Was bringt Netflix dem Schweizer TV-Publikum?

Matthias Schüssler

In den USA ein Erfolg, wagt der Video-Streaming-Dienst Netflix nun den Sprung in die Schweiz. Kenner Ralf Beyeler über Bedeutung – und Preisschmerzgrenze für hiesige Filmfans.

Der US-amerikanische Video-Streaming-Dienst kommt in die Schweiz. Per Ende Jahr wird das Angebot verfügbar sein, doch bis jetzt sind weder Details zum Preis noch zum Angebot bekannt. Von diesen zwei Faktoren hängt gemäss dem Urteil des Telecom-Experten der Comparis, Ralf Beyeler, aber der Erfolg von Netflix ab. Es gibt in der Schweiz bereits ein umfangreiches Senderangebot im Kabelnetz. In den letzten Jahren ist die Möglichkeit dazugekommen, über Replay-TV Sendungen der letzten sieben Tage abzurufen, und nicht zuletzt können die Schweizer dank des liberalen Urheberrechts auch unbehelligt Filme oder Serien über die einschlägigen kostenlosen Quellen beziehen. Ausserdem sind die Schweizer konservativer in ihrem Fernsehverhalten als die Nutzer in anderen Ländern – das Zappen hat nicht ausgedient, wie Tagesanzeiger.ch/Newsnet kürzlich berichtete.

Umfassend bis lückenhaft

«Mit alten Schwarzweissstreifen wird sich niemand hinter dem Ofen hervorlocken lassen», sagt Beyeler. Es braucht attraktive Inhalte, die für die Schweiz nach Sprachregionen ausgehandelt werden müssen. In Skandinavien, wo Netflix bereits gestartet ist, fällt das Urteil durchwachsen aus: «Das Netflix-Inhaltsangebot changiert je nach Genre zwischen umfassend und lückenhaft», schrieb die Wirtschaftswoche vor Jahresfrist. Es gebe viele Kinohits und Klassiker und ein reiches Angebot an Dokumentationen, doch brandneu seien die Kinofilme nicht.

Der zweite Knackpunkt wird der Preis sein. In den USA zahlt der Kunde 8.99 Dollar monatlich für den unbeschränkten Zugriff auf das Angebot des Streaming-Dienstes. In Europa liegen die Preise bei den Ländern, die bereits Netflix haben, etwas höher (8.99 Euro). In der Schweiz wird mutmasslich noch mehr zu berappen sein, spekuliert Macprime.ch, dennoch sei das eine Kampfansage an die hiesigen Video-on-Demand-Angebote, wo ein einziger Film 6 bis 7.50 Franken kostet. Filmfans würden auch gewillt sein, 20 Franken für die monatliche Flatrate zu zahlen, sagt Ralf Beyeler, doch bei 30 Franken sieht er die Schmerzgrenze.

Verkrustete Strukturen aufbrechen

Kurzfristig wird Netflix die Konsumgewohnheiten der normalen Bevölkerung nicht ändern, davon ist Beyeler überzeugt. Trotzdem habe die Filmindustrie ein grosses Potenzial mit Diensten wie Netflix – oder Amazon, das ebenfalls mit einem eigenen Streaming-Angebot gestartet ist: «Das grösste Potenzial von Netflix ist, dass es die verkrusteten Strukturen aufbricht und es den Konsumenten ermöglicht, via Internet den Content zu sehen, den sie sehen möchten.» Das bringe zwar einen «Kontrollverlust für die Filmindustrie», doch letztlich auch eine Chance, da die Kunden mit einem guten legalen Angebot sich nicht mehr genötigt sehen, auf ein illegales Produkt auszuweichen.

«Cord Cutting» auf dem Vormarsch

In den USA ist Netflix eine Bedrohung für die Kabelnetzanbieter, weil dort die Kunden teure Pakete buchen und auch für Kanäle bezahlen müssen, die sie nicht interessieren. Die Streaming-Dienste können Kunden mit grossen Sparmöglichkeiten abwerben, weswegen das «Cord Cutting» (die Kündigung des Kabelanschlusses) zu einem grossen Trend werden konnte. In der Schweiz besteht diese Einsparungsmöglichkeit nicht. Dennoch «wird die Cablecom mittelfristig unter Druck kommen», davon ist Beyeler überzeugt. Ein Netflix- oder vielleicht Amazon-Abo, ein Glasfaseranschluss und eventuell Zattoo – das könnte alles sein, was es fürs Fernsehen der Zukunft braucht.

Wenn der Zug für Filmfans plötzlich in eine neue Richtung fährt: Szene aus der von Netflix produzierten Serie «House of cards». Bild: Netflix.com


Netflix schon jetzt?

Wie sich Ländersperren austricksen lassen

Dienste wie Netflix lassen sich inoffiziell schon heute in der Schweiz sehen, wenn man ein VPN oder einen Proxy-Dienst nutzt. Dienste wie hidemyass.com, Stealthy oder Unblock Us leiten den Datenverkehr über einen amerikanischen Server und tricksen damit die «Geofence», d.h. Länderschranke aus. Es gibt auch Browser-Erweiterungen von zenmate.com, die die Länderschranken direkt im Browser aushebeln.

Das Abo kann in den USA mit einer Schweizer Kreditkarte bezahlt werden, allerdings muss man bei der Frage nach einer US-Wohnadresse eine entsprechende Lüge anbringen.

Als Nutzer einer solchen Lösung muss man sich bewusst sein, dass der Betreiber des Proxy-Dienstes oder VPN den gesamten Datenverkehr mitlesen könnte – was ein Risiko für die Sicherheit und die Privatsphäre darstellt.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 21. Mai 2014

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