Netflix gewinnt – UPC verliert

Matthias Schüssler

Der Vergleich von MyPrime mit dem hiesigen Streaming-Angebot zeigt, warum Provider keine guten Webanbieter sind.

Der Streamingdienst Netflix ist kräftig auf Expansionskurs. Anfang Januar kamen mehr als 130 Länder dazu. Inzwischen gibt es die Filme und Serien zum Pauschaltarif in 190 Ländern und Regionen. Nur China, Nordkorea, Syrien und die Krim sind Netflix-freie Zonen. Netflix-Chef Reed Hastings ist verhalten optimistisch, dass er China noch dieses Jahr wird erschliessen können. Doch auch so ist Netflix die Welt-Videothek. Das hat die «Frankfurter Allgemeine» vor kurzem konstatiert.

Während es 2011 für Kevin Spacey noch Mut brauchte, um sein Renommee für die Netflix-Serie «House of Cards» in die Waagschale zu werfen, dürfte es heute – wenn Simpsons-Schöpfer Matt Groening über eine neue Animationsserie verhandelt – um konventionelle Vertragsinhalte gehen. Netflix ist bereits ein etablierter Produzent, der in Korea, in Japan, Italien, Frankreich und Grossbritannien dreht.

Hat da die einheimische Streaming-Konkurrenz noch eine Chance, namentlich die UPC? Sie hat beim Schweizer Start von Netflix mit dem eigenen Streaming-Angebot überrascht. MyPrime bietet wie Netflix Serien und Filme zum Pauschalpreis. Die Cablecom hat einige Exklusivitäten im Repertoire. Beim Start war das die SRF-Serie «Der Bestatter», die es inzwischen auch bei Netflix gibt. Doch während das Angebot zwar nicht berauschend, aber durchaus akzeptabel ist, verpackt die UPC ihr Angebot lieblos.

Abgeschnittene Schlusspointe

Der Katalog ist unübersichtlich, weil bei Serien die unterschiedlichen Sprachversionen und die einzelnen Staffeln als eigene Titel auftauchen. Nutzt man MyPrime über die Horizon-Box, dann ist die Navigation zur zuletzt geschauten Serienfolge umständlich. Schliesslich habe ich bei einigen Stichproben viele Fehler festgestellt: Falsch beschriftete Folgen, falsche Sprachversionen, fehlendes Airplay am Tablet. Die App schneidet übrigens manchmal auch Schlusspointen ab, wenn sie etwas verfrüht zur nächsten Folge einer Sitcom wechselt.

Bei Netflix ist das Bemühen um ein optimales Benutzererlebnis und technische Brillanz spürbar. Im Technikblog kann man etwa nachlesen, wie das Unternehmen die Codierung für jeden Titel separat optimiert – weil eine Manga-Serie andere Anforderungen hat als eine Spitalserie. Netflix hat das «Binge Watching» (Komaglotzen) populär gemacht. Weil es ein Leichtes ist, mit der App oder über eine Settopbox eine Serie am Stück zu sehen.

UPC-Mediensprecher Bernard Strapp sagt, er bekomme für die Inhalte bei MyPrime viel positives Feedback: «In Sachen Design und Bedienbarkeit stecken wir durchaus Liebe ins Detail, haben aber im Vergleich zu Netflix viele weitere Produkte und Services, die optimal an die Kundenbedürfnisse angepasst sein sollen.»

Gefragt ist eine dumme Röhre

Das ist der Kern des Problems: MyPrime ist ein Mittel zum Zweck. Es dient der UPC dazu, sich von der Konkurrenz abzuheben und es den Kunden zu erschweren, ihren Internetprovider zu wechseln. Denn selbstverständlich ist MyPrime nur über einen UPC-Anschluss erhältlich. Diese Bündelung ist ein Vorteil fürs Unternehmen, aber ein Nachteil fürs Produkt: Es ist nicht so gut, wie es sein könnte, wenn alle Schweizer Film- und Serienfans es buchen dürften. Und buchen würden, weil es, anders als die globale Videothek aus Kalifornien, Lokalkolorit besitzt.

Was wäre das Patentrezept für wirklich gute Telekommunikationsangebote? Eine radikale Entbündelung: Telefon-, Streaming- und Fernsehdienste, die nicht mehr an einen Provider gekoppelt sind. Und ein Internetprovider, der nichts anderes tut, als Daten mit dem Internet auszutauschen. Eine dumme Röhre, die rasend schnell und unfassbar zuverlässig ist.

Anfänglich eine exklusive MyPrime-Serie, heute auch bei Netflix zu sehen: Die SRF-Serie «Der Bestatter». Bild: Alexandra Wey/Keystone

Quelle: Newsnetz, Dienstag, 2. Februar 2016

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