Millionen von Filmschnipseln abrufbereit

Auf Youtube.com kann jeder Videos veröffentlichen: ein gigantisches Sammelsurium an Clips mit einzelnen Perlen.

Von Matthias Schüssler

Die Video-Website Youtube.com hat eine enorme Einschaltquote: 70 Millionen Clips schickt sie pro Tag auf Computerbildschirme in aller Welt. Jeden Tag werden 60 000 neue Clips veröffentlicht. «Youtube ist eine Bühne für jedermann», beschreibt der Veranstalter seine Mission: «Der Wandel bei den Unterhaltungsmedien wird eine neue Kultur hervorbringen, in der professionelle und unabhängige Anbieter ihr Potenzial ausschöpfen können.»

Nachdem per Blog-Websites jedermann zum Schriftsteller oder Journalist avancieren kann, via Podcast seine eigene Radioshow produziert, erobert man also per Youtube.com die Welt der bewegten Bilder. Eine Gelegenheit, auf die viele Hobbyfilmer und gelangweilte Fernsehkonsumenten nur gewartet haben. Endlich gibt es ein Publikum für Mobiltelefon-Clips und zu Hause zusammengeschnipselte Aufnahmen. Der Zuspruch ist so gross, dass Youtube.com zu den zwanzig beliebtesten Websites weltweit gehört. Die Hürden zur televisionären Selbstverwirklichung sind denkbar niedrig. Selbst per Handykamera gefilmte Clips finden, per MMS verschickt, ihren Weg ins Web.

Bei der Masse der Clips braucht es Geduld und Glück, um auf Klasse zu stossen. Originell und mit Liebe zum Detail gemacht ist etwa der Clip «The Real Simpsons», bei dem Laiendarsteller den Vorspann der Kult-TV-Serie nachspielen. Ein Highlight ist auch «Titanic – The Sequel», ein gefälschter Trailer zu einer imaginären Fortsetzung des «Titanic»-Kassenschlagers. Sehenswert auch die Ratschläge von Blunty3000 (zu sehen im grossen Bild in der Mitte), der in seinem Clip Ratschläge gibt, wie man sich mit seinen Video-Blogs erfolgreich in Szene setzt.

Schweiz: Schnulzen und Schlitten

Ansonsten gibt es viele Memorabilien aus dem Fernsehen zu entdecken. Fussballfans finden fast sämtliche denkwürdigen Szenen von der Weltmeisterschaft zur Analyse und zum Immer-wieder-Ansehen. Die Ausbeute zum Stichwort «Switzerland» weckt hingegen Irritation: Eine kurze Aufnahme von einer missglückten, aber nicht sonderlich lustigen Schlittelfahrt wird gefolgt vom Schweizer Beitrag zum Concours Eurovision 1972 (Véronique Müller, «C’est la chanson de mon amour»). Zu «Switzerland» ferner zehn Abba-Clips aus einem von der BBC 1979 gedrehten Film «Abba in Switzerland».

Youtube als globaler Kinosaal für die Amateurfilmer hat ein enormes Potenzial. Die postulierte «neue Clip-Kultur» lässt sich bis jetzt nur mit viel Wohlwollen erkennen. Als Alternative zur Ödnis auf dem TV-Schirm taugt Youtube.com aber schon jetzt, denn so gut wie viele Pannen-, Werbespot- oder «Lustige Heimvideos»-Shows im Privatfernsehen ist die Video-Community allemal. In diesem Zusammenhang empfehlenswert: Clips wie «Evolution of Dance», «The Man Who Takes Off Clothes Within Ten Seconds» oder «Star Trek Cribs – The Direcor’s Cut».

SCREENS TA

Die Clip-Kultur von Youtube.com: Virale Werbefilme, lustige Videos und eine tolle Simpsons-Parodie.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 10. Juli 2006

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