Nur Cablecom sperrt fremde Router aus

In der Schweiz lassen die meisten Internetprovider den Nutzern freie Routerwahl. Bald könnte damit Schluss sein. Das Problem dabei: Über ihre eigenen Router können Anbieter auch WLAN-Passwörter der Konsumenten speichern.

Matthias Schüssler

Deutschland schafft den Routerzwang ab: Eine Gesetzesänderung verlangt, dass Internetprovider ihren Kunden die Entscheidung überlassen müssen, welches Endgerät sie für den Internetzugang verwenden. Bislang war es so, dass viele Internetanbieter nur die eigenen Miet- oder Kaufgeräte zugelassen haben. Auf diese Weise war es den Kunden nicht möglich, eigene Modems oder Router einzusetzen. Auch dann nicht, wenn die günstiger, sparsamer oder technisch überlegen sind.

Angesichts dieser kundenfreundlichen Regelung stellt sich die Frage nach der Situation in der Schweiz. Gibt es auch hierzulande einen Routerzwang, der bekämpft werden müsste? Eine Umfrage bei den grossen Providern ergibt: Die meisten lassen auch fremde Verbindungsgeräte zu, hängen das aber nicht an die grosse Glocke. Sprich: Dass sie einen eigenen Router verwenden könnten, erfahren nur Kunden, die danach fragen. Annina Merk, Mediensprecherin bei der Swisscom, begründet diese Zurückhaltung wie folgt: «Da wir den Einsatz von alternativen Routern nicht empfehlen, informieren wir unsere Kunden nicht aktiv.» Sie sagt auch, die Nachfrage der Kunden danach sei gering und die Auswahl an Drittgeräten begrenzt. Eine Dokumentation stellt die Swisscom nicht zur Verfügung. Kunden sind bei der Konfiguration und Problemlösung somit auf sich selbst gestellt.

Kein Rabatt

Ähnlich sieht es bei Sunrise aus: Es dürfen Geräte aus dem freien Handel benutzt werden, aber «Sunrise übernimmt keine Gewähr für die Kompatibilität des Routers und für das einwandfreie Funktionieren der Dienste», erläutert Mediensprecher Roger Schaller. Auch Supportleistungen gebe es nicht, da das Telecomunternehmen bei den fremden Modellen keinen Zugriff zur Fernwartung habe. Ausserdem weist Sunrise darauf hin, dass die Zugangsgeräte gratis an die Kunden ausgeliehen würden. Das heisst umgekehrt: Wenn man seinen eigenen Router benutzt, berechtigt das nicht zu einem Abzug auf der monatlichen Rechnung.

Green.ch handhabt es ähnlich. Es gebe eine interne Liste alternativer Modelle. Manche davon seien aber nur mit einer bestimmten Firmwareversion freigegeben: «Daher behandelt unser Kundendienst Anfragen direkt mit dem Endkunden», teilt Susanne Felice von Green.chauf Anfrage mit.

Keine Möglichkeit zur Nutzung eines eigenen Routers haben die Kunden bei der UPC Cablecom: «Im Gegensatz zu einem Telefonnetz benötigt ein Kabelnetz kundenseitig ein sogenannt adressierbares Element. Darum ist das Modem bei einem Kabelnetz ein Netzbestandteil und wird von uns zur Verfügung gestellt», erklärt Bernard Strapp, Mediensprecher der UPC Cablecom. Daran soll sich auch künftig nichts ändern.

Komplizierte Konfiguration

Schwierige Konfiguration und wenig Nachfrage – zumindest das erste Argument gegen den selbst gekauften Router ist nicht von der Hand zu weisen. Bei vielen Anbietern umfasst das Angebot nicht nur den Internetzugang, sondern auch digitales Fernsehen und Telefonie.

Nach der Umstellung auf die IP-Telefonie kann man bei der Swisscom im Moment nur über den Standard-Router Anrufe tätigen. «Wir werden jedoch die Zugangsdaten zum Sprachdienst voraussichtlich 2017 zur Verfügung stellen, sodass alle Dienste genutzt werden können», sagt Swisscom-Mediensprecherin Annina Merk.

Klagen über Standardgeräte

Einzelne Kunden pochen auch hierzulande auf die Wahlfreiheit. Beim «Tages-Anzeiger» treffen gelegentlich Klagen über die Standardmodems ein. Ein Leser hat vor kurzem bemängelt, das Modem der UPC Cablecom hätte nach einem Software-Update seine der Sicherheit dienenden Konfigurationsanpassungen verworfen – und das ohne entsprechenden Hinweis. So sei zum Beispiel trotz manueller Deaktivierung das WLAN wieder aktiv.

Grund zur Klage gibt auch der teilweise offenbar künstlich beschränkte Funktionsumfang. Bei der Horizon-Box der UPC Cablecom irritiert manche Anwender, dass die Box über USB-Anschlüsse und sogar über einen e-Sata-Anschluss für die schnelle Anbindung externer Festplatten verfügt, die aber im Handbuch explizit als «ohne Verwendung» gekennzeichnet sind. Es ist anzunehmen, dass diese Anschlüsse die Verbindung mit Festplatten zulassen würden, die als zentraler Speicher im Heimnetzwerk dienen könnten. Diese praktische Möglichkeit wird aber durch vom Provider angepasste Software auf der Box verhindert. Generell bieten frei käufliche Router oft einen deutlich grösseren Funktionsumfang.

Neben den Komfortaspekten sprechen aber vor allem netzpolitische Gründe für eine freie Routerwahl der Internetnutzer. Die Provider können durch die Konfiguration die Netzneutralität unterlaufen. So schreibt der Chaos Computer Club in einer Stellungnahme an die Bundesnetzagentur, es sei möglich, Peer-to-Peer-Dienste oder Telefonieangebote direkt am Router zu sperren oder Inhaltsangebote von Mitbewerbern zu verlangsamen.

Martin Steiger ist Anwalt und Mitglied der Digitalen Gesellschaft, die sich für eine offene, freie und nachhaltige digitale Gesellschaft einsetzt. Er weist auf ein zweites Problem hin: Internetanbieter speichern zentral die Modem- und Router-Zugangsdaten sowie WLAN-Passwörter. «Damit haben sie Zugang zum lokalen Netzwerk daheim beim Konsumenten. Durch eine Sicherheitslücke beim Provider können diese Daten in die Hände von Kriminellen fallen.» Auch eine Verwendung für staatliche Überwachung sei denkbar. Der deutsche Blogger Marc Jacobs bezeichnet den Router als «elektronische Haustür», über die er die Hoheit nicht abgeben will: «Ich lasse mir ja auch nicht vorschreiben, eine ‹deutsche Standardeinheitshaustür› in meinem Haus zu verbauen.»

Routerzwang ab 2018?

Ein Routerzwang besteht in der Schweiz nicht. Bislang nicht, jedenfalls. Die Digitale Gesellschaft befürchtet, durch die Revision der Grundversorgung im Fernmeldebereich könnte ein solcher durch die Hintertür eingeführt werden. «Netzabschlussgeräte» seien als Teil des Anschlusses zu verstehen, heisst es in den Erläuterungen. Die Gesetzgeber haben es bei dieser Formulierung auf die Kosten abgesehen. Router dürfen als Teil des Anschlusses zwar nicht extra verrechnet werden. Man kann sie aber als zwangsverordnete Router interpretieren, warnt die Digitale Gesellschaft. Ab 2018 soll die Verordnung die Grundversorgung regeln.

So oder so ist der Anreiz gross, aus Komfortgründen die vorkonfigurierten Router der Internetprovider zu wählen. Sie ersparen es den Anwendern, sich mit der im Einzelfall komplizierten Konfiguration herumschlagen zu müssen. Als Kompromisslösung verwenden manche Anwender den Router des Providers als reines Zugangsgerät, an dem sie dann fürs WLAN ihren eigenen Zugangspunkt betreiben. Das bügelt Nachteile aus. Es macht sich aber durch einen erhöhten Strombedarf bemerkbar.

Ein Router kann mehr als Katzenpfoten wärmen. Foto: Hsuan-Kai Wang

«Der Router ist die elektronische Haustür. Aber eine Standardtür will man sich nicht vorschreiben lassen.»
Marc Jacobs, Blogger

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 25. Mai 2016

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