Kostenlose Hilfe bei der Projektplanung

Microsoft Project erhält Konkurrenz aus dem Open-Source-Lager: Open-Workbench und Gantt-Project empfehlen sich als Alternativen.

Matthias Schüssler ist Journalist und Fachbuchautor in Winterthur.

mgangssprachlich ist ein Projekt ein Unterfangen, bei dem man irgendwie ein mehr oder weniger klar umrissenes Ziel erreichen möchte. Im Unternehmensumfeld sollte man sich mit so vagen Vorstellungen aber nicht zufrieden geben. Im Idealfall sind nicht nur die Ziele eines Projekts klar definiert, sondern auch Termine, Ressourcen und Kostenrahmen. Das deutsche Institut für Normung regelt unter der DIN-Norm 69901, wie Projekte in geordnetem Rahmen abgewickelt werden. Wer bestrebt ist, bei der Umsetzung seiner Pläne nichts dem Zufall zu überlassen, findet im Computer einen hilfreichen Assistenten. Er dient mit vielseitigen Auswertungen, zeigt Balken- oder Gantt-Diagramme, Netzpläne, Kalender, Aufgabenlisten und vieles mehr, hilft beim Disponieren der Ressourcen und weist auf Verzögerungen hin. Beim Erfassen des Projekts hilft das Programm, sich der Sachzwänge und heiklen Phasen bewusst zu werden. Im Idealfall verbessert sich dadurch die Planung bereits im Anfangsstadium.

Früher teuer, heute erschwinglich

Eine dezidierte Planungssoftware kommt in der Regel nur bei grossen Projekten zum Einsatz. Das liegt am Lernaufwand, aber auch am Preis solcher Anwendungen. Rund 1200 Franken für MicrosoftTOP 500 Project auszugeben, erscheint nicht lohnenswert, wenn man es mit einem überschaubaren Unterfangen zu tun hat. KMU oder Abteilungen planen in Excel oder begnügen sich mit rudimentären Zeitplänen, die per E-Mail zirkulieren.Dank Software aus der Open-Source-Szene bleiben Mitarbeiter in kleinen Projekten aber nicht auf diese beiden Optionen beschränkt. Die getesteten quelloffenen Programme Gantt-Project und Open-Workbench stehen kostenlos zur Verfügung. Dadurch kann sich der Einsatz einer Planungssoftware durchaus auch für überschaubare Vorhaben lohnen. Das eingedeutschte Open-Workbench wartet mit einer aufgeräumten Oberfläche auf. Der Einstieg erfolgt allerdings eher harzig, wenn einem Begriffe wie Phasenheber-Gantt, MPMLexikon-Netz, PSP- oder AOB-Definitionen nicht geläufig sind. Immerhin gibt es eine Anleitung. Und als besonders nützlich erweist sich der «Idiot’s guide», der einem auf acht Seiten das nötigste beibringt und dabei die Anforderungen an den Benutzer nicht verhehlt: «Viele Leute murren über den Zeitaufwand, den ihnen Microsoft Project abverlangt. Workbench ist diesbezüglich keine Ausnahme».

Aus Vorgängen wird ein Projekt

Die Arbeit in Open-Workbench beginnt damit, dass man sein Projekt in Vorgänge, Phasen, Aufgaben und Meilensteine zerlegt, sie in die Software einträgt, die Zeitdauer bestimmt und Ressourcen zuweist.

Zentrale Darstellungsform in allen Projektplanungsprogrammen ist das Gantt-Diagramm. Es wurde 1917 vom amerikanischen Maschinenbauingenieur und Unternehmensberater Henry Laurence Gantt entwickelt, um den effizienten Bau von Kriegsschiffen im ersten Weltkrieg zu gewährleisten. Ein solches Diagramm zeigt Aktivitäten als Balken auf einer Zeitachse. Open-Workbench bietet zusätzlich die Darstellung als MPM-Netz (Metra-Potenzial-Methode), also als so genannter Vorgangsknoten-Netzplan. Er zeigt die logischen Abhängigkeiten der Vorgänge auf. Die Strukturierung der Aufgaben erfolgt in groben Zügen mit der Maus. Wenn man Vorgang A per Maus auf Vorgang B zieht, verknüpft die Software beide mit einem Pfeil und zeigt an, dass Vorgang B von Vorgang A abhängt. Sollte unter diesen Gegebenheiten Vorgang B beginnen, bevor Vorgang A abgeschlossen ist, signalisiert eine rote Markierung, dass hier etwas in der Planung nicht aufgehen kann.

Über den Eigenschaften-Dialog lässt sich eine Reihe von Parametern zu jedem Vorgang festlegen, beispielsweise zeitliche Einschränkungen. Auch Ressourcen weist man hier einer Aufgabe zu. Die Ressourcen verwaltet man im untersten Bereich der Ansicht: Hier werden Mitarbeiter, Material, Maschinen und Aufwände eingetragen. Der oberste Bereich dient dazu, ein grosses Projekt in einzelne Teile zu gliedern. In die Grundlagen von Open-Workbench arbeitet man sich in rund zwei Stunden ein. Indem man den Ablauf skizziert, wird der Zeitaufwand klar, und man kommt Engpässen auf die Spur. Dazu dient unter anderem der Befehl «Kritischer Pfad». Er bestimmt direkt die zeitliche Länge des Projekts. Verzögerungen bei einem zum kritischen Pfad gehörenden Vorgang gefährden die Einhaltung der Deadline. Das Gantt-Diagramm führt das vor Augen und erlaubt so eine effiziente Überwachung des Projekts. Für komplexe Vorhaben muss man einen grösseren Effort in Open-Workbench investieren. Insbesondere der richtige Umgang mit Ressourcen ist nicht einfach. Allerdings steckt genau hier das Potenzial der Software. Plant man seine Ressourcen sorgfältig, erspart man sich Wartezeiten oder Leerläufe und hat die Kosten besser im Griff. Open-Workbench bietet einen soliden Funktionsumfang. Was die Darstellungsmöglichkeiten und die Zusammenarbeit mit Office angeht, hat Microsoft aber die Nase vorn. Dennoch ist Open-Workbench für Anwender, die bislang keine Projektplanungssoftware eingesetzt haben, eine gute Wahl. Im Juli 2004 hat die Entwicklerin Niku die Software unter eine Open-Source-Lizenz gestellt. 2005 hat CATOP 500 Niku übernommen, und heute soll die Software von über 100000 Anwendern genutzt werden.

Für kleines Projekt zwischendurch

Seit knapp zwei Monaten ist Gantt-Project in Version 2.0 erhältlich. Das Open-Source-Programm ist in Java geschrieben und in Deutsch erhältlich. Die Software zeigt links zwei Reiter, in denen Vorgänge und Ressourcen erfasst werden. Rechts ist die Gantt-Darstellung ersichtlich. Die Arbeit gestaltet sich ähnlich wie bei Open-Workbench, auch wenn der Funktionsumfang deutlich geringer ist – man könnte auch sagen: übersichtlicher. Gantt-Project lässt sich schnell erlernen, eignet sich aber nur für kleine Projekte mit einigen Dutzend Aufgaben und einer überschaubaren Zahl an Ressourcen. Dazu zählen ausschliesslich Personen. Hier zeigt sich, dass das Programm ursprünglich als Hilfsmittel für Softwareentwickler konzipiert war. Dafür ist die Darstellung des Gantt-Diagramms schlüssig, und das Java-Projekt bietet vielfältige Exportmöglichkeiten (PNG, HTML, MS Project und PDF). Gantt-Project stellt das Projekt auch als Pert-Plan dar. Diese Darstellung stammt aus der Netzplantechnik und zeichnet sich dadurch aus, dass die Zeit für einen Vorgang über eine Wahrscheinlichkeitsverteilung eruiert wird. Ungenügend ist die Dokumentation. Hier darf man sogar von einem Open-Source-Programm mehr erwarten.

Ernsthafte Alternative

Vergleicht man die Planungswerkzeuge aus der Open-Source-Welt mit kommerziellen Produkten, etwa mit Plan for Windows oder Concept-Draw Project, dann gibt es keinen Grund, Geld auszugeben: Die quelloffenen Produkte sind nicht nur konkurrenzfähig, sondern schlicht besser. Eine Ausnahme bleibt Microsoft Project, unter anderem wegen der Interaktion mit Outlook und Excel, den Schnittstellen zu ERPLexikon-Systemen und dem Projektberater. Der hohe Preis des Microsoft-Produkts rechtfertigt sich aber nur bei intensiver Planungstätigkeit.

Quelle: Computerworld, Freitag, 2. Juni 2006

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Thema: Softwaretest
Nr: 6969
Ausgabe: 06-22
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