Wenn Software nicht hält, was der Hersteller verspricht

Nichts ist unmöglich, suggerieren Software-Hersteller. Dem ist nicht so. Als Anwender muss man die Grenzen seiner Werkzeuge kennen.

Von Matthias Schüssler

Vornehmlich aus Marketinggründen erweitern die Softwarehäuser ständig den Aufgabenbereich ihrer Produkte. Das liefert neue Verkaufsargumente für neue Produktversionen. Mit immer mehr Funktionen für dieses und jenes wecken die Hersteller den Eindruck, die Kundschaft erhalte nichts weniger als ein omnipotentes Universalwerkzeug.

Doch die aufgepfropften Funktionen sind oft eine Enttäuschung. Trotz anders lautender Marketingversprechen überzeugen die aufgeblähten Programmpakete nur im ursprünglichen Kerngeschäft. In den neu akquirierten Aufgabengebieten schlägt sich ein spezialisiertes Programm besser. Es ist auch grossen und komplexen Projekten gewachsen.

Beispiel Word: Microsofts Textverarbeitung ist längst mehr als nur Schreibprogramm. Sie kreiert Bücher, layoutet Publikationen, Webseiten, gestaltet Organigramme und vieles mehr. Die ursprüngliche Kernaufgabe von Word sind Texte – und zwar eher kurze und einfach strukturierte: Briefe, Memos oder andere Geschäftskorrespondenz.

Word kann seine Herkunft als Büro-Textprogramm nicht verleugnen. Davon zeugen Berichte an die Kummerbox: Über das Buchprojekt, das aus dem Ruder zu laufen droht, oder die Website, die im Firefox-Browser oder in Safari von Apple falsch angezeigt wird. Auch grosse Unternehmen setzen Word mitunter falsch ein, wie Tagi-Leserin Ruth Lagler der Kummerbox schreibt: «Ich war zwölf Jahre technische Redaktorin in einem Technologiekonzern. Die umfangreiche technische Dokumentation wurde mit Word erstellt.» Das war ein täglicher Kampf mit übergrossen Dateien, Abstürzen und beschädigten Dokumenten. «Ein überaus ungeeigneter Editor für komplexe Dokumente. Aber die Geschäftsleitung hat sich dafür entschieden, weil Word nun mal jeder kennt», sagt Ruth Lagler.

Dabei gäbe es mit Adobe FrameMaker eine gut gerüstete Alternative. Bei bildlastigen Publikationen greift man zu einem Layoutprogramm, etwa zum (teuren) InDesign von Adobe oder zu Scribus, dem Layoutprogramm aus der Open-Source-Welt: www.scribus.net

Für wissenschaftliche Arbeiten oder Bücher bietet sich Latex an: ein freies und kostenloses Satzsystem, das seine Ursprünge an der Stanford-Universität in Kalifornien hat. Es ist langen Dokumenten gewachsen und hat sich für Dissertationen und Seminararbeiten bewährt. Allerdings verlangt Latex dem Anwender viel Einarbeitungsaufwand ab, da Dokumente eher programmiert als per Maus gestaltet werden. Den Einstieg erleichtert diese Anleitung: http://de.wikibooks.org/wiki/LaTeX-Kompendium.

Geht es um Webseiten, kommt man mit einem Editor wie Kompozer (kostenlos auf www.kompozer.net) schneller zum Ziel als mit Word. Auch kommerzielle Alternative wie der Namo Editor, Adobe Dreamweaver bieten sich an. Oder Expression Web, der Webdesigner aus dem Hause Microsoft. Er erntet, anders als der unglückliche Vorgänger Frontpage, auch von Profis Lob.

Excel wird missverstanden

Auch Excel wird missverstanden. Ein Malermeister schreibt der Kummerbox von den Problemen mit seinem in Excel aufgebauten Rechnungswesen, ein anderer Fragesteller stösst bei der MP3-Verwaltung an Grenzen.

Kein Wunder, denn Excel ist nicht dafür angelegt, grössere Datenbestände sinnvoll zu verknüpfen und auszuwerten. Das ist die Stärke von Datenbankprogrammen wie FileMaker (www.filemaker.ch) oder Access von Microsoft. Für die täglichen Aufgaben im KMU- oder Handwerksbetrieb gibt es spezialisierte Programme, zum Beispiel MiniBüro: eine auf Filemaker aufsetzende Datenbanklösung, die Adressen, Briefe, Offerten, Lieferscheine, Rechnungen unter einem Dach verwaltet (www.minibuero.ch, ab 450 Franken).

BILD MICROSOFT

Bill Gates rührt die Office-Werbetrommel.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 21. Januar 2008

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