Die Fotodrohne liefert das Postkartenmotiv

Benjamin und Thomas Josi fangen mit ihrem ferngesteuerten Oktokopter aussergewöhnliche Bilder und Videos ein. Drohnen können aber noch viel mehr: Versicherungsschäden inspizieren, defekte Solarzellen identifizieren, Rehkitze finden.

Von Matthias Schüssler

Drohnen haftet der Ruf des hinterhältigen Killers an. Die unbemannten Luftfahrzeuge spielen für Armeen und Geheimdienste eine immer wichtigere Rolle. Ohne eine Crew einer Gefahr auszusetzen, betreiben sie Aufklärung oder führen Angriffe aus. Auch der Betrieb ist viel günstiger: Man spart an Wartung, Schulung und beim Treibstoff.

Eine zivile Nutzung der Drohnen wird im Berner Oberland bei Adelboden betrieben. Die beiden Brüder Benjamin und Thomas Josi setzen sie für die Fotografie ein. Entstanden ist die Idee zusammen mit Stefan Klopfenstein, der als Fotograf Postkarten aus der Region produziert und dessen Archiv bis ins Jahr 1918 zurückreicht.

Weil die alten Standorte für die Aufnahmen nicht mehr zugänglich waren, musste sich der Postkartenfotograf in den letzten Jahren nach neuen Methoden umsehen – und stiess auf die Luftperspektive, die sich für das sprichwörtliche Postkartenmotiv geradezu anbietet. «Es braucht nicht sehr viel Höhe, um das Bild anders aussehen zu lassen – bei 50 Metern ab Grund erhalten wir bereits aussergewöhnliche Ansichten», sagt Stefan Klopfenstein, der selbst Gleitschirmflieger ist. Und natürlich kann die Drohne auch bequem den Bausünden ausweichen, die den Blick verstellen – indem sie einige Meter Höhe gewinnt.

Mit acht Rotoren

Die Drohne der Gebrüder Josi fliegt mit acht Rotoren und ist als Oktokopter der «König unter den Hubschraubern». Die Fluglage ist deutlich stabiler als beim Quadrocopter, der mit vier Propellern abhebt. Im Spionagebereich oder bei der Tierfotografie werden diese Modelle bevorzugt eingesetzt. Die Drohne der Adelbodner Flugfotografen produziert für klandestine Zwecke allerdings zu laute Motorengeräusche. Am Boden ist sie ähnlich laut wie ein Laubbläser, doch verblüffenderweise klingt der Lärm sofort ab, wenn die Drohne in den Himmel entschwindet.

Ihren Oktokopter haben die Flugfotografen aus einem handelsüblichen Bausatz gebaut, den sie mit einem eigenen Unterbau versahen. Ziel war die grösstmögliche Vibrationsdämmung, denn die Drohne sollte von Anfang an nicht bloss für die Fotografie, sondern auch für bewegte Bilder eingesetzt werden – und da war von Anfang an das Ziel, wackelfreie, stabile Filme einzufangen. Bestückt werden kann die Drohne entsprechend sowohl mit einer Spiegelreflexkamera als auch mit einem Videocamcorder. Und die Drohne sollte auch bei moderatem Wind einsetzbar sein. Bis dreissig Kilometer pro Stunde sind kein Problem, aber wichtig sind trockene Bedingungen, denn Feuchtigkeit goutiert die Elektronik nicht.

Livebild per WLAN

Geflogen wird zu zweit: Benjamin Josi ist meist der Pilot, der die Drohne in die gewünschte Richtung lenkt. Thomas Josi steuert seinerseits die Kamera, die sich um 90 Grad nach unten schwenken und frei drehen lässt. Das Livebild wird per WLAN an die Brille des Kameramanns übertragen, der per Fernsteuerung Blickrichtung und Zoom regelt. Aufgenommen wird, für ein störungsfreies Bild, direkt auf dem Camcorder. Die Akkulaufzeit beträgt zehn bis zwölf Minuten, die Reichweite der Drohne theoretisch bis drei Kilometer. Der begrenzende Faktor ist jedoch das Gesetz. Es schreibt vor, dass immer auf Sicht geflogen werden muss, was den Radius auf 200 Meter beschränkt. Das gesetzliche Gewichtslimit beträgt dreissig Kilo. Die Flugdrohne der Gebrüder Josi ist, Spiegelreflexkamera inklusive, etwa viereinhalb Kilogramm schwer.

Für den Einsatz gibt es fast endlose Möglichkeiten: Sportereignisse, Inspektion von Versicherungsschäden oder Wärmebildaufnahmen, mit denen bei Solaranlagen defekte Zellen anhand des Wärmestaus identifiziert werden. Im Frühling könnte die Drohne auch bei der Rettung von Rehkitzen assistieren, die man über die Wärmebildkamera aufspürt. Die Flugdrohne lässt sich, als wendiges Fluginstrument, auch im Inneren von grossen Gebäuden und Hallen einsetzen.

Der Traum vom Fliegen

Die Brüder betreiben den Drohnenflug als «fortgeschrittenes Hobby», wie Benjamin Josi sagt, aber der Sprung zum vollberuflichen Piloten ist das erklärte Ziel. «Wir haben viel Zeit und Schweiss investiert. Das ist unbedingt ein Traum!» Einen Flugschein braucht es nicht. Jedermann darf Flugdrohnen steigen lassen, und längst bieten Elektronikversandhändler für einige Hundert Franken Bausätze an, mit denen man selbst zum Flugfotografen wird. Diesen attestiert Thomas Josi keine Profi-Qualitäten: «Sie sind gut für jemanden, der das als Hobby betreibt und ab und zu ein Bild schiessen möchte.» Die vierrotorigen Modelle verkraften ein Gewicht bis 700 Gramm, was einer Helmkamera entspricht. Da entspräche die Qualität der Fotos und der Bildübertragung nicht dem, was sie erreichen möchten. Ausserdem dürfe man den Trainingsaufwand nicht unterschätzen. Das Fliegen ist zwar einfacher als mit einem Modellhelikopter, aber wenn man zu zweit fliegt, muss auch das Zusammenspiel geübt sein.

Gab es denn schon mal einen Absturz? Thomas Josi lacht und meint, ganz am Anfang sei das vorgekommen. «Das war jedoch ein technischer Fehler beim Steuersignal.»

Das Video: www.drohne.tagesanzeiger.ch

Die Welt aus Sicht des Oktokopters: Die Bergstation Hahnemoos bei Adelboden mit Restaurant. Foto: 3element-pictures.ch

Acht Rotoren sorgen für eine stabile Fluglage. Foto: 3element-pictures.ch

Benjamin Josi (links) steuert die Drohne, Thomas Josi die Kamera. Foto: PD

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 10. Dezember 2012

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