Spezielle Webdienste für besondere Bilder

Neben Mainstream-Fotosites wie Flickr und Picasa existieren spezialisierte Dienste für historische Aufnahmen und die neue Schnappschuss-Kultur.

Von Matthias Schüssler

Die grösste Fotoplattform der Welt ist Facebook. Pro Tag werden bei der populärsten Onlinecommunity rund 100 Millionen Bilder hochgeladen. Laut Techcrunch.com waren es am Neujahr 2011 sogar 750 Millionen Aufnahmen. Das sind fast 9000 Bilder pro Sekunde.

Doch Masse ist nicht gleich Klasse. Trotz Facebook gibt es weiterhin Raum für vergleichsweise kleine und spezielle Bilder-Webdienste.

Zum Beispiel Historypin.com. Diese Bilder-Website lässt vergangene Zeiten aufleben und strebt eine globale Bildersammlung mit historischer Dimension an. Jeder darf Fundstücke aus alten Fotoalben online bringen. Jede Aufnahme wird nicht nur mit dem Aufnahmeort, sondern auch mit dem Aufnahmejahr versehen. Es entsteht eine Sammlung, die in drei Dimensionen durchsuchbar ist. Auf der Karte von Google Street View wählt man die geografische Länge und die Breite der zu erforschenden Region, und per Schieberegler gibt man die zeitliche Dimension vor. Der Anfangs- und Endpunkt für die Auswahl kann zwischen 1850 und 2011 gesetzt werden.

Historypin.com hat sich zum Ziel gesetzt, die grösste Sammlung historischer Fotos zu werden und auch die Geschichten hinter den Bildern zu erzählen. Schweizer Aufnahmen sucht man bislang fast vergeblich, aber in Städten wie London oder New York gibt es eine beachtliche Zahl von Fotos zu betrachten – natürlich vorwiegend in Schwarzweiss.

Virtuell replizierte Räume

Auf Photosynth.net entstehen durchstreifbare Bilderwelten. Das Ausgangsmaterial sind Dutzende oder Hunderte von Fotos eines Motivs, die Benutzer zu unterschiedlichen Zeiten geschossen und hochgeladen haben. Eine leistungsfähige, von Microsoft entwickelte Technik errechnet aus der Perspektive und dem Bildausschnitt die ursprüngliche Aufnahmeposition und platziert sie nahtlos in einer riesigen dreidimensionalen Collage, die per Maus durchstreift wird. Die Pariser Kathedrale Notre-Dame existiert beispielsweise als virtuelle Nachbildung. Man nähert sich ihr im Browser an und betrachtet sie aus verschiedenen Blickwinkeln. Bei Photosynth gibt es auch eine gleichnamige Windows-Software, die Fotos zu einer Panorama-Aufnahme zusammenfügt. Eine iPhone-App puzzelt «live» lückenlose 360°-Panoramen zusammen, wobei der Benutzer bloss sein Mobilgerät schrittweise nachführen muss, bis die Umgebung rundum erfasst ist.

Instagram (www.instagr.am) zelebriert seit Ende letzten Jahres eine neue Schnappschusskultur. Die mit iPhone-App geschossenen Bilder werden sofort öffentlich gemacht und mit vielen knalligen Effekten ausgestattet. Die quietschbunten Alltagsimpressionen sind auf Facebook und Twitter omnipräsent. Längst gibt es Trittbrettfahrer-Dienste, zum Beispiel Picplz.com.

Kunstliebhaber 2.0

Artfinder.com verfolgt einen komplementären Ansatz: Statt spontan geknipsten stehen die Werke der grossen Meister zur Schau. Natürlich gibt es auch hier die unverzichtbare Anbindung an Twitter und Facebook, mit der man seine Vorlieben in der Community teilt. Die Website verrät zu jedem Werk, wo das Original hängt, und es lassen sich ohne Umschweife Drucke auf Fotopapier oder Leinwand, mit oder ohne Rahmung, bestellen.

Der eigentliche Clou bei Artfinder ist aber das Vorschlagssystem à la Amazon oder iTunes-Store. Ein Algorithmus nimmt in vier Schritten die Vorlieben des Users entgegen und ermittelt weitere Bilder, die dem Nutzer gemäss Softwarelogik gefallen müssten. «Magic Tour» heisst das und macht auch unbedarfte Nutzer nach vier Klicks zum Kunstliebhaber 2.0.

Auch für Kunstliebhaber gibt es eine Web-Community: Artfinder.com.

Historypin.com: Per Google Street View durch die Jahrzehnte zappen. Screens: TA

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 16. Mai 2011

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