Damit verschreckt man Apple-Jünger

Das M-Budget-Tablet für 111 Franken unter der Lupe: Es ist ein Statement, aber kein Arbeitstier.

Matthias Schüssler

Vor zehn Jahren war der 100-Dollar-PC eine ferne Vision – ein Projekt der Hoffnung, das die Digitalisierung in die Entwicklungsländer tragen sollte. Heute sind Minicomputer schon viel günstiger zu haben – ohne Bildschirm, aber mit HDMI-Anschluss für den Fernseher. Der Raspberry-Pi 2 etwa ist Windows-10-­tauglich und für 30 britische Pfund zu kaufen, rund 45 Schweizer Franken.

Das ist aber längst nicht die preisliche Untergrenze. Das Start-up Next Thing Co aus dem kalifornischen Oakland hat auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter einen Rechner für 9 Dollar lanciert – der Preiszerfall macht es möglich. (Für die Endkunden dürfte der Preis zweistellig ausfallen.)

Auch das 100-Franken-Tablet ist nicht mehr fern. 111 Franken kostet das Gerät der Migros, das über die Billiglinie lanciert wurde. Stilecht wird denn auch die ganze Rückseite des Geräts vom M-Budget-Branding mit dem weissen Schriftzug auf grünem Grund und einem M in Orange in der Mitte dominiert. Das lässt keinen Zweifel daran, dass dieses Gerät als persönliches Statement zu verstehen ist. Wenn man es inmitten der Apple-verliebten Peergroup zückt, wird es seine Wirkung nicht verfehlen. Wer die Botschaft, auch mit preisgünstigen Statussymbolen zufrieden zu sein, nicht ganz so plakativ vor sich hertragen mag, der kann dem Tablet die mitgelieferte Hülle überstülpen. Sie verdeckt die grün-weisse Rückseite bis auf die Aus­lassungen bei Rückkamera, Lüftungs­schlit­zen, SD-Karten-Slot und Kopf­hörer- sowie USB-Anschluss.

Sauber verarbeitet

Das M-Budget-Tablet fällt im direkten äusserlichen Vergleich mit Apples Edeltablet weniger ab, als man erwarten könnte: Es ist zwar aus weniger wertigen Materialien gefertigt, wirkt aber trotzdem sauber verarbeitet und ist für seine Grösse erstaunlich leicht. Es sind rund 567 Gramm. Das deutlich dünnere und kürzere iPad Air 2 bringt es auf 437 Gramm. Einige Details stören die ­Ästheten dann aber doch – beispielsweise das relativ dicke oberste Displayglas. Bei den neuen Apple-Geräten scheint die Anzeige nahtlos in den Rand überzugehen. Beim M-Budget-Gerät ist sie etwa einen Millimeter abgesetzt.

Bei den Bildschirmbetrachtungen zeigt sich dann aber doch, dass der Mehrpreis fürs iPad nicht allein auf Apples Marge geht: Das Display ist mit einer Bildschirmdiagonalen von 25,7 Zentimetern (10,1 Zoll) zwar sogar etwas grösser als das des iPad mit 24,6 Zentimetern (9,7 Zoll). Doch bei der Bildschirm­qualität gibt es keine Zweifel: Da hat das iPad die mit gut dreimal so vielen Pixeln schärfere und auch hellere Anzeige. Sie macht nicht nur das Lesen von Text ­angenehmer, sondern auch Videos und Fotos eindrücklicher.

Nichts für Tempofreaks

Der Leistungsunterschied der Hardware zeigt sich schon beim Start von Apps. Auf dem iPad erscheinen sie schneller, und die Darstellung ist viel flüssiger. Beim M-Budget-Tablet muss man bei komplexen Websites mit leichtem Ruckeln rechnen. Wenn im Hintergrund Updates geladen werden, dann fühlt sich das Tablet mit seinem A33 Quad-Core Cortex A7 mit 1,2 GHz und integrierter Grafikausgabe des chinesischen Herstellers Allwinner träge an.

Ob einen das stört oder nicht, hängt von den Ansprüchen ab. Das Zielpublikum sind Tableteinsteiger, die es vornehmlich fürs Surfen, Mailen und Bücherlesen verwenden wollen. Grafik­intensiven Spielen oder anspruchsvolles Multimedia ist das Gerät nicht gewachsen. Für die «Power-User» ist auch der knapp bemessene interne Speicher ein Manko. Er beläuft sich auf 16 GB, was nach heutigen Massstäben wenig ist – obschon Apple den Einstiegsmodellen des iPad nach wie vor auch nur einen 16-GB-Speicher spendiert. Im Gegensatz dazu ist das M-Budget-Tablet mit einer SD-Karte immerhin um maximal 32 GB erweiterbar.

Günstiger Einstieg

Fazit: Das Preis-Leistungs-Verhältnis des mit Android 5.0 alias «Lollipop» ausgestatteten Tablets geht absolut in Ordnung. Ein erfreulicher Faktor scheint die Batterielaufzeit zu sein – allerdings kann ich dazu nichts Abschliessendes sagen, da ich das Tablet während des Tests nicht leer bekommen habe. Einige Nutzer auf der Migros-Website berichten von WLAN-Problemen. Solche habe ich während meines Tests jedoch nicht festgestellt.

Ein Schwachpunkt sind die beiden eingebauten Kameras. Während die Frontkamera für Videotelefonie durchaus akzeptabel ist, kann man die ­Rückkamera wegen ihrer bescheidenen ­Qualität höchstens für dokumentarische Zwecke nutzen.

Was fürs WC-Papier gut ist, soll fürs Tablet nur recht sein Foto: Urs Jaudas

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 26. August 2015

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