Gefälscht authentisch

Von Matthias Schüssler

Der in Bewunderung entflammte Mensch hat es nicht einfach – unnahbar ist das Objekt der Begierde für den schmachtenden Fan. Um mit ihrer Leidenschaft nicht allein zu bleiben, errichten manche Fans ihrem Idol im Internet ein Denkmal. Wieso auch nicht? Der Cyberspace eignet sich hervorragend als Huldigungsort für die Showbiz-Berühmtheiten, denen die Anhänger in erster Linie medial-virtuell begegnen. Im World Wide Web gibt es Zehntausende von Fansites, und sie werden mit viel Liebe und Zeit gepflegt. Mancher «Webzine»-Macher wird insgeheim hoffen, dass sein Idol auf seine Site surft und eine Mitteilung im Gästebuch hinterlässt. Klar, denn wer kann sich vorstellen, dass Britney Spears kein Web-fähiges Laptop besitzt und Robbie Williams an einem verregneten Sonntag nicht ganz gern ein wenig «Ego-Surfing» betreibt?

Wahrscheinlicher als ein Mail vom Idol ist jedoch Post vom Anwalt. Die Betreiber von Fansites machen sich häufig der Urheberrechtsverletzung schuldig, indem sie sich Material von den offiziellen Web-Seiten besorgen. Filmstudios wie Fox oder Paramount gingen in der Vergangenheit immer wieder juristisch gegen Fans vor, welche Bilder, Töne oder Texte von der Simpsons- oder Star-Trek-Site geklaut hatten. Auch mancher Web-aktive Harry-Potter-Fan wurde aufgefordert, seine Seiten vom Netz zu nehmen. Der US-Medienkonzern Warner Bros. hat 1998 die globalen Rechte an der zauberhaften Geschichte gekauft und duldet keine Trittbrettfahrer.

Toleranter hingegen zeigte sich Sony Pictures, als der Film «Starship Troopers» in die Kinos kam. Die Fans erhielten grünes Licht, offizielles Bildmaterial auf ihren Homepages zu verwenden. Marketingdirektorin Rubenstein war der Ansicht, solche Web-Seiten würden dem Film nur helfen. Denn welche Lobeshymne ist glaubwürdiger als die eines «normalen» Kinogängers?

Die «Los Angeles Times» berichtete letzte Woche über einen Fall, bei dem ein Hollywoodstudio einen Designer anheuerte. Auftrag: Eine Fansite fälschen. «Ich habe böswillig alles vergessen, was ich über Gestaltung weiss», sagt der 34-jährige Grafiker laut «Los Angeles Times»: «Ich scannte Bilder aus Magazinen und kümmerte mich nicht um Typografie.»

Wieso Profis einsetzen, die Amateur spielen? Bald wird es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten käufliche Fans geben, die gegen Bezahlung x-beliebigen Idolen huldigen. Dass die Amis immer alles übertreiben müssen.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 2. April 2001

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Nr: 3615
Ausgabe: 01-402
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