Die Virenjäger stehen hoch im Kurs

Viele Opfer und ein paar Gewinner: Die Computerwelt hat sich vom Angriff des «I love you»-Virus noch nicht erholt.

Von Matthias Schüssler

Zürich. – Auch gestern Freitag war das «I love you»-Virus weltweit das beherrschende Thema in der Wirtschaft. So genannte Trittbrettfahrer haben inzwischen abgewandelte Versionen des Virus in Umlauf gesetzt. Die betroffenen Unternehmen machten sich mit grossem Aufwand daran, die Folgen des Virenangriffs zu beheben, und informierten über seine Auswirkungen: Auch in der Schweiz waren in Grossunternehmen zum Teil mehrere Tausend Arbeitsstationen tangiert. Bei der Suche nach dem Urheber des Virus verdichteten sich die Hinweise auf einen jungen Filipino.

Auch die Aktienmärkte reagierten auf das E-Mail-Virus, das sich am Donnerstag nach dem Schneeballprinzip im Internet verbreitet und während Stunden die Kommunikationssysteme vieler Unternehmen und öffentlicher Verwaltungen blockiert hatte. Aktien von Firmen, deren Geschäft die Datensicherheit ist, legten in New York kräftig zu.

Virenangriff als Chance

Speziell die Hersteller von Anti-Viren-Software konnten gleich in zweierlei Hinsicht vom Angriff des PC-Schädlings profitieren. Erstens erzielten ihre Papiere an der New Yorker Technologiebörse Nasdaq deutliche Kursgewinne. Die Aktien der Firma Symantec, welche weltweit das Schutzprodukt Norton Antivirus vertreibt, legten um mehr als vier Prozent zu, Network Associates als Entwickler des weit verbreiteten McAfee-Virenscanners stieg um fünf Prozent. Zweitens wird sich die Virenattacke aus den Philippinen auf erfreuliche Weise in den Umsatzstatistiken der Softwarehersteller bemerkbar machen: Viele betroffene Virenopfer haben gleich über das Internet ein Schutzprogramm gekauft und es auf ihren Rechner heruntergeladen. Und auch wer verschont blieb, wird die Anschaffung eines Virenscanners in Erwägung ziehen. Die Hersteller der digitalen Kammerjäger haben das Virus als Chance erkannt: Sie konnten der Welt beweisen, dass sie in der Lage sind, innert weniger Stunden ein Gegenmittel für den Angriff aus dem Cyberspace bereitzustellen.

Kommentar 5. Spalte, Berichte Seite 12

Quelle: Tages-Anzeiger, Samstag, 6. Mai 2000

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Nr: 457
Ausgabe: 00-506
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