Digitale Entenjagd

Bei Facebook kann man Fake-News melden – doch das ist erst der Anfang: Tricks und Methoden, wie man Falschmeldungen in sozialen Medien auf die Spur kommt und seine Sinne für Online-Unfug schärft.

Matthias Schüssler

Facebook geht in Deutschland gegen Falschmeldungen vor. Die Nutzer des sozialen Netzwerks werden dieser Tage die Möglichkeit erhalten, fragwürdige Beiträge zu melden. Es gibt eine solche Funktion bereits für Spam, Urheberrechtsverletzungen und Hassbotschaften. Wenn viele Nutzer sich auf einen populären Beitrag einschiessen, wird er von dritter Seite überprüft.

Für Deutschland übernimmt diese Aufgabe Correctiv, ein gemeinnütziges Recherchezentrum. Es finanziert sich aus Stiftungsgeldern und arbeitet mit diversen Medien zusammen. Wenn die Faktenprüfung ergibt, dass ein Beitrag unhaltbar ist, wird er nicht gelöscht, sondern mit einem Warnhinweis versehen. Facebook-Nutzer können ihn weiterhin teilen, die Warnung lässt sich aber nicht beseitigen. «Spiegel online» zitiert auch einen Facebook-Manager, der sagt, dass bei unglaubwürdigen Artikeln die Sichtbarkeit reduziert werden könne. Sie dürften also bei weniger Leuten im Newsfeed auftauchen.

Facebook kündigte ausserdem an, gegen Leute vorzugehen, die aus den Falschmeldungen ein Geschäft gemacht haben. Sie sollen daran gehindert werden, mit diesen Storys Werbegelder einzustreichen und als seriöse Nachrichtenquellen zu agieren.

Langsame Einführung

Auch in der Schweiz gibt es seit 2015 die Möglichkeit, einen unwahren Beitrag zu melden. Das geschieht über das Menü rechts neben dem Namen des Freundes, der ihn gepostet hat, und die Befehle «Beitrag melden› Es sollte meiner Meinung nach nicht auf Facebook sein› Es handelt sich um Fake-News». Bislang erfolgt in der Schweiz keine unabhängige Prüfung der gemeldeten Beiträge. Auf Anfrage teilte eine Sprecherin des sozialen Netzwerks mit, es sei nicht klar, ob und wann eine unabhängige Kontrolle in der Schweiz komme – sie werde im Moment Land für Land eingeführt.

So oder so ist zu befürchten, dass sich fragwürdige Storys schneller verbreiten, als sie von Rechercheprofis als falsch entlarvt werden können – denn eine sorgfältige Überprüfung braucht Zeit. Der Journalistikprofessor und bekannte US-Autor Jeff Jarvis hat nebst der Meldefunktion weitere Vorschläge. Er rät in einem 15-Punkte-Plan den Medien, von den Produzenten von Fake-News zu lernen und mit dem ganzen Arsenal der technischen Möglichkeiten ihre Recherchen – die «guten Informationen» – unter die Leute zu bringen: Sie sollen mit Fotos, Videos und Memes operieren. Letzteres sind Inhalte, die zu einem Internetphänomen werden und sich quasi von allein verbreiten.

Jarvis lässt auch die Nutzer nicht vom Haken. In einem Beitrag für die «Zeit» schreibt er: «Stellen Sie sich vor, in Ihrem Feed taucht ein Foto von Angela Merkel auf, wie sie im Clownskostüm auf einer ausschweifenden Party tanzt.» Natürlich ist der erste Impuls, das Bild weiterzuteilen und Likes einzuheimsen.

Doch bevor man das tut, rät Jarvis, sollte man die Quelle prüfen. Vorsicht ist angebracht, wenn es von einer Website stammt, von der noch nie jemand gehört hat und die gerade einmal ein paar Tage online ist. Aufschlussreich ist oft auch ein Blick ins Impressum und auf andere Beiträge des fraglichen Informationsanbieters. Steht dort klipp und klar, wer verantwortlich für die Inhalte ist, und gibt es eine Redaktionsadresse?

Wenn viele Beiträge mit der gleichen Tonalität und Stossrichtung vorhanden sind, muss man damit rechnen, es mit Propaganda zu tun zu haben. Es gibt Browser-Erweiterungen für Chrome, die vor unseriösen Webangeboten warnen. Bekannt sind Thisisfake.org, FiB – Stop living a lie und B.S. Detector.

Und es existieren auch diverse technische Methoden, ohne viel Aufwand die Verlässlichkeit einer Site einzuschätzen, wie ein TA-Video vorführt (Link am Ende des Artikels).

Für eine inhaltliche Überprüfung googeln Sie einige zentrale Stichworte aus der Meldung: die Namen Beteiligter oder Zitate. Bei legitimen Meldungen werden Sie auf weitere Quellen stossen. Unter News.google.com können Sie viele in- und ausländische Nachrichtenquellen durchsuchen. Beiträge zum gleichen Thema werden gruppiert und chronologisch geordnet. Es ist ersichtlich, wo eine Nachricht ihren Ursprung hat. Wenn es keine Meldungen eines grossen Mediums gibt, sollte man das als Warnsignal nehmen – und nicht als Beweis dafür, dass hier unangenehme Wahrheiten unterdrückt werden.

Fake-Bilder aufspüren

Ein hervorragendes Instrument, um Falschmeldungen aufzudecken, ist die Google-Bildersuche: Öffnen Sie Images. google.com in einem separaten Browserfenster und ziehen Sie ein Bild per Maus aufs Eingabefeld. Google zeigt daraufhin, wo das Bild überall Verwendung fand. Nach dem Amoklauf in München im Juli 2016 waren diverse falsche Bilder im Umlauf, die man per Bildersuche teilweise als jahrealt hätte datieren können. Eine Bildersuche ist auch via Tineye.com möglich.

Doch was tun, wenn die eigenen Freunde in ihrem Newsfeed Fragwürdiges veröffentlichen – sollen Sie das ignorieren oder sie damit konfrontieren? Das hängt davon ab, ob Sie Zeit und Lust auf eine Auseinandersetzung haben. Nicht jedermann reagiert souverän, wenn seine Postings öffentlich in Zweifel gezogen werden. Daher kann es sinnvoll sein, das in einer Direktnachricht oder mit einem E-Mail zu tun.

Am besten ist es, wenn Sie zweifelsfrei belegen können, dass es sich um eine digitale Ente handelt. Dabei helfen Ihnen Websites, die sozialmediale Lügen, urbane Legenden und klassische Falschmeldungen aufdecken und aufzeigen, wie sie teils jahrelang im Umlauf bleiben. Für Beiträge aus dem englischsprachigen Raum finden Sie Schützenhilfe bei Snopes.com und bei Factcheck.org. Im deutschsprachigen Raum dokumentiert Mimikama.at seit 2011 aufgedeckte Fälle von Fehlinformation und warnt auch vor Abofallen, Kettenbriefen und Abzockmaschen.

Über die Google-Bildersuche ist dieses Foto innert Sekunden als Fake entlarvt – der Bär wurde nachträglich per Photoshop in das Bild eingefügt.

Video Wie Sie Websites richtig einschätzen fakenews.tagesanzeiger.ch

Aufschlussreich ist oft auch ein Blick ins Impressum und auf andere Beiträge des fraglichen Informanten.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 18. Januar 2017

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