Gestürzte Schriftenkönigin

Es muss nicht immer Arial sein: Im Internet gibt es Computerschriften für die unterschiedlichsten Geschmäcker.

Von Matthias Schüssler

Mit der Omnipräsenz von Windows in Büros und privaten Schreibstuben kommen auch die vorinstallierten Typen Arial, Times New Roman und Courier auf Millionen von Schriftstücken zum Einsatz. Die meisten Anwender benützen die Schriften, die sie auf dem Computer finden. Dabei wäre es leicht, nicht im typografischen Mainstream unterzugehen: Die Installation neuer Schriften ist unter Windows keine Hexerei – eine aus dem Web heruntergeladene Schriftdatei im Truetype-Format (TTF) braucht bloss aus dem Archiv entzippt und mittels Maus in den Fonts-Ordner im Windows-Verzeichnis gezogen zu werden. Danach steht sie im System zur Verfügung.

Trouvaillen aus dem Netz

Im Vergleich zu professionellen Fonts, für die oft mehrere Hundert Franken zu bezahlen sind, fallen die gratis im Internet erhältlichen Zeichensätze qualitativ ab. Dennoch gibt es im Web und auf CD-Kompilationen eine Menge Perlen zu entdecken, die sich auf dem Tintenstrahl- oder Laserdrucker problemlos einsetzen lassen. Und wenn Sie bei der Auswahl Umsicht walten lassen, haben auch gestandene Typografen keinen Grund, über das Resultat die Nase zu rümpfen. Eine wichtige Regel ist, wüste «Schriftorgien» zu unterlassen. Zwei Schriften reichen für Briefe, Memos, eine Hauszeitung oder die Einladung zum Familienfest. Wählen Sie eine gut leserliche Schrift für den Lauftext und eine markante Type für die Überschriften. Die eingesetzten Schriften sollten sich nicht allzu ähnlich sehen, sondern einen guten Kontrast bilden. «Funny Fonts» sind zwar «funny», aber nur für wenige Aufgaben geeignet. Das entscheidende Kriterium bei der Wahl einer Schrift ist, dass diese dem Inhalt der Botschaft angemessen ist und nicht etwa zuwiderläuft.

Und falls Sie unter den Adressen nicht fündig werden: Eine zweite Möglichkeit, der Korrespondenz eine persönliche Note zu geben, ist, prägnant zu schreiben.

Hilfsmittel für Schriften

Für den Umgang mit Schriften auf dem Computer hat die Shareware-Szene eine Menge an nützlichen Programmen hervorgebracht. Katalogprogramme erlauben es, die Schriften auf dem Computer zu verwalten, Listen auszudrucken, benötigte Schriften zu aktivieren und unbenötigte aus den Schriftenmenüs der Anwendungen zu entfernen. Andere Tools konvertieren Windows-Schriften nach Macintosh und umgekehrt oder verwandeln spezielle Type-1-Schriften, die nur mit dem Adobe Type Manager verwendet werden können, in allgemein einsetzbare True-Type-Fonts.

Stichwort Adobe Type Manager: Dieser ist seit kurzem in einer Light-Version frei verfügbar. Da der ATM die neue Font-Technologie namens OpenType unterstützt, lohnt der Download auf alle Fälle. Der OpenType-Standard wurde von Microsoft und Adobe gemeinsam ins Leben gerufen und soll den Umgang mit Computerschriften drastisch vereinfachen. OpenType vereint die beiden Formate TrueType und Type-1 (wobei sich alte Schriften in diesen Formaten weiter einsetzen lassen). OpenType-Schriften sind plattformunabhängig und lassen sich ohne Konvertierung unter Mac und Windows verwenden. Damit bieten OpenType-Schriften auch die besten Voraussetzungen, um der typografischen Einfalt im Web ein Ende zu bereiten. Und genau das dürfte der Grund gewesen sein, weshalb sich Adobe und Microsoft entschlossen haben, ihren «Schriftkrieg» zu beenden.

Quelle: Tages-Anzeiger, Montag, 28. August 2000

Rubrik und Tags:

Faksimile

Metadaten
Thema: Tipp der Woche
Nr: 549
Ausgabe: 00-821
Anzahl Subthemen: 2

Obsolete Datenfelder
Bilder: 1
Textlänge: 300
Ort:
Tabb: FALSCH