Telefonzukunft bringt Kabelsalat

Wie man günstig per Internet Ferngespräche führt, ohne auf den Komfort des Festnetztelefons zu verzichten.

Von Matthias Schüssler

Für die einen ist Skype eine der heissesten Technologien, die in der letzten Zeit dem Cyberspace entsprungen sind. Mit ihr telefoniert man konkurrenzlos kostengünstig. Anrufe, gleichgültig, ob ins Nachbardorf oder um den halben Erdball, laufen übers Internet und verursachen keine teuren Gesprächsgebühren.

Andere können dem Skype-Hype nichts abgewinnen. Das Sparpotenzial bestreiten zwar auch die Skeptiker nicht, doch es ist ihnen nicht Grund genug, auf die einfache Handhabe des guten alten Fernsprechers zu verzichten. Das Festnetztelefon, wie es schon die Grossmutter kannte, ist zuverlässig und unschlagbar einfach zu bedienen. Und man braucht keinen Computer hochzufahren, um ein Gespräch zu führen.

Es gibt indes Mittel und Wege, auch mit den vorhandenen Telefonapparaten die Möglichkeiten des Voice over IP (Sprachübertragung per Internet) zu nutzen. Digitale Telefonzentralen fungieren als Bindeglied zwischen alter und neuer Welt. Diese hängen per ADSL oder Hispeed am Internet und haben gleichzeitig Verbindung zum herkömmlichen Telefonnetz. Die Telefonzentralen wickeln Anrufe ab, die per Festnetz eintreffen, und eröffnen ebenso Zugang zu billigen Internetdiensten.

Mit dem alten Hörer in die neue Ära

Wie das in der Praxis funktioniert, zeigt ein Test einer Telefonzentrale von Epygi, die für 498 Franken im Fachhandel erhältlich ist (Infos: www.oss-services.ch). An ihr lassen sich alte Analogtelefone anhängen – der Hörer, den man sich nach Installation des Quadro ans Ohr hält, bleibt sich gleich. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, moderne IP- bzw. SIP-Telefone zu verwenden. SIP steht für Session Initiations Protocol und bezeichnet die Technik, mit der Gespräche nicht über die Telefonlinie, sondern über ein Computernetzwerk (Ethernet-Kabel) übertragen werden.

Die Quadro-Zentrale ist ein kleines Kommunikationswunder. Es beherrscht Funktionen, die bislang grossen Unternehmen vorbehalten waren: Es ermöglicht interne (kostenlose) Gespräche von einem Hausapparat zum anderen. Es hat Ringruf- und einen digitalen Anrufbeantworter, führt Konferenzgespräche oder parkt Anrufe in der Warteschlaufe, leitet Gespräche weiter und zeigt Statistiken über alle Anrufe. Gedenkt man einen Anruf zu tätigen, legt man über eine interne Vorwahl fest, ob es übers Internet oder das Festnetz läuft. Bestimmte Anrufe, zum Beispiel auf Notfallnummern, werden immer über das normale Telefonnetz abgesetzt.

Eine Linie, mehrere Gespräche

Führt man seine Gespräche über das Internet, können mehrere Leute gleichzeitig sprechen – die Zahl der parallelen Anrufe wird nur durch die Kapazität der Internetverbindung begrenzt. Über einen so genannten SIP-Anbieter kann man per Internet auch normale Festnetz- oder Handyanschlüsse erreichen: Dazu ist aber ein SIP-Provider nötig, der die Gespräche am Zielort ins Fest- oder Mobilfunknetz leitet.

Nutzen lassen sich alle diese praktischen Funktionen erst nach geglückter Installation. Zuerst kämpft man mit Kabelverhauen und der Konfiguration und muss sich mit Netzwerkeinstellungen und IP-Adressen herumschlagen. Der Test des TA zeigte, dass die Hürden bei der Einrichtung hoch sind: Nachdem die Geräte liefen, galt es, störende Echos auf ein Minimum zu reduzieren und das Problem der «Einwegverbindung» zu beheben, bei der man seinen Gesprächspartner zwar versteht, selbst jedoch kein Gehör findet. Immerhin: Für den Megatrend Internettelefonie gibt es inzwischen eine Reihe von Fachbüchern, die Aufklärungsarbeit zu Technik, Installation und Problemlösung liefern.

Noch nicht alltagstauglich

Aus Sicht der Konsumenten ist Voice over IP (kurz: VoIP) ein Segen. Das Telefonieren per Internet ist eine valable Alternative zu teuren Minutenpreisen, die man Telekommunikationsanbietern für internationale Gespräche zu bezahlen hat. Es eröffnet eine Wahlmöglichkeit zu undurchschaubaren Tarifmodellen und bringt mehr Unabhängigkeit. Doch bislang mangelt es den Geräten an der Benutzungsfreundlichkeit. Auf das Unterfangen sollte sich nur einlassen, wer über das nötige Fachwissen verfügt oder gewillt ist, sich in die Materie einzuarbeiten. KMU-Betriebe, die Ressourcen für die Betreuung einer Internet-Telefonanlage haben, eröffnen sich so ein Sparpotenzial. Für Privatanwender, die nicht übermässig unter der monatlichen Telefonrechnung leiden, ist es vorerst einfacher, von Fall zu Fall die Ferngespräche per Skype zu führen.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 5. September 2005

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Thema: Zweitgeschichte Internettelefonie
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