Mobilbonus Die SBB-App ist gescheitert. Sie war zu wenig ausgereift.

Die Bananen der SBB

Von Matthias Schüssler

Die SBB müssen einen Flop verbuchen. Mit dem Mobilbonus-Programm haben fleissige Bahnfahrer Kilometer gesammelt – ähnlich wie Flugpassagiere Meilen. Dafür liessen sie sich mit Gutscheinen belohnen. Die App hatte im Mai 2013 einen fulminanten Start hingelegt. Weil sie den Kunden aber nicht den erwarteten Nutzen brachte, sackten die User-Zahlen ab: von 81’000 auf 10’000. «Die App war als Markttest geplant gewesen», sagt SBB-Sprecherin Lea Meyer. «Die Schwierigkeiten bei der Ortung und beim Ein- und Aus­checken hätten nur mit grossem Aufwand behoben werden können.» Deshalb wird die App Ende Juli aus dem Verkehr gezogen (TA von gestern).

Software, die noch in der Testphase veröffentlicht wird, heisst umgangssprachlich «Banana-ware» – weil sie erst beim Kunden ausreift. Dank des Internets und automatischer Update-Mechanismen können jederzeit korrigierte Versionen ausgeliefert werden. So verschwimmen die einstmals klaren Grenzen zwischen unfertigen Vorabversionen und den verkaufsfertigen Produkten zusehends. Viele Webdienste und Apps befinden sich im Zustand der «Perpetual Beta»: Sie werden ständig weiterentwickelt und sollen gar nie fertig werden. Zu diesem Entwicklungsprinzip gehört das Scheitern – ein Konzept, das nicht verfängt, wird eingestampft.

Google beherrscht das Prinzip der stetigen Weiterentwicklung meisterhaft. Dutzende von Produkten – von Wave über das Notebook bis hin zum Reader oder Health – sind ebenso schnell verschwunden, wie sie aufgetaucht sind. Und selbst ein behäbiges Unternehmen wie Microsoft wendet sich vom 3-Jahres-Zyklus für Windows ab. Steve Ballmer hat den Konzern kurz vor seinem Austritt auf schnelle Entwicklungszyklen eingeschworen – um den Anschluss auf Google und Apple nicht zu verlieren.

Sosehr diese raschen Kadenzen die Entwicklung fördern, so gross ist das Potenzial für Verwirrung seitens des Nutzers. Auch für SBB-Mediensprecherin Lea Meyer ist klar, dass das öffentliche Pröbeln nicht der Weg für die SBB sein kann: «Unsere Kunden haben eine andere Erwartungshaltung.» Die heisst Verlässlichkeit.

Quelle: Tages-Anzeiger, Mittwoch, 2. Juli 2014

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