Datenpakete versandbereit?

Die drei Schweizer Mobilfunkanbieter haben unterschiedliche Ideen zu GPRS und UMTS

Von Matthias Schüssler

Wann die Zeit reif ist für GPRS, darüber sind die drei Schweizer Mobilfunkanbieter geteilter Meinung: Orange startet an dieser Orbit mit dem General Packet Radio Service. Sunrise kann auf ihrem Netz schon seit letztem Dezember Datenpakete verarbeiten. Und die Swisscom will GPRS frühestens im vierten Quartal 2001 einführen.

Swisscom kann sich das Zuwarten leisten. Man betreibe eine Qualitätsstrategie, begründet Josef Huber den Umstand, dass die Swisscom das GPRS-Feld erst einmal den Mitbewerbern überlässt. Zwei Punkte müssen laut Pressesprecher Huber gewährleistet sein, damit die Marktführerin einsteigt: «Es müssen genügend Endgeräte verfügbar sein, und die Technologie muss stabil laufen.»

Die GPRS-Technologie läuft zwar auf dem bestehenden Netz und ohne neue Handy-Antennen. Dennoch sind die Anforderungen hoch. GPRS überträgt Computerdaten nach dem Prinzip der Paketvermittlung, analog zum Internet: Der Datenstrom wird in einzelne «Päckchen» aufgeteilt, von denen jedes sein Ziel quasi selbstständig findet. Dadurch können GPRS-Telefone jederzeit Pakete senden oder empfangen, ohne wie bei einer herkömmlichen GSM-Verbindung ständig «on air» zu sein.

Signalwirkung

Die Unterschiede zwischen GPRS und GSM sind grösser als zwischen GPRS und der dritten Handy-Generation UMTS. Daher kommt der Einführung eine Signalwirkung zu – und Swisscom will keine enttäuschten Kunden riskieren.

Sunrise-Pressesprecherin Monika Walser will sich nicht entlocken lassen, wie viele ihrer Kunden die neue Technik nutzten: «Es ist keine gigantische Zahl.» Es gebe erst wenige GPRS-Handy-Modelle, und diese seien absturzgefährdet. «Die Leute müssen sich erst daran gewöhnen, dass das Handy abstürzt wie der PC – und nicht Sunrise daran schuld ist.» Dennoch sei der Starttermin letzten Dezember richtig gewesen; Sunrise habe viele Erfahrungen sammeln können.

Die Mobilfunkanbieter sehen GPRS in erster Linie als Zugangstechnik. Zwar macht GPRS als mobile Standleitung ins Internet neue Dienste möglich. Dennoch warten die Betreiber nicht mit «Killerapplikationen» auf. Orange hat die bestehenden Dienste auf GPRS getrimmt. Beispiel: WAP gegen eine zeitunabhängige Grundgebühr. Auf dieser Basis «werden die bekannten Dienste einfacher», betont der Marketing-Manager Rolf Ziebold: WAP-Spiele oder das Abfragen und Versenden von E-Mails nennt Ziebold. Auch bei Swisscom würde GPRS eine «Evolution der bestehenden Dienste» zur Folge haben: Privatanwender könnten Instant Messaging betreiben, bei geschäftlichen Nutzern stehen Office-Lösungen oder die Anbindung ans Firmennetz (Intranet) im Vordergrund. Sunrise plant GPRS-exklusive Dienste; diese seien aber noch nicht spruchreif.

GPRS bringt auch neue Preismodelle. Wer mobil Daten überträgt, bezahlt nicht mehr nach Zeit, sondern nach Volumen. Bei Orange beispielsweise – die Lausanner nennen ihr GPRS-Angebot Orange Express Plus – kostet ein übertragenes Megabyte fünf Franken. Nach der Einführungsphase wird der Preis bei Nicht-Orange-Diensten zehn Franken pro Megabyte sein. Bei Sunrise bezahlen Pronto-Card-Besitzer 12 Franken, Abo-Inhaber 7.50 pro MB.

Unter dem Schlagwort «Event Based Billing» führt Orange einen Preisplan ein, bei dem weder nach Zeit noch nach Datenvolumen abgerechnet wird, sondern nach den angeforderten Leistungen. Neu ist diese Verrechnungsart indes nicht: SMS schlagen pro «Event» zu Buche, der Kunde berappt die verschickten Meldungen. Orange-Manager Rolf Ziebold nennt als Beispiel das Versenden von E-Mail via WAP, für das ein fixer Betrag zu entrichten wäre. Bei der Swisscom macht man sich noch Gedanken über das richtige Preismodell; Sunrise hält eine reine Volumenabrechnung für ausreichend, weil dies «immer die günstigste Variante ist», so Monika Walser.

Auch bei UMTS, dem Mobilfunknetz der dritten Generation, sind die Prognosen der Mobilfunkbetreiber vage. Swisscom will starten, wenn genügend Endgeräte verfügbar sind. Doch nicht allein davon wird die Markteinführung abhängen. Josef Huber rechnet mit beträchtlichen Problemen, weil die Bevölkerung mit Widerstand auf neue Antennen reagiert. Die Lizenz schreibt vor, dass bis Ende 2002 zwanzig Prozent der Bevölkerung UMTS-Zugang haben – was überspitzt formuliert mit «einer Antenne in Zürich» machbar ist. Dennoch glaubt Huber nicht an eine breite Lancierung bis 2002, sondern eher mit einem Testbetrieb. Gemäss Lizenz muss bis Ende 2004 die Hälfte der Schweizer UMTS nützen können.

UMTS: Verflogene Euphorie

Huber sieht inzwischen UMTS nicht mehr nur als Möglichkeit, Filmübertragungen oder andere Breitbandanwendungen zu etablieren, sondern nennt den Kapazitätsausbau als wichtigen Punkt: «Man hätte auch einfach die neuen Frequenzen versteigern können.»

Orange will sich nicht über einen Zeitplan äussern, äussert aber konkrete Visionen: Diese bringen, ganz im Sinne des Orange-Slogans «The future ist bright», schöne, neue UMTS-Zukunftsdienste für Autofahrer, Eigenheimbesitzer und jeden denkbaren Lebensbereich . . .

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 24. September 2001

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Thema: Orbit
Nr: 3627
Ausgabe: 01-924
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