Die Spiele-Industrie hat einen Ruf zu verlieren

Den Game-Herstellern ist nicht wohl, wegen Kriegsspielen im Schussfeld der Kritik zu stehen.

Von Matthias Schüssler

Welche Ereignisse im Weltgeschehen bringen die Spielehersteller dazu, Titel auf Eis zu legen oder gar nicht zu publizieren? Obwohl die Anschläge am 11. September aus heiterem Himmel kamen, reagierten damals verschiedene Hersteller prompt, änderten ihre Titel ab oder verzichteten vorerst auf die Veröffentlichung.

Zu Beginn des Irak-Krieges geschah das nicht. Das umstrittene, in einer als der Irak erkennbaren Landschaft spielende Game «Command & Conquer» kam auf den Markt – trotz des Krieges oder erst recht? Der Vertreter des Herstellers Electronic Arts, Stefan Meyer, wehrt sich gegen die Unterstellung böser Absicht: «Wir haben nicht mit dem Kriegsausbruch gerechnet.» Meyer verneint auch, dass die Sensibilität des amerikanischen Mutterhauses allein durch schlimme Ereignisse im eigenen Land geweckt werde: «Die Amerikaner haben grundsätzlich weniger Probleme mit Gewaltdarstellungen, dafür mit Sex.»

Andere Hersteller sehen das anders. Roger Frei von Sony Computer Entertainment Switzerland hat «kein Verständnis für die Veröffentlichung von Kriegspielen während des heutigen Weltgeschehens». Jedoch hält Sony die öffentliche Diskussion für einseitig: «Die Schweiz lässt weiterhin Waffenexporte zu. Da ist es Doppelmoral, wenn man vereinzelt mit dem Finger auf die Unterhaltungsindustrie zeigt.»

Das Genre der Kriegsspiele halten die Gamefabrikanten grundsätzlich nicht für fragwürdig. Yannick Theler von Ubisoft ist gegen die Thematisierung realer Konflikte, doch fiktionale Szenarien seien eine Reflektion des Lebens, einschliesslich des Krieges. «Unser ‹Tom Clancy’s Ghost Recon› gibt Spielern eine Ahnung von einer realistischen Schlachtfeldsituation.»

Die Produktion von Spielen mit gewalttätigem Inhalt wird also weitergehen – aber mit mehr Fingerspitzengefühl. Wer wie Electronic Arts Unterhaltung für die ganze Familie verkaufen will, hat einen Ruf zu verlieren.

BILD PD

Auf Eis: Im September 2001 war «Twisted Metal Black» zu umstritten.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 7. April 2003

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Thema: Zweitgeschichte
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