Eine verhaltene Office-Offensive

Morgen Dienstag erscheint Office 2003. Microsofts neues Büropaket eignet sich bestens für die grossen Unternehmen, doch die Kreativen kommen zu kurz.

Von Matthias Schüssler

Microsoft Office hat weltweit 300 Millionen Benützer und ist die am weitesten verbreitete Anwendersoftware überhaupt. Der Softwaregigant hat diesen Massenmarkt fest im Griff – doch vor allem mit den alten Versionen seines Büropakets. Das Beratungsunternehmen Giga Information Group ermittelte im Februar dieses Jahres für Microsoft nicht eben schmeichelhafte Zahlen: Die aktuelle Version, Office XP, läuft gerade mal auf 11,4 Prozent der PCs. Die Hälfte aller Arbeitsstationen ist mit Office 2000 vertreten, und das sechs Jahre alte Office 97 ist für 33 Prozent der Anwender nach wie vor gut genug. Der Rest, gut 5 Prozent, geht an die Konkurrenz. Microsoft selbst gibt keine Zahlen bekannt.

Dass Microsoft die Kundschaft nur schwer zum Aufdatieren der Bürorechner bewegen kann, vermag nicht zu erstaunen. Office XP, im Mai 2001 lanciert, brachte gelungene Verbesserungen an der Oberfläche, ansonsten hauptsächlich Marketing-Brimborium und uneingelöste Versprechen: Eine «eXPierience», d. h. ein Erlebnis, war Office XP nicht. Office 2000 ging Mitte 1999 mit vielen Onlinefunktionen an den Start, war aber trotz boomendem Internet kein Trendsetter. So kommt es, dass sich in privaten Schreibstuben und KMU-Büros selbst mit Office 97 trefflich tippen und tabellenkalkulieren lässt.

Vorab die Unternehmen profitieren

Mit durchaus gelungenen Funktionen, von denen jedoch nicht alle Anwendergruppen gleichermassen profitieren. Microsoft hat viele Detailverbesserungen eingebracht, darunter durchdachte Dinge wie die neue Bildschirmaufteilung in Outlook. Doch die zentralen Neuerungen sind auf die grossen Firmen zugeschnitten. Beispiel XML: Mit der Extensible Markup Language zirkulieren die Daten viel freier.

Mit XML ist es möglich, Geschäftsdaten direkt aus zentralen Datenspeichern des Unternehmens abzurufen und aktuell in Tabellenkalkulationen oder Berichten zu verwenden. Über den XML-Export lassen sich in Office gespeicherte Informationen in jedem XML-fähigen Programm weiterverarbeiten. Eine weit reichende Möglichkeit, da in näherer Zukunft bald jede Software XML «sprechen» wird (siehe Seite 37). Office 2003 ist so offen wie keiner seiner Vorgänger. Diese Fähigkeit bleibt aber den Käufern der Professional-Version vorbehalten.

Die Kreativität kommt zu kurz

Für kleine Unternehmen und Privatanwender bringt Office 2003 unter dem Strich wenig Neues, das Update rechnet sich nicht. Das müsste nicht sein, denn Microsoft hat mehr Ideen, als in der Office-Box stecken. Ein neues Programm namens OneNote überzeugt auf Anhieb: Es handelt sich um einen digitalen Notizblock, mit dem sich Ideen festhalten und Informationen sammeln lassen. Anders als Word zwingt OneNote den Benutzer nicht, seine Gedanken linear zu strukturieren und auszuformulieren. Man darf beim Brainstorming Unausgegorenes aufs (digitale) Papier werfen und kann es hinterher nach Belieben ordnen und strukturieren. Das Programm unterbricht die «Hirnstürme» nicht mit Speicherdialogen. OneNote trägt das Label «Office System 2003», mit dem eng ans Büropaket angelehnte Produkte bezeichnet werden. Gekauft werden muss es aber separat.

Schade, denn es wäre eine optimale Ergänzung zu Word, Excel, Powerpoint und Co. Büroarbeit besteht nicht nur aus Tippen, Rechnen und Datenschieberei, sondern, im Idealfall, auch aus kreativer Denkarbeit.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 20. Oktober 2003

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