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Mit einer App das Klima retten?

Von Matthias Schüssler

Das Smartphone weiss, wie viel Klimagase wir produzieren, und es motiviert zu klimaschonendem Verhalten. Sinnvoll – oder bloss ein ökologisches Feigenblatt?

CO2 ist ein Treibhausgas, das die globale Erwärmung anheizt – und jeder von uns setzt es mit seinen täglichen Aktivitäten frei. Deswegen haben manche von uns gelegentlich ein schlechtes Gewissen. Oder auch nicht – denn Kohlenstoffdioxid sieht man nicht, und darum ist es ein Leichtes, seinen eigenen ökologischen Fussabdruck zu ignorieren.

Die App Changers (fürs iPhone und Android) will das ändern. Sie funktioniert wie eine klassische Schrittzähler-App und registriert Fussmärsche, ebenso Velotouren. Auch seine Bus- und Bahnfahrten kann man eintragen, da sie im Vergleich zum Individualverkehr CO2 einsparen. Wenn man per Auto oder Flugzeug unterwegs ist, kann man das ebenfalls erfassen. So erfährt man, wie viel Treibhausgas dadurch entstand. Und man bekommt eine Vorstellung davon, wie oft man sich zu Fuss bewegen muss, um das wettzumachen.

Autofahrten, Bahnreisen und Flüge müssen in der App manuell erfasst werden, indem man zu Beginn und am Ende einen Knopf drückt. Velofahrten und Spaziergänge werden mithilfe von Dritt-Apps aufgezeichnet, wenn diese ihre Daten im Telefon hinterlegen (am iPhone in Apple Health). Für die kontinuierliche Erfassung der Bewegungsdaten kann man auch die Moves-App (siehe hier) verwenden.

Das Verständnis für den eigenen Anteil am Klimawandel ist nicht alles, was das Start-up Blacksquared aus Potsdam bewirken will. Unternehmen können die App in eigenen Varianten lizenzieren und ihren Mitarbeitern zur Verfügung stellen. Wenn diese statt mit dem Fahrzeug mit dem Velo oder zu Fuss zur Arbeit kommen, sammeln sie Punkte (sogenannte Recoins), die sich dann gegen Prämien umtauschen lassen. Auch Teambildung ist möglich: Rivalitäten zwischen den Abteilungen werden also künftig in einem Wettbewerb zum Vorteil des Klimas ausgetragen. In Deutschland setzt bereits ein bunter Reigen von Unternehmen die App ein, darunter Pfizer, Ikea, H&M, Ernst & Young und Alcoa. Prämien für erreichte Ziele reichen von gepflanzten Bäumen über Museumseintritte bis zu Gratismahlzeiten in Kantinen.

15 bis 20 Prozent machen mit

Schweizer Unternehmen setzen die App bislang noch nicht ein. Markus Schulz, einer der beiden Gründer von Blacksquared, sagt aber, einige Unternehmen hätten Interesse signalisiert, vor allem im Versicherungsbereich. Markus Schulz sagt, das Interesse unter den Mitarbeitern hänge sehr von der internen Kommunikation in den Unternehmen und den Belohnungen ab: «Wir erreichen im Schnitt 15 bis 20 Prozent der Mitarbeiter im ersten Jahr. Im zweiten Jahr haben wir bei den Kunden einen Zuwachs von teilweise 30 bis 50 Prozent feststellen können.»

Sind auch negative Effekte denkbar – zum Beispiel bei Mitarbeitern, die nicht mitmachen können und deswegen ausgegrenzt werden? Eine solche Erfahrung hätten sie nicht gemacht, sagt Markus Schulz: «Wir haben viel Zeit in den Datenschutz der Teilnehmer investiert. Mitarbeiterinnen können ohne Klarnamen teilnehmen und ohne sich mit der Unternehmens-E-Mail-Adresse zu registrieren. Selbst Fantasienamen können unsichtbar gestellt werden.» Es lässt sich auch nicht rückverfolgen, mit welchen Aktivitäten ein Nutzer seine Bonuspunkte verdient hat.

Engagement erfahrbar machen

Kritiker könnten der CO2-Spar-App vorwerfen, bloss ein Feigenblatt zu sein – für Unternehmen, die sich so umweltbewusst geben können, ohne Anstrengungen zu unternehmen, ihre Geschäftstätigkeit ökologischer zu gestalten. Markus Schulz sagt, dass Unternehmen natürlich die Absicht hätten, sich mit einem grünen, nachhaltigen Image zu umgeben. Es gehe aber auch um den Kampf, welches Unternehmen die besten Nachwuchsköpfe für sich gewinnen könne: «Da hilft es natürlich, wenn Werte nicht nur in Hochglanzmagazinen kommuniziert, sondern auch im Unternehmen erfahrbar werden.»

Und schliesslich sei die Teilnahme messbar: «Die zurückgelegten Kilometer, die Baumpflanzungen, die CO2-Einsparungen und die Teilnehmerzahlen sind jederzeit transparent im Web einsehbar.» Wie engagiert fürs Klima ein Unternehmen ist, lässt sich somit im direkten Vergleich beurteilen.

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 30. August 2016

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