Superscheiben im Heimbrand

DVD-Brenner kosten nicht mehr alle Welt – im «Krieg der Formate» die Übersicht zu gewinnen, kostet Nerven.

Von Matthias Schüssler

Eigene CDs zu fabrizieren, ist mittlerweile ein Kinderspiel. Fast jeder moderne Computer ist für den Scheibenbrand gerüstet. Unbespielte Speichermedien gibts spottbillig im Fünfzigerpack, und viel mehr als ein paar Mausklicks verlangt die Brennsoftware dem User nicht ab. Nach spätestens einer halben Stunde darf die fixfertig gebrannte CD dem Laufwerk entnommen und ihrer Bestimmung zugeführt werden.

Da könnte man erwarten, dass die Produktion eigener DVDs genauso simpel ist. Doch dem ist nicht so. Wer eigene Digital Versatile Discs brennen will, muss sich zunächst mit der verwirrlichen Ausgangslage auseinander setzen. Drei Lager buhlen um die Gunst der Brandmeister. Im «Krieg der Standards» stehen sich DVD-RAM, DVD+RW (sprich: «plus RW») und DVD-RW («minus RW») gegenüber.

Das älteste Format ist die DVD-RAM. Sie wurde von Toshiba, Hitachi und Panasonic entwickelt und macht nur im Profibereich Sinn: Normale DVD-Spieler können mit diesen Medien nichts anfangen, das heisst nicht auf die gespeicherten Inhalte zugreifen.

Heimanwendern bleibt die Wahl zwischen -RW und +RW. Beide Normen haben den Anspruch, kompatibel zu vorhandener Hardware zu sein. Das bedeutet, dass sich die selbst gebrannten Scheiben in DVD-Drives von PCs und Macs lesen lassen und, wenn sie mit digitalem Video bespielt wurden, auch in der Heimcinema-Anlage, der Xbox oder einer Playstation 2 wiedergegeben werden können. Diese Ambition erfüllen beide Konkurrenten leidlich, wie Fachzeitschriften melden. «Tagi»-Tests bestätigen die Aussage. Sowohl auf einem Stand-alone-DVD-Player als auch in der Xbox und der PS-2 lief unsere selbst gefertigte Filmscheibe. Mühe mit DVDs der Marke Eigenbrand dürften am ehesten Abspielgeräte älterer Bauart haben, die eventuell durch eine Auffrischung der internen Software kompatibel gemacht werden können oder im schlechtesten Fall ersetzt werden müssen.

Allgemein verträgliche Eigenbrände

Die grösste Aussicht auf Erfolg hat man mit einmal beschreibbaren Rohlingen; sie tragen ein «W» für «writeable». Bei Datenträgern, die gelöscht und mehrfach beschrieben werden können (Kennung «RW» für «rewritable»), sind die Chancen nicht ganz so gut. +RW-Scheiben lassen sich in den meisten Wiedergabegeräten nutzen, während die Akzeptanz von RW-Medien laut Fachzeitschrift «Chip» Glückssache ist.

Ratloses Verkaufspersonal

Für den Konsumenten bringt die Formatvielfalt keine Vorteile, sondern stiftet vor allem Verwirrung. Die Elektronikhändler sind mit der Beratung überfordert – wie Stichproben zeigen, sind die meisten Verkäufer nicht über die Vielfalt der Formate informiert. Da sich nur die zum jeweiligen Brenner passenden Scheiben brennen lassen, muss der Kunde wissen, was er braucht. Und wo er es kriegt: DVD-R/-RW-Rohlinge sind bis dato in den meisten Elektronikdiscountern zu haben, die günstigsten für 7 Fr. das Stück. Wer DVD+RW- oder das speziell rare DVD+R-Brennmaterial sucht, muss unter Umständen diverse Geschäfte abklappern oder per Internet ordern: Eine grosse Auswahl an Fabrikaten gibts bei www.arp.ch oder www.steg.ch. Unter 12 Franken pro Stück wird man bislang nicht fündig werden.

Der «Krieg der Formate» findet also nicht zum Wohl des Konsumenten statt, sondern weil es um die Vorherrschaft bei einer Schlüsseltechnologie geht: Die beschreibbare DVD wird spätestens in zwei Jahren der universelle Datenträger sein – und das nicht nur im Computerbereich, sondern gleichermassen bei der Heimelektronik. Die Videorecorder der digitalen Generation arbeiten an Stelle von Magnetköpfen mit einem Laserstrahl. Die Technologie, die sich durchsetzt, bringt dem Erfinder nicht nur Prestige, sondern auch «royalties», sprich Lizenzeinkünfte.

Die Initiative gegen die Allianz

Hinter dem «Plus»-Standard stehen unter anderen CD-Erfinder Philips, Sony, HP und Yamaha. Sie haben sich zu der DVD+RW Alliance zusammengeschlossen, auf deren Seite sich auch Microsoft und Dell geschlagen haben.

Die Gegenseite formiert sich unter dem Dach der RW Products Promotion Initiative (RWPPI). Treibende Kraft ist Pioneer, und für die Verbreitung der CD-R-Brenner im Computerbereich hat bislang vor allem Apple mit den entsprechend gerüsteten i- und Powermacs gesorgt. Die RW-Initiative geniesst zudem die Rückendeckung des zuständigen Industrieforums und darf stolz das DVD-Logo tragen – auf Scheiben des Plus-Formats sucht man es vergeblich. Experte Albrecht Gasteiner vom DVD-Forum Schweiz zum «Krieg der Formate»: «Der Wirrwarr wird sich auf unspektakuläre Weise lösen.» Doch derzeit ist der Ausgang offen.

Für Computeranwender ist DVD+RW dank schnelleren und sehr sicheren Brennvorgängen im Vorteil. Beim «Tagi»-Test schrieb der rund 900 Fr. teure HP-Brenner dvd200i DVDs ohne Komplikationen mit 4,7 GB voll und brauchte dazu jeweils nur gut 20 Minuten. Bei der «Vorzeichenfrage» herrscht Unklarheit, aber die Geräte selbst machen einen ausgereiften Eindruck.

Heimanwender dürfen abwarten, auf dass die Zeit Klarheit und tiefere Preise bringen werde. Mit grossen Datenmengen konfrontierte Poweruser lernen die beschreibbare DVD schon jetzt als flexibles Speichermedium mit riesigem Fassungsvermögen schätzen.

Weitere Informationen und Listen der kompatiblen Wiedergabegeräte:

RW Products Promotion Initiative (RWPPI):
www.rwppi.com

DVD+RW Alliance:
www.dvdrw.com

Viele Infos bietet auch das unabhängige DVD+RW-Forum:
www.dvdplusrw.org


Datenspeicher im XXL-Format

Bei den DVDs zum Selbst-Beschreiben gibt es drei verschiedene Stossrichtungen, die nicht alle untereinander kompatibel sind.

  • RW Products Promotion Initiative (DVD-R)

    Hinter dem DVD-R/-RW Standard stehen hauptsächlich Pioneer und Sharp. Für diesen Standard haben sich Apple und Compaq ausgesprochen.

    DVD-RDVD-R-Rohlinge («DVD minus R») sind einmal beschreibbar und lassen sich auf fast allen herkömmlichen DVD-Playern wiedergeben, also sowohl von Stand-Alone-Geräte für den Fernseher als auch von DVD-Lesewerken im Mac oder PC.

    DVD-RWDiese Medien sind bis tausend Mal wiederbeschreibbar. Ob diese Scheiben von normalen DVD-Laufwerken erkannt werden, ist Glückssache. Erschwerend kommt hinzu, dass der Brennvorgang relativ lange dauert.

  • DVD-RW Alliance

    Unter dem Namen «DVD+RW Alliance» haben sich unter andern Hewlett Packard (HP), Philips und Sony zusammengeschlossen. Die Allianz setzt sich für ein beschreibbare DVD mit bestmöglicher «Konvergenz» zwischen Heim- und PC-Elektronik. Auch Microsoft und Dell haben sich inzwischen für DVD+RW entschieden.

    DVD+RWDVD+RW («DVD plus RW») sind mehrfach beschreibbare Rohlinge mit guter Kompatibilität zu Lesegeräten im Heimelektronik- und PC-Bereich. Auch die wiederbeschreibbaren Medien lassen sich in den meisten Lesegeräten wiedergeben; Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Brenner dieses Typs unterstützen ferner eine höhere Brenngeschwindigkeit als die «Minus-RW-Konkurrenz. Nachteil: Die Rohlinge sind noch teuer und teilweise schwer erhältlich.

    DVD+RBei den einmal beschreibbaren DVDs bietet die +R-Variante eine noch bessere Verträglichkeit mit anderen DVD-Drives. DVD+R-Medien sind teuer und rar und nicht alle Brenner können Einwegrohlinge bebrennen

  • DVD-RAM

    Der älteste Standard für wiederbeschreibbare DVDs wurde von Hitachi, Toshiba und Panasonic entwickelt. Da nur andere DVD-RAM-Laufwerke mit DVD-RAM-Medien etwas anfangen können, kommt diese Nischenlösung für Heimanwender nicht in Frage.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 29. Juli 2002

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