Augenarm mit einer Sehschwäche

Zugegebenermassen ist der Sceye kein taufrisches Gadget. Es harrt seit mindestens zwei Monaten der Sushiierung. Doch bislang konnte es nicht in Betrieb genommen werden, weil – glauben Sie es oder nicht – es in der «Digital»-Redaktion keinen Computer mit USB2-Unterstützung gab. Schliesst man das Sceye an einen Computer an, der nur den alten USB-Standard kennt, erscheint die Fehlermeldung, das Gerät könne «nicht gefunden werden».

Obwohl das Gerät offensichtlicherweise neben dem Computer steht. Merke: Fehlermeldungen sind entweder nichtssagend oder irreführend, und meistens sogar nichtssagend und irreführend.

Merke ausserdem: Weil jetzt an dieser Stelle eine Besprechung der digitalen Dokumentenkamera Sceye erfolgt, die «bis zu dreissig Mal schneller als herkömmliche Scanner arbeitet», ist die Vermutung zutreffend, dass die «Digital»-Redaktoren kürzlich brandneue Computer erhalten haben und USB2-Erfordernis nun keine unüberwindliche Hürde mehr darstellt. Und ich kann mich endlich dem futuristischen Gadget von Silvercreations annehmen, das dem herkömmlichen Flachbettscanner den Garaus machen will. Die «Innovation für den Schreibtisch» erfasst, immer laut Hersteller, «5 bis 500 Dokumente pro Tag». Mit Sceye soll alles einfacher werden: Dokumente werden per Kamera eingefangen – und nicht zeilenweise wie das bei einem kommunen Scanner der Fall ist. Bei dem wandert eine Leseeinheit unter dem Dokument durch. Das braucht Zeit. Selbst für die Vorschau braucht ein Scanner einige Sekunden; Sceye hingegen liefert sofort ein Livebild.

Das ist nicht der einzige Vorteil: Unter dem Kameraarm finden auch dreidimensionale Gegenstände Platz. Sceye bildet voluminöse Gegenstände ab, die man nicht in den Scanner klemmen will.

Einleuchtende Gründe für die Doku-Kamera. Ein Argument für den Newcomer ist auch seine Figur: Mit seinem schlanken Arm ist er eleganter als ein klobiger Flachbettscanner, und wie er über eine rote Lasermarkierung den Scanbereich auf dem Tisch anzeigt, ist voll cool.

Darum ist es schade, dass die Bildqualität so unterirdisch schlecht ist. Wenn man das Gerät nur zu Dokumentationszwecken einsetzt, wäre die ungenaue Farbdarstellung zu verschmerzen. Obwohl die Darstellung der Farben nicht schön ist, selbst wenn man die Kalibrierungsfunktion nutzt. Das sollte nicht erstaunen, da Sceye das Umgebungslicht nutzt, also die tendenziell viel zu warme Deckenbelechtung im Büro oder die Schreibtischlampe. Ein Scanner verwendet eine eigene Lichtquelle, was eine viel adäquatere Farbwiedergabe ermöglicht. Die Sceye-Bilder sind jedoch auch schummrig und bei einer 1:1-Abbildung ist in den Aufnahmen ein seltsames Gittermuster zu sehen, das wohl an einer unsauberen Bildverarbeitung liegt. Das mag ein Problem der JPEG-Komprimierung sein – aber ich habe keine Möglichkeit gefunden, in einem anderen Format, beispielsweise Tiff, zu fotografieren. Als ob das nicht genug wäre, traten in meinem Test auch seltsame und völlig inakzeptable Bildstörungen auf.

Das Konzept hat auch andere Schwächen. Beim Scanner kann man die Vorlagen mit Hilfe des Deckels flachdrücken und plan abbilden. Das geht beim Sceye nicht. Zeitschriften wellen sich und dicke Bücher bekommt man erst recht nicht vernünftig abgelichtet. Drückt man die Vorlage von Hand flach, sind die Hände mit auf dem Bild und verwendet man eine Glasplatte, hat man mit Reflexionen zu kämpfen.

Angesichts des Preises von 930 Franken bleibt beim Sceye nur ein Fazit: Hände weg von diesem überteuerten, unausgegorenen Gerät!

Quelle: Newsnetz, Donnerstag, 4. Mai 2006

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