Eine Liebesheirat ist es nicht

Matthias Schüssler

Ein Augenschein des Technical Preview zeigt: Windows 10 ist auf dem richtigen Weg, wird aber längst nicht alle User glücklich machen.

Seit einer Woche steht die Vorabversion von Windows 10 kostenlos zum Testen bereit. hat sie auf einem Surface Pro erster Generation getestet und darf konstatieren: Microsoft gibt sich alle Mühe, die oft kritisierte Zweiteilung zwischen der klassischen Fensteroberfläche und dem Modern UI, der modernen Oberfläche für Touchgeräte, zu beseitigen und die beiden Bedienparadigmen näher zusammenzuführen.

Augenfällig beim Technical Preview ist das zurückgekehrte Startmenü (siehe Bildstrecke). Es ist sinnbildlich für den Kompromiss, der hinter Windows 10 steht: Alle Elemente werden beibehalten, aber sie werden näher zusammengeführt. Und der Benutzer erhält die Wahlfreiheit zurück: Über den «Eigenschaften»-Dialog der Taskleiste kann er festlegen, ob er das Startmenü oder den Kachelbildschirm verwenden will – und auch die Kacheln im Startmenü können nach eigenem Gutdünken angeordnet oder gelöscht werden.

Moderne Apps jetzt auch im Fenster

Auch die modernen Apps, d. h. die Touch-optimierten Programme, laufen nicht mehr nur im Vollbild, sondern können als normale Fenster auf dem Desktop betrieben werden. Ein neues Systemmenü, das über die Schaltfläche mit den drei Punkten in der linken oberen Fensterecke aufgerufen wird, übernimmt die Rolle der ungeliebten Charms-Leiste.

Der Technical Preview macht bislang einen ziemlich unfertigen Eindruck. Manche Funktionen laufen noch nicht so richtig, beispielsweise der neue Task-Switcher, der auch die virtuellen Desktops miteinbezieht. Andere Funktionen fehlen ganz, etwa das Feature namens Continuum, das je nach angeschlossenen Bediengeräten zwischen Tablet- und Desktop-Mode hin und her wechseln soll – diese Funktion wurde erst in einem Video gezeigt.

Doch abgesehen von den Mängeln der Vorabversion, beweist Windows 10 eines klar: Im Grundsatz ist Microsofts Weg der richtige. Es ist nicht sinnvoll und nicht möglich, Tablets und Laptops unzweideutig in separate Gerätekategorien zu unterteilen. Es gibt die Modelle wie den Surface Pro oder das Lenovo Yoga, die je nach angedocktem Zubehör bzw. verwendeter Steuerungsmethode mal die eine und mal die andere Rolle übernehmen. Es ist im Interesse der Nutzer, wenn sie entscheiden können, wie sie ein Gerät verwenden wollen – ob sie auf dem Sofa Multimediainhalte konsumieren oder am Schreibtisch Office-Dokumente bearbeiten wollen. Wer nicht will, braucht nicht zwei Geräte zu kaufen. Ausserdem lassen sich die gleichen Programme und Apps auf (fast) allen Geräten nutzen, und die Hürden zwischen den Geräten mit unterschiedlicher Ausprägung sind nicht höher als unbedingt nötig.

Nicht alle Kritiker werden verstummen

Die unterschiedlichen Bedienkonzepte und Nutzungsformen unter einen Hut zu bringen, ist indes eine grosse Herausforderung. Microsoft hat die Schwierigkeiten anfänglich unterschätzt und absichtlich kleingeredet, indem Steven Sinofsky sich mit dem arroganten Touch-First-Paradigma um die Bedürfnisse der Maus-und-Tastatur-Nutzer foutierte. Windows 8 in der ersten Fassung war ein überhebliches Produkt, das die Kundschaft zu ihrem Glück zwingen wollte. Es wurde von ebendieser Kundschaft brutal abgestraft.

Nun hat Microsoft mit Windows 10 Besserung gelobt, und der Technical Preview zeigt, dass das Entwicklerteam gewillt ist, diesen guten Vorsatz auch in die Tat umzusetzen. Windows 10 hat das Potenzial, viele der empörten Nutzer versöhnlich zu stimmen, und Microsoft hat sich mit diesem Update auch für die Post-PC-Ära als Spieler eingewechselt. Auch mit Windows 10 werden längst nicht alle Kritiker verstummen. Die klassischen Bedienelemente und die für Touchgeräte optimierten Benutzerschnittstellen wollen nicht so recht zusammenpassen – vor allem optisch nicht. Das zeigt sich beim Startmenü, das nun beide Komponenten inkorporiert und wie eine Schimäre wirkt. Es ist Windows anzusehen, dass es nicht aus einer Liebesheirat hervorgegangen ist. Aber es soll auch arrangierte Ehen geben, die über die Jahre immer besser funktionieren.

Wiederauferstanden Das Startmenü ist wieder da: Links finden sich die gewohnten Icons, rechts die Kacheln von Windows 8. Bild: schü.

Anpassungsfähig Das Startmenü lässt sich in die Breite ziehen, und der Kachelbereich darf selbst mit Apps bestückt werden. Bild: schü.

Wahlfreiheit Das Startmenü kann in den Eigenschaften der Taskleiste auch abgeschaltet werden, … Bild: schü.

Kacheln auf Wunsch … und dann kehrt der Windows-8-Kachelbildschirm zurück. In der fertigen Version des Systems soll eine Funktion namens Continuum je nach Geräteverwendung zwischen den Modi wechseln. Bild: schü.

Fenstermodus für alle Apps Die Touch-Apps, auch Modern Apps genannt, dürfen nun auch wie herkömmliche Programme im Fenster betrieben werden. Bild: schü.

Ersatz für die Charms-Leiste Über dieses Menü stehen die Befehle zur Verfügung, die bisher über die (ungeliebte) Charms-Leiste zugänglich waren. Bild: schü.v

Snap-Assist Der Snap-Assist hilft dabei, die Fenster am Bildschirm anzuordnen. Es können auch herkömmliche Programme und Modern Apps nebeneinander platziert werden. Bild: schü.

Windows-Taste und Tabulator Mit der Tastenkombination von Windows-Taste und Tabulator erscheint der neue Task-Switcher, der es auch ermöglicht, zwischen den virtuellen Desktops zu wechseln. Bild: schü.

Alt-Taste und Tabulator Mit der Tastenkombination aus «Alt»-Taste und Tabulator wechselt man wie gewohnt zwischen den Fenster – das ist die Tastenkombination für Anwender, die keine virtuellen Desktops nutzen möchten. Bild: schü.

Eingabeaufforderung Die Eingabeaufforderung erhält neue Funktionen, die den Administratoren die Arbeit einfacher machen sollen. Diese experimentellen Features arbeiten bislang nicht oder nur teilweise. Bild: schü.

Rückmeldungen erwünscht Microsoft scheint gewillt, auf die Tester zu hören. Mit der Technical-Preview-Version kommt eine App, über die man auf Fehler hinweisen und Anregungen machen kann. Bild: schü.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 8. Oktober 2014

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