Radica 20Q, die mental begabte Kugel

Heimelektronik ist in aller Regel weder hellsichtig noch sonderlich empathisch – wäre es anders, bräuchten TV und Stereoanlage weder Knöpfe noch Regler oder Fernbedienungen, und Computer keine Maus und Tastatur. Doch die digitale Welt ist generell recht unempfänglich für die Wünsche der User – man könnte auch von gnadenloser Ingoranz sprechen. Ob Handy, PDA, Computer, Xbox und Playstation: Wenn Mensch und Maschine interagieren, dann gibt das digitale Gegenüber die Spielregeln vor.

Da ist die Neugierde gross, wenn ein Gadget namens 20Q von Radica behauptet, Gedanken lesen zu können und damit nicht weniger als einen Paradigmenwechsel im digitalen Universum postuliert. Das Gerät ist so gross wie ein Apfel, hat ein pixeliges Display für eine Laufschrift in Rot und eine Knöpfe und gibt vor, mentale Fähigkeiten zu besitzen. Die Versuchsanordnung ist die: Mensch denkt an einen Gegenstand und Gadget will diesen erraten. Allerdings, allein durch sein gspüriges Wesen kommt der Mentalball dem gedachten Begriff nicht auf die Spur. Das Gerät stellt neugierig Fragen, die man mit «Ja», «Nein», «Manchmal» und «Weiss nicht» zu beantworten hat. Einfachere Aufgaben bewältigt 20Q mit Bravour und errät sowohl den Hund wie auch den Film. Mit rund zwanzig Fragen kommt das Gerät dem Menschen auf die Schliche, wobei die Fragestrategie als durchaus geschickt einzuordnen ist: Mit scheinbar harmlosen Fragen vermag 20Q das Wesen des zu erratenden Gegenstandes einzugrenzen, dass es einen eindeutigen Tipp abgeben kann. Versucht man, auf gleichem Weg seinem Gegenüber ein Geheimnis zu entlocken, dann merkt man schnell, dass das gar nicht so einfach ist.

Natürlich ist die Versuchung gross, 20Q auf den Holzweg zu führen. In unserem Fall sollte das durch einen moderat unprüden Gedanken geschehen. 20Q entzog sich dieser schlüpfrigen Nagelprobe, indem es den (übersinnlichen) Geist aufgab und die Hellseherei unvermittelt einstellte. Ob ein banaler Defekt den Zweideutigkeitstest vereitelte oder Q20 einen Selbstzerstörungsmechanismus auslöst, wenn es den Braten riecht, könnte vielleicht eine Obduktion klären. Oder die Konsultation eines der vielen Fernheiler, die in der Boulevardpresse inserieren.

Quelle: Newsnetz, Mittwoch, 7. September 2005

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