JPEG 2000 als Nachfolger von JPEG

Newcomer im Rennen um den Grafikstandard

JPEG 2000 ist seit Anfang Jahr 2001 ein neues Standard-Grafikformat: Es soll bessere Qualität selbst bei hoher Komprimierung gewährleisten und mittelfristig JPG ablösen. Was ist JPEG 2000 und wie bewährt es sich beim Einsatz mit PhotoImpact 7.0?

MATTHIAS SCHÜSSLER Gibt es etwas Langweiligeres als Dateiformate? Es handelt sich dabei um einen technischen Standard, der die Art und Weise definiert, wie eine Software ihre Informationen auf einem Datenträger speichert und wieder laden kann – im Fall der Grafiksoftware soll aus einem Datenstrom wieder eine farbige Darstellung auf dem Bildschirm werden. Dieses Thema ist für Informatikstudenten interessant, müsste man meinen, oder für Leute, die bei Adobe oder Microsoft arbeiten. Die Normal­be­völ­kerung kümmert das Thema Dateiformate etwa so viel wie der berühmte Reissack, der in China umkippt.

Irrtum – wie ein Dateiformat die Welt bewegen kann, hat MP3 bewiesen. MP3 ist ein Wirtschaftsfaktor, ein Zankapfel für die Juristen, Objekt der Leidenschaft für Napster-Fans und zentrales Element bei MP3-Walkmen, musikfähigen Handys und PDAs, Hoffnungsträger für Apple und den iPod und vieles mehr. Ähnliches gilt für MPEG2 im DVD-Bereich und auch das Internet wäre nicht das Internet, hätte nicht die Joint Photographic Experts Group Mitte der Achtzigerjahre JPEG definiert und 1991 als ISO-Standard etabliert: Es gäbe kaum Webseiten mit fotorealistischen Bildern. Die zu übertragende Datenmenge wäre schlicht zu gross für diesen Luxus. Und ob das Internet, bestehend aus nackten Textseiten, so schnell gewachsen wäre, darf bezweifelt werden.

Klötzchen sind ein Klotz am Bein

Dateiformate sind zwar eine hochtechnische Angelegenheit, doch von eminenter Wichtigkeit. Das JPEG-Format komprimiert fotorealistische Grafiken, also Bilder mit einem Farbumfang von 16,7 Millionen Nuancen, d.h. jeweils 8 bit für jede der drei Farben Rot, Grün und Blau. Die Kompressionsrate ist variabel und abhängig von der Qualität, die für das komprimierte Bild gewünscht wird. JPEG ist ein «lossy», d.h. verlustbehaftetes Format: Ein mit JPEG exportiertes Bild entspricht beim Öffnen nicht mehr zu hundert Prozent dem Original. Um die Datenmenge zu verkleinern, reduziert der Algorithmus den Detailreichtum des Bildes und berücksichtigt dabei Eigenheiten des menschlichen Auges. Unscharfe Bildbereiche werden mit weniger Daten beschrieben als detailreiche Partien. Um dies zu bewerkstelligen, wird das Bild während des Komprimierens in Blöcke von 8×8 Bildpunkten zerlegt (selten auch 16×16 Punkte). Dieser Vorgang nennt sich «transformieren». Diese Transformation lässt sich bei stark komprimierten JPEG-Bildern leicht erkennen: Es entstehen die typischen, klötzchenförmigen JPEG-«Bild­stö­run­gen». In einem zweiten Schritt wird für jeden Block entschieden, ob er «wichtige» Informationen enthält oder etwa einen unscharfen, verschwommenen Ausschnitt darstellt, der wenig Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht. Beim «Quantisieren» findet die eigentliche Reduktion des Bildreichtums statt. Vereinfacht kann man sich das als «Abrunden» vorstellen, bei dem Werte unter einer bestimmten Schwelle, welche nur wenig zum Nuancenreichtum des Bildes beitragen, auf Null gesetzt werden. Die über der Schwelle liegenden Zahlenwerte werden, ebenfalls zum Zweck der Datenreduktion, gerundet.

Je nach Quantisierungsfaktor verringert sich so die Zahl der zu speichernden Bits mehr oder weniger. Im dritten Schritt, dem «Codieren», geht es darum, die erhaltenen Zahlenwerte möglichst effizient im Datenstrom zu speichern. Das Resultat ist eine um den Faktor zehn, zwanzig, hundert oder sogar zweihundert kleinere Datei, die sich leicht per Internet übertragen lässt und den je nach Einsatzgebiet höheren oder tieferen Qualitätsbedürfnissen vollauf genügt.

Das JPEG-Format hat gleichwohl seine Mängel. Besonders die durch die Transformation entstehenden Klötzchen sind bei grossen Zoomstufen zu erkennen, selbst wenn die Datei nicht sehr stark komprimiert wurde. Die wissenschaftliche Bezeichnung für diese nicht mehr nahtlos aneinander passenden «Puzzleteile» lautet Gibbsches Phänomen. Und ab einer gewissen Kompressionsrate verunstalten diese Effekte das Bild richtiggehend und sind selbst für die Verwendung im Internet zu stark. Ein weiteres Problem ist die unverbindliche Farbdarstellung, die etwa beim Austausch zwischen Mac und Windows zu Farbverfälschungen führen kann.

Seit zwei Jahren ist der Nachfolger bestimmt

Die International Organization for Standardization (ISO) hat das Format «JPEG 2000» am 2. Januar 2001 zum Standard erklärt. Die Universität von British Columbia, das Unternehmen Image Power sowie die ISO waren an der Entwicklung beteiligt, die wesentliche Verbesserungen bringen soll. Folgenden Punkten galt besonderes Augenmerk:

  • Das Format kann verlustbehaftet und verlustfrei komprimieren
  • «Regions of Interest»: Wichtige Bildbereiche sind in höherer Auflösung abgelegt oder verlustfrei komprimiert, während die unwichtigen Bildbereiche niedrigere Auflösungen und starke Komprimierung haben können
  • Für die Verwendung auf mobilen Geräten (Stichwort UMTS) kommen besondere Fehlerkorrekturmethoden zum Einsatz («Resynch-Marker»)
  • Bessere Kompressionsleistung, selbst wenn stark komprimiert wird (ab einer Kompression von 100:1 oder stärker)
  • Niedriger und berechenbarer Speicherbedarf beim Codieren und Decodieren
  • Grössere Farbtreue (ICC-Farbprofile), Unterstützung höherer Farbtiefen und grösserer Bildabmessungen
  • Unterstützung von Alphakanälen
  • Urheberrechtsschutz: Wasserzeichen und weitere Sicherheitsmerkmale sollen den unbefugten Gebrauch verhindern
  • Metadaten (Zusatzinformationen)
  • Lizenz- und patentfrei

Das neue technische Verfahren bei JPEG 2000 erfordert keine Zerlegung in Blöcke mehr, sondern beschreibt das Bild in seiner Gesamtheit. Bei der Verabschiedung des Standards im Dezember 2000 entschied sich das JPEG-Komitee für die (Achtung, Zitat!) «diskrete Wavelet-Transformation auf der Basis einer 9/7-Daubechie-Wavelet-Funktion für die verlustbehaftete (lossy) Kompression und eines symmetrischen 5/3-Filters für die verlustlose (lossless) Kompression».

Zerlegung in Wellen in mehreren Schritten

Mathematiker haben die Grundlagen der Wavelet-Transformation in den Dreissigerjahren entwickelt. Der Begriff Wavelet steht für eine Klasse von Funktionen, die an Sinuskurven erinnern. Bei der Komprimierung filtert die Wavelet-Transformation ein Bild schrittweise in gröbere Bildstrukturen heraus, indem bei jedem Schritt jeweils jede zweite Bildzeile und spalte entfernt wird. Bei jedem Durchlauf werden durch ein Hoch- und Tiefpassfilter die detailreichen von den gleichförmigen Bild­elementen getrennt; man nennt dies «Subband-Coding». Durch diese Vorgehensweise lässt sich jedes Bild jeweils entsprechend der gewählten Kompressionsstufe mathematisch, also durch die Wavelet-Basisfunktionen, beschreiben. Zu diesem Zweck müssen die Wavelet-Funktionen so auf dem Bild platziert und skaliert werden, bis sie das Bild angemessen repräsentieren.

Unscharf oder schummrig

So weit, so unklar. Auch hier kann ein sehr stark komprimiertes Beispielbild die Theorie erhellen. Auch bei einem sehr stark komprimierten JPEG-2000-Bild sind keine Klötzchen zu erkennen (siehe Kasten). Das Bild wirkt auch bei grossen Zoomstufen einigermassen ansehnlich, auch wenn sich die weggerechneten Daten selbstverständlich bemerkbar machen. Durch den Einsatz der Wellenfunktionen wirkt das Bild etwas unscharf, vor allem in den gleichförmigen Bereichen. Bei noch stärkeren Kompressionsraten vermag auch ein JPEG-2000-Bild nicht mehr zu überzeugen; die Bilder beginnen, «schummrig» zu wirken und entlang von harten Kanten werden Störungen erkennbar, die wie wellenförmige Verwischungen wirken. Dennoch wirkt der Effekt verblüffend natürlich und längst nicht so störend wie die JPEG-Artefakte.

Bislang können die wenigsten Programme mit JPEG 2000 umgehen. Wer das Format mit Photoshop testen möchte, kann sich bei der Berliner LuraTech GmbH mit einem Plug-In eindecken. Die erste kommerzielle Grafiksoftware, welche JPEG 2000 von Haus aus unterstützt, ist PhotoImpact 7.0. Mit dem Ulead-Produkt haben wir das Format getestet. Der Optionendialog in PhotoImpact verlangt die Entscheidung, ob verlustfrei oder verlustbehaftet komprimiert werden soll. Wählt man das Zweite, kann man die Komprimierungsstufe entweder nach Bitrate oder nach Qualität wählen. Als Erstes fällt auf, dass das Speichern und Öffnen von JPEG-2000-Bildern (Datei-Endung JP2) deutlich länger geht. Dies kann daran liegen, dass die Softwareentwickler die Routinen nicht in ähnlichem Mass optimieren konnten, wie das beim bestens bekannten JPEG-Format der Fall ist. In der Tat sind die JP3-Algorithmen enorm rechenintensiv.

Überaus positiv macht sich die verlustfreie Komprimierung bemerkbar: Während unser Demo-Bild als TIFF gespeichert mit der Standard-LZW-Komprimierung sogar grösser als das Original wird, kann JPEG 2000 fast zwei Drittel einsparen. Verlustbehaftet komprimiert, macht sich der neue Algorithmus erst ab grossen Komprimierungsstufen bemerkbar. Wählt man bei «Qualität» einen Wert von über 50, ist die JP2-Datei jeweils deutlich grösser als das JPG-Pendant (bei PhotoImpact bedeutet «100» beste und «1» minimale Qualität). Erst bei einer Einstellung von unter 50 speichert JP2 kompakter. Allerdings – und das ist entscheidend – können die Qualitätseinstellungen nicht direkt verglichen werden. Während in unserem Testlauf bei der Einstellung «Qualität 50» beim JPEG-Bild deutliche Abstriche gemacht werden müssen, liesse sich die JPEG-2000-Variante noch problemlos für den Druck einsetzen.

Subjektiv gesehen ist die Variante «JP2 mit der Einstellung 25» gleichwertig mit «JPG mit Qualität 50». So verglichen, spricht das sehr zugunsten des neuen Formats: Es kommt mit 68 kb aus, während sein Vorgänger 126 kb beansprucht.

Keine Gefahr im Verzug

Trotz der Vorteile von JPEG 2000, die im wortwörtlichen Sinn augenfällig sind, dürfte die Verbreitung auf sich warten lassen. JPEG 2000 ist nicht rückwärtskompatibel: Kein Programm kann es ohne entsprechenden Importfilter öffnen. Solange die Softwareunternehmen das neue Format nicht auf breiter Front unterstützen, macht dessen Einsatz keinen Sinn. Browser, Grafikprogramme, Tools – sie alle müssen erst auf das Wellenformat getrimmt werden. Das Beispiel PNG hat exemplarisch gezeigt, dass weder die Internetbenützer noch die Webdesigner oder die grafische Industrie Lust zeigten, von bewährten Standards abzurücken. Das «portable network graphic format» (sprich: «ping») ist eine hervorragende Alternative zu dem lizenzgeschützten GIF-Format, wurde längstens vom World Wide Web Consortium (W3C) abgesegnet und ist in den gängigen Browsern implementiert – und dennoch ist es im Web kaum anzutreffen.

Im Fall von JPEG 2000 macht sich der markant grössere Rechenaufwand beim Öffnen und beim Sichern negativ bemerkbar. Während ihm auf der Desktopebene die Gigahertz-PCs gewachsen sind, ist dessen Einsatz mit Digitalkameras oder mobilen Kleincomputern in Frage gestellt: Der Fotograf wird bei seiner Digicam der schnellen Reaktionszeit und dem geringeren Batterieverbrauch allemal das grössere Gewicht einräumen. JPEG 2000 hat auf solchen Geräten vorerst keinen Sinn. Dies bedeutet kein endgültiges Aus für das JP2-Format. Ein gewichtiger Mitspieler wird es erst längerfristig werden; ein Abrücken vom gewohnten JPEG ist im Moment nicht angesagt.

Bild mit Newcomer: Zu sehen ist ein Prototyp des Toyota-Formel-1-Boliden, mit dem der japanische Autokonzern 2002 in den Rennzirkus einsteigen will, und der Fahrer des Teams, Allan McNish. Die beiden anderen Newcomer: PhotoImpact 7 und das JPEG-2000-Format, in dem dieses Bild gespeichert wurde.

Die JPEG-2000-Speicheroptionen von Ulead PhotoImpact 7.0.

Quelle: Publisher, Mittwoch, 30. Januar 2002

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Thema: Software
Nr: 4257
Ausgabe: 02-1
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