. Aus Phoenix wurde Firefox, und er vermochte bis 2009 Microsoft ein Drittel der Nutzer abzujagen.

Im gleichen Jahr trat ein Aussenseiter auf den Plan. Google als neue Supermacht versprach: keine Sperenzchen, sondern Tempo und ein unkompliziertes Surferlebnis. Chrome setzte zu einem bis heute andauernden Siegeszug an. Er hat gegenwärtig 60 Prozent Marktanteil. Alle anderen mussten zurückstecken, und Microsoft hat den Internet Explorer 2015 in den Veteranenstand versetzt. Der Nachfolger Edge hat bisher keine Meriten eingeheimst.

Kein Ruckeln, kein Brimborium

Diese Woche setzt Firefox zum Comeback an – bereits zum zweiten Mal nach der Phoenix-Ära: Unter dem Namen Quantum erscheint eine von Altlasten befreite neue Version des Browsers. Sie hat das erklärte Ziel, Nutzer von Chrome zurückzugewinnen: Die neue Version soll schneller sein, weniger Speicher benötigen und optisch unauffällig sein. Denn die höchste Tugend eines Browsers ist heute, auch die komplexesten Websites schnell und ohne Ruckeln anzuzeigen und selbst bei maximalem Multimedia-Brimborium den Akku von Mobilgeräten zu schonen.

Google hat alte Tugenden verloren, das kritisieren selbst die Fans. Einer von ihnen bemängelte auf der Social-Media-Plattform Quora, Chrome sei nicht mehr das «flinke Biest von 2011»: «Heute ist er eine bizarre App-Plattform, die man zufällig auch noch als Browser benutzen kann.» Der Mann spielt darauf an, dass Googles Browser auch Apps ausführen kann und so fast wie ein Betriebssystem im Betriebssystem funktioniert.

Eine Sekundärtugend der aktuellen Browser sind die Sicherheit und der Datenschutz. Auch da rückt sich Firefox in ein gutes Licht: «Wir sind stolz darauf, als gemeinnützige Organisation dafür einzutreten, dass das Internet gesund, offen und für alle zugänglich bleibt», lobt sich die Mozilla-Stiftung, die den offenen Browser entwickelt. Das ist gegen Chrome gemünzt. Google steht als grosser Datenakkumulator unvermeidlicherweise in der Kritik. «Google schont die Datensammler», bemängelt zum Beispiel die digitale Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation.

Während die anderen Browser Firefox, Safari, Opera und Brave ihren Nutzern Schutzmöglichkeiten vor der Nachverfolgung durch die sogenannten Tracker im Netz gäben, ignoriere Google die tiefergehenden Probleme des Datenschutzes, klagen die Bürgerrechtler: Google Chrome will nächstes Jahr lästige Werbung automatisch ausfiltern. Doch das Verfolgen der Surfer über viele Websites im Netz hinweg will Google nicht unterbinden. Trotzdem sieht es im Moment nicht danach aus, als ob diese Haltung Googles dominante Rolle in den Browserkriegen gefährden würde.

Zum Smartphone und zurück

Was die Funktionen angeht, sind sich die Browser inzwischen sehr ähnlich: «Ein Kopf-an-Kopf-Rennen», schrieb Pcworld.com im August. Ein wichtiges Komfortund Unterscheidungsmerkmal ist das Zusammenspiel der Versionen für den Desktop mit den Smartphone-Varianten. Bei dieser Disziplin brillieren Firefox und Chrome: Über die Synchronisation stehen am Mobilgerät die gleichen Lesezeichen und der Surfverlauf zur Verfügung wie am Windows-PC und Mac. Mit der «An Gerät senden»-Funktion lässt sich bei Firefox eine Website ohne Aufwand an einem anderen Gerät öffnen. Bei Microsoft ist über die «Continue on PC»-App fürs iPhone und Android immerhin möglich, eine Adresse vom Smartphone an den Windows-10-Computer zu schicken. Im Apple-Universum verbindet die «Handoff»-Funktion die Macs und die mobilen Geräte.

Die Aussenseiter punkten entweder durch flexible Anpassungsmöglichkeiten (Opera) oder durch besonderen Schutz der Privatsphäre (Brave).

Firefox Quantum Der neue Browser im Video vorgestellt:
quantum.tagesanzeiger.ch

Der beste Weg ins Web

Die Stärken der aktuellen Browser

Firefox
In der neuen Version 57 alias Quantum überzeugen die aufgeräumte, zweckdienliche Oberfläche und das spürbar verbesserte Tempo. Die Synchronisation zwischen PCs, Macs und Mobilgeräten funktioniert klaglos. Als offene Software wird Firefox von einer Stiftung getragen.

Google Chrome
Seine grosse Stärke ist die enge Integration mit den Google-Diensten und die Synchronisation zwischen mehreren Geräten. Vorbildlich auch die Einstellungen pro Website, die beim Klick aufs «i»- Symbol am linken Rand in der Adressleiste erscheinen.

Edge
Microsofts Nachfolger des Internet Explorer legt grossen Wert auf Sicherheit: Eine geschützte Umgebung (Sandbox) reduziert die Angriffsmöglichkeiten für Schadsoftware. Edge punktet mit einer schönen Textdarstellung und mit der Möglichkeit, offene Reiter mit kleinen Vorschaubildern darzustellen.

Safari
Apple stimmt seinen Browser optimal auf die Möglichkeiten der Hardware und der Betriebssysteme ab. Er profitiert von Force-Touch (unterschiedlichen Druckstärken am Touch-Display bzw. Touchpad), von Mehrfingergesten, und am Macbook von der neuen Touchbar.

Opera
Ein grosser Funktionsumfang mit weitgehenden Anpassungsmöglichkeiten bei Darstellung und Bedienung zeichnen Opera aus, ebenso die Synchronisationsfunktion und das eingebaute VPN. Ursprünglich aus Norwegen stammend, wurde Opera 2016 von einem chinesischen Konsortium übernommen.

Brave
Brave basiert auf Chromium, dem Quelltext von Googles Chrome-Browser, ist aber konsequent auf den Schutz persönlicher Daten ausgelegt. Werbung, Zählpixel und Cookies werden standardmässig blockiert. Ein Bezahlmodell soll es den Webanbietern ermöglichen, die Werbeausfälle zu kompensieren.

Browser in the Box
Zum Schutz vor Viren versetzt diese Lösung Firefox respektive Chrome in eine Sicherheitsumgebung. Details: browser.tagesanzeiger.ch (schü.)

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 15. November 2017

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