Es muss nicht immer Arial sein

Wie man selbst mit Standard-Textprogrammen einen ausgefeilten Schriftsatz erzeugen kann.

Von Matthias Schüssler

Softwarehersteller haben keine Hemmungen, um die winzigste Neuerung einen Riesenwind zu veranstalten. Manchmal passiert aber auch das Gegenteil: Ein Programm wird aufgewertet, ohne dass jemand ein Wort darüber verliert. Ein Beispiel für so einen Fall ist OpenType: Das ist eine Schrifttechnologie, die grosse Verbesserungen bringt. Finessen wie Ligaturen, Mediävalziffern, Brüche, Stilsätze oder alternative Zeichen waren früher nur mit teuren Spezialschriften möglich – heute kann man sie mit Standardsoftware realisieren. Das lässt das Herz von Typografie-Fans höher schlagen. Zumindest von denen, die schon von den neuen Möglichkeiten gehört haben.

OpenType wurde von Microsoft zusammen mit Adobe entwickelt. Die Schrifttechnologie existiert seit zehn Jahren und war schon in Windows 2000 enthalten. Es klemmt aber seit gut einem Jahrzehnt bei den Anwendungsprogrammen. Denn damit sich die erweiterten Funktionen einer OpenType-Schrift überhaupt aktivieren lassen, muss die Software entsprechende Dialoge und Menüs bereitstellen. Bei Microsofts Textverarbeitung hat es zehn Jahre gedauert, bis OpenType Berücksichtigung fand. In Word 2010 gibt es nun die nötigen Einstellungsmöglichkeiten.

Zahlen à la carte

Sie sind allerdings gut versteckt: In Word 2010 markieren Sie eine Textpassage und formatieren diese mit einer OpenType-Schrift. Sie erkennen diese in der Schriftenliste am zweifarbigen «O»-Symbol, das dem Schriftnamen vorangestellt ist. Wählen Sie eine Schrift, die möglichst viele der OpenType-Funktionen unterstützt, beispielsweise die «Gabriola» aus Windows 7. Betätigen Sie die Tastenkombination «Ctrl» + «d», um das Dialogfeld «Schriftart» anzuzeigen. Darin öffnen Sie den Reiter «Erweitert» und werden im Abschnitt «OpenType-Features» nun endlich fündig. Mit der Option «Ligaturen» setzt die Software bei bestimmten Buchstabenkombinationen keine separaten Buchstaben, sondern verschmilzt die Zeichen, wo sie sich nahekommen.

Bei «Zahlenabstand» gibt es zum einen die Option «Tabellarisch». Mit ihr sind alle Ziffern gleich breit, damit sie in Zahlenreihen korrekt untereinander stehen. Mit der Option «Proportional» hat jede Ziffer die passende Breite. Das verschönert die Darstellung von Zahlen im Fliesstext. Bei «Zahlenzeichen» entspricht wiederum die Option «Ohne Ober-/Unterlängen» dem, was man von herkömmlichen Schriften gewohnt ist: Alle Ziffern sind gleich gross und haben die gleiche Höhe wie die Grossbuchstaben. Mit der Option «Mediäval» sind die Ziffern so gross wie Kleinbuchstaben, haben aber Ober- und Unterlängen: Die 7 zum Beispiel ragt unter die Grundlinie, die 8 über die Mittellinie hinaus.

Einfacher mit dem Mac

Das ist alles, was Word an OpenType-Funktionen bietet, aber längst nicht alles, was möglich ist. Es gibt insgesamt mehr als drei Dutzend weiterer Funktionen: Schriftvarianten für hoch und tief gestellte Zeichen, Titelschriften, Zierbuchstaben-Varianten mit kleinen «Fähnchen» am Grossbuchstaben und historische Formen. Gut ausgebaute Schriften enthalten gerade und schräge Brüche, Zeichenvarianten wie die Null mit Schrägstrich oder echte Kapitälchen.Weitere Varianten gibt es für internationale Schriftsysteme wie Griechisch, Kyrillisch oder Hebräisch. Diese Spielarten können unter Windows nur mit einer Profi-Software wie Adobe InDesign verwendet werden.

Beim Mac stehen sämtliche OpenType-Funktionen im Schriftdialog des Betriebssystems zur Verfügung – und damit auch in Programmen wie TextEdit (kostenlos) oder Pages. Um Sie zu nutzen, öffnen Sie den Schriften-Dialog. Das tun Sie sowohl bei Pages als auch bei TextEdit über den Befehl «Format > Schrift > Schriften einblenden». Klicken Sie dann im Schriftendialog auf das Zahnrad-Symbol in der linken unteren Ecke und wählen Sie «Typografie» aus dem Kontextmenü aus.

Ligaturen ergeben ein harmonischeres Schriftbild. Alle Screens: TA

Buchstaben-Verzierungen für gediegene Titel und Initialen.

Eine Schrift in drei Stilvarianten mit unterschiedlichen Buchstabenformen.

Ziffern in verschiedenen Ausprägungen für Fliesstext (oben) und Tabellen.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 27. September 2010

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