Das Internet durch die B2B-Brille betrachtet

Die Internet-Expo ist 2001 annähernd doppelt so gross wie vor einem Jahr. 50 000 Internetprofis werden dieses Jahr in Zürich erwartet.

Von Matthias Schüssler

Orbit Home abgesagt – Internet-Expo mit neuem Ausstellerrekord: Während Messen für das «Turnschuhpublikum» einen schweren Stand haben, blühen Ausstellungen mit «B2B»-Ausrichtung. Das kommt nicht von ungefähr: Die Internetbranche zeigt sich enttäuscht von den Endkunden und ihrer mangelnden Bereitschaft, im Web Geld liegen zu lassen.

Ungebrochen sind die Erwartungen dagegen in die Macht des Internets, die Geschäftsbeziehungen zwischen den Unternehmen anzukurbeln und zu verbessern. Folgerichtig hat sich die Internet-Expo sich ganz den Erfolg versprechenden drei Buchstaben B2B («business to business») verschrieben. Geschäftliche Anwender, Marketing- und Vertriebsverantwortliche, Webmaster und Onlinepublisher, E-Commercler und Netzwerktechniker können sich vom 7. bis 9. Februar in der Messe Zürich über die neuesten Trends und Erfolgsgeschichten ins Bild setzen.

Neue Trends und Evergreens

Als Parole für die diesjährige Messe gibt der Veranstalter die lange, deswegen aber nicht unbedingt viel sagende englische Phrase «The next step in Internet business and IT solutions» aus. Zugegebenermassen ist es schwierig, das breit gefächerte Angebot der iEX auf einen Nenner zu bringen – sieht man die Liste der Aussteller, der Seminare und der angebotenen Lösungen durch, begegnet einem so in etwa jedes Schlagwort, dass in der letzten Zeit in der Internetwelt Furore gemacht hat: Neben den Dauerbrennern E-Commerce, Onlineplattformen und Webpublishing sind dieses Jahr B2B-Marktplätze in der Schweiz erstmals ein grosses Thema. Von der 2001 nicht mehr stattfindenden TeleNetCom «erbt» die iEX die Bereiche Netzwerktechnologie und Datensicherheit. Geschäftsanwender können sich bei den Ausstellern von ASP-Lösungen informieren, ob es für sie attraktiv ist, Software zu mieten, statt zu kaufen – alles Dinge, welche Privatanwender kalt lassen. Aus erster Hand gibt es Informationen über schnelle Internetzugangstechnologien. Neben DSL ist vor allem der Wireless Local Loop ein grosses Thema: Zum Beginn der Internet-Expo startet Callino in Teilen der Stadt Zürich ihr WLL-Pilotprojekt.

Die iEX bleibt in Zürich

Im Vergleich zum Vorjahr legte die Internet-Expo in allen Bereichen zu. Statt 390 Aussteller präsentieren sich 2001 560 Firmen dem Fachpublikum, was einer Zunahme von 42 Prozent entspricht. Die belegte Ausstellungsfläche stieg um achtzig Prozent auf 17 000 m2 – damit sind die Grenzen des Wachstums allerdings erreicht, denn heuer belegt die iEX alle sieben Hallen der Zürcher Messe. Dennoch will die Exhibit AG die Ausstellung in Zürich behalten und nicht nach Basel auszuweichen. Erwartet werden gegen 50 000 Besucher, letztes Jahr waren 36 000 Internetexperten nach Zürich gekommen.

Zuwachsraten kann der Veranstalter auch im Bereich der Seminare verkünden: Mit 87 Seminaren sei das Angebot der iEX grösser als das der im Mai stattfindenden Berliner Internet-Word, unterstrich Michael von Babo, Initiant der Internet-Expo und verantwortlich für die Fachkonferenz. Vom 5. bis 9. Februar (zwei Tage vor Beginn der Messe finden bereits so genannte «Pre Conferences» statt) gibt es Veranstaltungen in fünf Bereichen, wobei handfeste Informationen geboten werden (s. grosser Kasten).

Vorab konnte von Babo auf Grund der Anmeldungen – welche dieses Jahr zu einem Grossteil per Internet eingehen – bereits über die Themen mit der grössten Publikumsresonanz berichten: Grosses Interesse weckt das Seminar «Der Onlinemarkt Schweiz», bei dem ein Berner Wirtschaftsinformatiker und ein Bannerverkäufer aktuelle Studien vorstellen und das Potenzial dieses Marktes ausloten. Als Publikumsmagnet haben sich auch die Themen Content-Management, CRM (Customer Relationship Management), Zahlungssysteme im Web und Web-Design («Was User lieben und hassen») entpuppt. Flops sind laut von Babo M-Commerce und Open-Source.

Platz für zwei grosse Messen

Die Internet-Expo ist in den letzten fünf Jahren in der Schweizer Messelandschaft zu einem wichtigen Wert geworden – nicht zuletzt dank des Konferenzprogramms, das letztes Jahr 4000 Teilnehmer anzuziehen vermochte. Der Geschäftsführer der Exhibit AG, Rainer Artho, sieht die Stellung de iEX als «Leitmesse» ungefährdet, auch wenn die Orbit/Comdex seit der letzten Durchführung nun ebenfalls mit konsequenter B2B-Ausrichtung auftreten will: Die iEX sei eine Gesamtshow, die alle relevanten Anbieter versammeln und im Internetbereich ein lückenloses Angebot präsentieren könne.

Trotz Sogwirkung auf Besucher und Aussteller bedeutet der Internetboom für die iEX auch ein Problem – das Internet ist in der Informatikwelt inzwischen so zentral, dass es als Aufhänger und Abgrenzungsmerkmal gegenüber anderen Veranstaltungen kaum mehr taugt. Dies räumt auch Artho ein, hebt als Gegenargument die Ausrichtung auf Lösungen für Internetprofessionals hervor: «An der iEX müssen Sie sich nicht durch drei Hallen mit Modems oder sonstiger Peripherie kämpfen.» An dieser Ausrichtung soll sich auch zukünftig nichts ändern und auch am Namen nicht. Dass es sich bei der iEX nicht um eine Messe für Homeuser und Websurfer handelt, will der Veranstalter auch in Zukunft durch das Messemotto und eine prägnante Kommunikation deutlich machen.

Im Übrigen, ist Artho überzeugt, hat es in der Schweiz Platz für zwei grosse Informatikmessen. Ob die iEX in drei Jahren eventuell UMTS-Expo heissen werde, will der Messe-Chef nicht kommentieren: Sicher sei, dass sich die Messe in den nächsten beiden Jahren treu bleibe. Daran soll auch die kürzlich bekannt gegebene Fusion der Messen von Basel und Zürich nichts ändern.

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Dieses Jahr stösst die Internet-Expo an ihre Grenzen: Die 560 Aussteller belegen alle sieben Hallen der Messe Zürich.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 5. Februar 2001

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Thema: iEX
Nr: 3560
Ausgabe: 01-205
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