Datenschutz Die US-Regierung fordert vom Technologiekonzern, dass er mithilft, ein Terroristenhandy zu knacken.

Apple weigert sich zu recht

Matthias Schüssler

Apple legt sich mit dem FBI und mit dessen Aufsichtsbehörde, dem Justizministerium, an. Auslöser ist das iPhone 5C von Syed Farook, der im Dezember 2015 zusammen mit seiner Frau 14 Menschen erschossen hat. Das FBI vermutet auf dem Telefon des Attentäters Informationen zu Hintermännern. Doch an die Daten kommen die Ermittler nicht heran, denn das Telefon ist durch einen Passcode geschützt. Und es ist denkbar, dass der Attentäter jene Sicherheitsoption gesetzt hat, die nach 10 falschen Passcode-Eingaben alle Daten vom Gerät löscht – darum müssen die Ermittler sehr vorsichtig sein. Und auch der Weg, über die iCloud-Datensicherung an die mutmasslichen Hintermänner zu gelangen, ist aufgrund einer Panne inzwischen versperrt. Im Laufe der Ermittlungen wurde das Passwort für Farooks Apple-ID zurückgesetzt. Das hat zur Folge, dass das Telefon keine automatischen Back-ups mehr ausführen kann und auf Apples Servern die Daten seit der letzten Datensicherung vom 19. Oktober bis zum Zeitpunkt des Anschlags im Dezember fehlen. Auf diese Datensicherungen kann Apple Zugriff gewähren.

Nun bleibt dem FBI nur noch eine Chance: das Telefon zu knacken. Die Ermittler wollen automatisiert alle möglichen Passcodes durchprobieren. Zu dieser Brute Force genannten Methode müsste Apple jedoch Hand bieten: Der iPhone-Hersteller müsste eine angepasste Version der Firmware entwickeln, die zum einen die Option zum Löschen der Daten aushebelt und die zum anderen ein automatisiertes Durchprobieren von Entsperrungscodes erlaubt. Ein US-Bundesrichter hat geurteilt, Apple müsse diese Software zur Verfügung stellen.

Kämpfer für die Privatsphäre

Doch der Konzern will sich diesem Urteil verweigern. Das hat Apple-Chef Tim Cook letzte Woche in einem offenen Brief verlauten lassen. Die geforderte Software würde nicht nur das Telefon des Attentäters entsperren. «Sie würde unbestreitbar eine Hintertür öffnen. Und auch wenn die Regierung argumentiert, dass die Hintertür nur für diesen einen Fall verwendet werden würde, gibt es keine Garantie für eine solche Kontrolle.» Cook schreibt, er kenne keinen Präzedenzfall, bei dem ein amerikanisches Unternehmen gezwungen worden sei, seine Kunden einem solchen Risiko auszusetzen.

Viele Kommentatoren fordern nun, Apple solle sich nicht so anstellen. Apple inszeniere sich als Kämpfer für die Privatsphäre, stehe jedoch nicht über dem Gesetz, schreibt beispielsweise die NZZ. Andere finden, es gehe Apple um den Schutz seiner wertvollen iPhone-Marke – der jetzt umso nötiger sei, weil die Absatzzahlen im laufenden Quartal erstmalig nicht mehr wachsen, sondern zurückgehen werden. Donald Trump gebärdet sich als Volkstribun und ruft zum Boykott von Apple auf, bis «sie diesen Schlüssel herausgerückt haben». Und der FBI-Chef James Comey schreibt seinerseits einen Brief, in dem er bekräftigt, es gehe nicht um einen Präzedenzfall: «Es geht um die Opfer. Und um Gerechtigkeit.»

Doch trotz der Beteuerungen James Comeys hat Apple in diesem Fall recht: Technische Mechanismen zum Schutz von digitalen Daten schützen die Geheimnisse von unbescholtenen Bürgern genauso wie die von Verbrechern. Umgekehrt stehen Hintertüren den Guten wie den Bösen offen. Wenn Apple den Entscheid nun weiterzieht, wird bis zu einem letztinstanzlichen Urteil des Obersten Gerichtshofs einige Zeit verstreichen. Diese Zeit muss für eine breite öffentliche Debatte genutzt werden. Es gilt, zu diskutieren, ob für eine einzelne Terroruntersuchung mit ungewissen Erfolgsaussichten die Privatsphäre von Millionen von unbescholtenen Smartphone-Nutzern aufs Spiel gesetzt werden darf.

Nicht vergessen werden sollte in dieser Debatte, dass es auch im digitalen Zeitalter Kommunikationsformen gibt, die kaum Datenspuren hinterlassen und sich der technischen Kontrolle entziehen: Wegwerf-SIM-Karten; in toten Briefkästen deponierte USB-Sticks; scheinbar harmlose Gespräche während Multiplayer-Spielen; in scheinbar harmlosen Bildern versteckte Botschaften oder menschliche Kuriere. Das einzige Limit sei der Einfallsreichtum der Verbrecher, sagen Experten. Und eben: Je grösser die Hintertüren in den Smartphones, desto grösser der Anreiz fürs organisierte Verbrechen, sich noch ein paar Methoden mehr einfallen zu lassen.

Die iPhone-Hardware ist leichter zu zerlegen als die Software. Foto: Phil Crean (Alamy)

Matthias Schüssler Redaktor Digital

«Hintertüren stehen den Guten wie den Bösen offen.»

Quelle: Tages-Anzeiger, Donnerstag, 25. Februar 2016

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