MONITOR

Von Nummern und Fürzen

Von Matthias Schüssler

Überall blühen Kunstwörter, nur Software hat langweilige Namen. Der Grund für diese Nüchternheit liegt nicht darin, dass grosse Softwarehäuser sich keine exklusive «naming agency» leisten können. Und es ist auch nicht so, dass die Begriffssynthetiker aus den Marketingabteilungen um ein Buzzword verlegen wären. Nein, wer Gewinn bringend Software verkaufen will, hat um jeden Preis die Verschüchterung der Kundschaft zu vermeiden. Je mehr komplizierte Features ein Programm hat, desto simpler muss sein Name sein.

Eine Softwarebezeichnung besteht neben Namen aus einer angehängten Versionsangabe. Bei den ersten Produktgeneration ist das eine hoffnungsvolle Zahl, die bei eins beginnt und ein unendliches Entwicklungpotenztial vermuten lässt.

Nicht so bei Microsoft: Dieser Softwarekonzern will nicht Kontinuität, sondern Quantensprünge signalisieren, und brave Nummerierung in Einerschritten ist nicht der Stil des Hauses. Eine zweistellige Zahl würde die Käufer mehr beeindrucken, glaubte man bei der Lancierung von Office 95, und im Vorfeld der Millenniumhysterie hielten die Redmonder Office 2000 für eine gute Wahl. Man kanns auch anders sehen, denn die Jahreszahl drückt dem Produkt ein Verfallsdatum auf und verliert nach 365 Tagen den letzten Reiz. Zeitloser Pep sollte die Abkehr von den Zahlen und ein hippes Kürzel bringen: Office XP versprach «eXPerience», war aber auch nur zum Arbeiten da.

Mitte Jahr wird die nächste Version des Büropakets erscheinen, dessen definitiven Namen Microsoft letzte Woche enthüllte. Microsoft hat genug von nomenklatorischen Experimenten. XP verpufft als modischer Furz. «.Net», ehemals Lieblingskind der Redmonder, ist aus Rang und Traktanden gefallen. Office 11 wird das Produkt auch nicht heissen, wahrscheinlich, weil bei dieser Versionszahl der Schritt zur Dutzendware nur winzig wäre. Nein, Microsoft ist zu den langweiligen Jahreszahlen zurückgekehrt. Office 2003? Wie fad und fantasielos! Da kommt keine Vorfreude auf.

Namen sind auch in der Welt der Software Schall und Rauch und gleichwohl enthüllend. Man drückt sich um die Zählerei, weil die zehnte, elfte oder zwölfte Version nurmehr Stagnation suggeriert. Ist doch eh Hans was Heiri, könnte sich die Kundschaft sagen und das Update bleiben lassen. Falsch wärs nicht. Es ist an der Zeit, Office sterben zu lassen und die Welt endlich mit einem verblüffenden, revolutionären Konzept zu beglücken.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 17. März 2003

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