Soziales Kapital und reales Geld

Nutzer von sozialen Netzwerken sind begehrt. Neu buhlen auch Google+ und Diaspora um sie. Auf Empire Avenue kann man mit sozialem Kapital zocken.

Von Matthias Schüssler

Vor anderthalb Jahren ist Google mit seinem Angriff auf den Mikroblogging-Dienst Twitter kläglich gescheitert. Das Interesse an Google Buzz war gross, flaute aber nach einer Privatsphärenpanne schnell wieder ab. Flops wie dieser halten Google aber nicht von weiteren Versuchen im Bereich der sozialen Netze ab. Google+ (plus.google.com) ist die neueste Plattform, die Facebook Nutzer abjagen soll. Jetzt wird der Kampf um die Vorherrschaft bei den globalen Onlinegemeinschaften richtig heiss.

Nebst Google und Facebook buhlt auch Diaspora (joindiaspora.com) um die Gunst der Nutzer. Dieses Projekt startete im April 2010 und zeichnet sich durch offene Software aus. Wer mag, kann sein Profil auf dem eigenen Webserver unterbringen und mit anderen Servern vernetzen. Diaspora zielt auf technisch versierte Anwender mit Misstrauen gegenüber den grossen Datensammlern. «Damit ist Diaspora das soziale Netz der Leute, die keine sozialen Netze mögen», wie Kritiker spötteln.

Google hat nach der Meinung vieler Beta-Tester gute Chancen auf ein dickes Stück des Social-Media-Kuchens. Freunde lassen sich im Plus-Dienst einfach einem «Circle» (Kreis) zuordnen. Das trägt dem Umstand Rechnung, dass es auf sozialen Netzen ebenfalls unterschiedliche Beziehungen gibt. Auch online geht man mit Arbeitskollegen anders um als mit Feierabendkumpeln, einer Verflossenen oder mit Familienangehörigen. Facebook wirft alle «Freunde» in einen Topf. In welchen Circle man jemanden einteilt, bleibt das Geheimnis des Nutzers. Man darf also auch einen Circle namens «Nervige Kollegen» pflegen.

Als Social-Media-Nutzer wird man in diesem harten Verdrängungswettbewerb zur heiss umkämpften Ware. Diesem Umstand trägt die Website Empireavenue.com Rechnung. Hier ist man als Teilnehmer ein an der Börse handelbarer Wert. Sofort ab Anmeldung können die anderen Teilnehmer der Community Anteile kaufen. Seinerseits beteiligt man sich mit seinem Vermögen an den anderen Teilnehmern im Spiel. Je besser das Portfolio gedeiht – die Währung in der Simulation wird Eaves genannt –, desto schneller steigt man zum Grossinvestor auf. Wer mit Spekulationen erfolglos bleibt, besorgt sich das virtuelle Kapital mit realem Geld: Für 40 000 Eaves sind 25 US-Dollar hinzublättern.

Der handelbare User

Der eigene Börsenkurs respektive das «soziale Kapital» hängt dabei von der Geschicklichkeit bei den Investments ab. Noch mehr zählt aber fleissiges Publizieren. Beiträge auf Twitter, Facebook und in Blogs steigern den Wert unmittelbar.

Richtig rund würde diese Idee, wenn es die Möglichkeit gäbe, die erwirtschafteten Eaves in eine harte Währung zurückzutauschen – und aus dem sozialen Kapital reales Vermögen zu schlagen. Diesen Weg gibt es nicht, die Empire Avenue bleibt eine Spielerei. Eine virtuelle Währung mit Tauschmöglichkeiten in beide Richtungen existiert mit Bitcoins (bitcoin.org). Garantiert ist der Umtausch des digitalen Geldes in Dollar oder Franken bislang aber nicht.

Google+ tritt mit den «Circles» gegen Facebook an. Screen: PD

Empire Avenue: Fleissig publizieren bringt virtuelles Geld. Screen: TA

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 11. Juli 2011

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