Das Handy von Google spürt Freunde auf

Mit dem «Nexus One» konkurrenziert Google das iPhone.

Von Matthias Schüssler

Das «Nexus One» ist ein bemerkenswertes Handy. Es ist Ausdruck von Googles Willen, den Mobilfunkmarkt umzukrempeln. Und es ist die treibende Kraft im «Android-Ökosystem».

Google hat mit dem Nexus One Grösseres vor, als bloss ein Mobiltelefon an die Kundschaft zu bringen. Das Gerät ist, genauso wie das von Google entwickelte Handybetriebssystem «Android», nur Mittel zum Zweck. Und der besteht darin, das besagte «Android-Ökosystem» zu etablieren – eine Plattform, die mobilen Nutzern den Zugang zu den Google-Diensten eröffnet. Das garantiert das Umfeld für die Werbung, mit der Google das Geld verdient.

In einem Mobilfunkmarkt googelscher Prägung spielen die Netzbetreiber nur eine Nebenrolle. Der Verkauf des «Nexus One» erfolgt nicht über deren Händlernetz, sondern in den USA vornehmlich über Googles Website. Es gibt das Gerät ohne «SIM lock» und ohne Abovertrag, was dem Käufer die freie Wahl des Anbieters eröffnet. Für die USA ist das ein Novum und ein gutes Verkaufsargument, gibt es das begehrte iPhone hier doch nur von AT&T, dessen Netz als notorisch überlastet gilt.

Das «Nexus One» wird vom taiwanischen Hersteller HTC gebaut und ist hierzulande bei Digitec erhältlich. Ohne Vertrag kostet es 829 Franken; Vertragsoptionen für den vergünstigten Kauf gibt es von Orange, Sunrise und Swisscom. Bei der Hardwareausstattung darf man es als Referenz für den aktuellen Stand der Technik ansehen. Es hat einen schnellen Prozessor, einen austauschbaren Akku und ist dennoch etwas dünner und leichter als das iPhone 3GS. Um Längen schlägt es Apples Telefon bei der Anzeige: Die Auflösung des Oled-Displays ist 800 auf 480 Pixel; das ist deutlich mehr als beim iPhone (480 auf 320 Pixel).

Sehenswürdigkeiten erkennen

Diese Auflösung macht sich beispielsweise bei der Kartenanwendung bemerkbar. Hier finden vergleichsweise viel mehr Informationen Platz. Als «Layer» lassen sich Artikel aus Wikipedia, Verkehrsinformationen oder Geschäfte und wichtige Adressen auf die Karte legen. Selbst Googles jüngster Dienst «Buzz» integriert sich in die Karte. Beiträge, die ein Freund über dieses soziale Netzwerk veröffentlicht, verortet die Maps-Anwendung an der Stelle, wo sich der Freund oder die Freundin gerade aufhält.

Alle weiteren wichtigen Google-Dienste sind auf dem «Nexus One» vertreten: Das E-Mail-Programm, die Kontakte und Kalender, die nach der Registrierung eines Google-Benutzerkontos automatisch synchronisiert werden. Selbst die als Picasa-Webalben gespeicherten Fotosammlungen werden abgeglichen, ohne dass man das Telefon dafür mit dem Computer verbinden müsste – das ist eine perfekte Integration für alle Anwender, die ihr Leben mit Google-Diensten zu organisieren pflegen.

Eine eindrückliche Technologiedemo ist auch Google Goggles. Dieses Programm sucht Produkte oder Informationen anhand von Bildern. Statt eine Anfrage einzutippen, macht der Anwender ein Bild vom Gegenstand seines Interesses und gibt es in die Suchmaschine ein: Logos, Sehenswürdigkeiten, usw. Die Treffsicherheit des Bilderkennungsalgorithmus ist zwar nicht perfekt, aber dennoch beeindruckend. Vorab Produkte, Buchcovers oder häufig fotografierte Sehenswürdigkeiten werden korrekt identifiziert.

SMS und E-Mails diktieren

Googles Tausendsassa hat nicht nur eine Bild-, sondern auch eine Spracherkennung eingebaut. Das ist bei Mobiltelefonen an sich nichts Neues. Viele Geräte wählen Nummern per Sprachbefehl. Per «Sprachsuche» kann man auch nach gesprochenen Begriffen googeln. Und nicht nur das: Jedes Textfeld kann «besprochen» werden (auf Englisch). Für die Spracheingabe gibt es auf der virtuellen Tastatur eine Mikrofontaste. Auf diesem Weg lassen sich sogar E-Mails oder SMS diktieren. Theoretisch zumindest, denn im Alltag ist die Fehlerquote doch noch zu hoch. Verbessern lässt sie sich, wenn der Sprecher trainiert und sich eine deutliche Aussprache mit Diktat der Satzzeichen angewöhnt.

Das «Nexus One» ist eine Demonstration, was 130 Gramm Hightech heute zu leisten vermögen. Das iPhone hat in Sachen Musik und beim App-Store die Nase vorn und ist auch bei der Bedienung schlüssiger und weniger experimentell als das «Nexus One» mit seinen nicht immer ausgereiften Funktionen. Trotzdem ist klar: Apple muss sich fürs nächste iPhone-Modell etwas einfallen lassen.

Nicht nur ein Telefon, sondern ein ganzes «Ökosystem»: Das von HTC gefertigte Google-Phone. Bild: TA

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 8. März 2010

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