Virtuell zum Gratis-PC im PC

Virtual PC führt unter Windows ein zweites Betriebssystem aus. Die Emulator-Software ist jetzt kostenlos erhältlich.

Von Matthias Schüssler

Zwei Betriebssysteme gleichzeitig in Betrieb zu haben, geht eigentlich nicht. Die Steuerungssoftware verlangt die alleinige Herrschaft über Prozessor, Festplatte und die angehängten Geräte. Doch ein Emulator bricht den absoluten Machtanspruch. Diese Software führt in einem Windows-Fenster ein zweites Betriebssystem aus.

Sie schafft dieses Kunststück, indem sie das zweite Betriebssystem in den «Sandkasten» verpflanzt – in eine Umgebung simulierter Hardware. Die Systemsoftware glaubt, direkt mit der Festplatte oder dem Prozessor zu kommunizieren, tut das in Wahrheit aber mit der per Software nachgebildeten (emulierten) Hardware.

Ein solcher PC im PC eröffnet diverse Einsatzbereiche. Er führt unter Windows XP alte Betriebssysteme aus, etwa Windows 3.1, 95 oder DOS. Damit lassen sich Programme verwenden, die unter XP nicht mehr laufen. Ein Emulator ist eine hervorragende Testmaschine: für andere Betriebssysteme, beispielsweise Linux. Oder für unfertige Versionen wie beispielsweise den Internet Explorer 7 oder Office 2007, die man besser nicht auf den Arbeitsrechner loslässt. Computerjournalisten nutzen Emulatoren gerne, um Bildschirmfotos von Vorgängen zu machen, die sich normalerweise nicht abbilden lassen – beispielsweise vom Bootvorgang.

Tüfteln, ohne etwas kaputtzumachen

Microsoft hat seinen Emulator vor kurzem zum kostenlosen Download freigegeben. Nach der Installation erscheint die Konsole, in der man beliebig viele virtuelle Computer einrichtet. Das Einrichten erfolgt über einen Assistenten. Er richtet unter anderem eine virtuelle Festplatte ein. Eine solche erscheint auf dem Gastcomputer als Datei. Diese Laufwerksabbilder weist man seinen Computern nach Belieben zu. Indem man eine Laufwerksdatei archiviert und bei Bedarf reaktiviert, kann man sein Betriebssystem immer im gleichen frischen Zustand verwenden, egal was man damit im Betrieb anstellt: ideale Bedingungen für Computertüftler, die ohne Skrupel am Betriebssystem herummanipulieren wollen.

Der Installationsassistent fragt auch nach dem Arbeitsspeicher. Hier gilt, natürlich, je grösser, desto besser; aber da sich der emulierte PC und der Gast-PC den Speicher teilen, muss genügend realer Speicher vorhanden sein. Um zweimal Windows XP zu installieren, empfiehlt Microsoft mindestens 256 MB, was das absolute Minimum darstellt; zweimal so viel wäre besser.

Nach dem Einrichten startet man den virtuellen Rechner über die Konsole – gegenüber einem realen PC aber mit deutlich gedrosselter Geschwindigkeit. Als Erstes muss ein Betriebssystem installiert werden. Dazu verwendet man entweder ein Installationsmedium, das im CD-ROM- oder Diskettenlaufwerk des Gastcomputers liegt. Man kann dem virtuellen PC über den Befehl «Abbild erfassen» im Disketten- oder CD-Menü aber auch eine Imagedatei zuweisen.

Solche «Abbilder» funktionieren wie virtuelle Festplatten und enthalten in Dateiform den Inhalt einer Diskette oder CD. So ist es möglich, den virtuellen Computer von einer ISO-Datei aufzustarten, die das Boot-Medium eines anderen Betriebssystems enthält. Die «Live-CDs» der Linux-Variante Knoppix (www.knopper.net/knoppix), von Zeta (www.zeta-os.com) oder ReactOS (www.reactos.org) findet man online.

Windows ohne Windows

Gerade das letzte Projekt ist durchaus interessant: Entwickler von ReactOS haben die Absicht, sämtliche Windows-Programmierschnittstellen in einem freien Betriebssystem nachzubilden, sodass jedermann Windows-Programme nutzen kann, ohne Windows kaufen zu müssen.

Es ist wichtig, vor dem Start des Computers die «Host-Taste» zu kennen: Mit ihr wechselt man vom virtuellen Rechner zum Gast-PC. Es ist standardmässig die rechte Umschalttaste; eingestellt wird sie in der Konsole über «Datei > Optionen» bei «Tastatur».

Gratis-Download (Deutsch, 18,2 MB):
www.microsoft.com/windows/virtualpc

Knoppix im Sandkasten: Im Fenster läuft ein zweites Betriebssystem.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 16. Oktober 2006

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