Layout auf neue Art

Erste Schritte mit Adobe InDesign

Das bereits seit Monaten angekündigte und mit Spannung erwartete Layoutprogramm aus dem Hause Adobe ist inzwischen seit einigen Wochen auf dem Markt. Die Euphorie, die im Vorfeld mancherorts um sich gegriffen hatte, hat einer gewissen Ernüchterung Platz gemacht – nicht weil die InDesign-Software mangelhaft wäre, sondern weil vielen Anwendern, vor allem aus dem Quark-XPress-Lager, plötzlich bewusst geworden ist, welchen Aufwand ein Umstieg mit sich brächte. Wer es trotzdem wagen oder sich zumindest einen Eindruck verschaffen will, findet in diesem Artikel erste Erfahrungen geschildert.

Matthias Schüssler

Die InDesign-Oberfläche ist neu und doch vertraut. Die Werkzeuge kommen als wohlbekannte Adobe-Reiterpaletten daher; und auch andere Bildschirmelemente erzeugen Déjà-vu-Erlebnisse. Beim ersten Arbeiten zeigt sich aber recht schnell, dass der erste Eindruck ein trügerischer war: In-Design ist ein von Grund auf neu konzipiertes Programm, in dem die Programmdesigner sich von allen „Alt-lasten“ radikal gelöst haben. Viele von PageMaker oder QuarkXPress her vertraute Arbeitsschritte, Tastaturkürzel und Kniffe funktionieren in InDesign nicht. Was in den bekannten Programmen mit traumwandlerischer Sicherheit von der Maus sozusagen allein erledigt wurde, bedarf plötzlich des Nachdenkens oder gar Nachschlagens.

Aus diesem Grund können wir bloss raten: Überstürzen Sie den Umstieg nicht! Gewähren Sie sich genügend Zeit, beginnen Sie mit kleinen Projekten und gönnen Sie sich zwischendurch auch ein wenig Erholung mit PageMaker oder QuarkXPress. Der Umgang mit der neuen Layoutsoftware will gelernt sein, und der Umstieg ist recht harte Arbeit.

Anhand eines kleinen Testprojekts – der Einladung für eine fiktive InDe-sign-Geburtstagsparty – zeigen wir im folgenden einige elementare Arbeitsschritte. Beim Anlegen einer neuen Satzdatei verwendet InDesign in allen Eingabefeldern zunächst die Standard-Masseinheit Millimeter. Falls Ihnen diese nicht gefällt, können Sie unter „Datei – Einstellungen – Einheiten & Einteilungen“ auf Zentimeter, Zoll oder etwas anderes umschalten. Hier können Sie, wie schon in PageMaker, auch Werte in einem anderen Masssystem eingeben, indem Sie die Einheit mitliefern.

Richten Sie also als erstes eine neue Datei ein, Format A4, mit vier Spalten.

Die Rahmenhandlung

InDesign ist ein rahmenorientiertes Layoutprogramm, genauso wie Quark-XPress. Alle Elemente, seien es Texte, Bilder oder Grafiken, werden innerhalb eines Rahmens abgelegt. Ein solcher Rahmen muss keinesfalls rechteckig sein, sondern kann fast beliebige Formen annehmen: Die umlaufende Linie ist eine Bézierkurve, die mit den aus Illustrator oder Photo-shop bekannten Pfadwerkzeugen frei manipuliert werden kann. Schrift lässt sich in Pfade umwandeln und kann dann ebenfalls als Rahmen für Bild oder Text dienen. Sie können der Kontur eines Rahmens und auch der Fläche Grafikattribute wie Farbe, Dicke oder Muster zuweisen, analog zu Illustrator. Der Rahmen fungiert bei einem Pixel-bild als Beschneidungspfad, und da er direkt in InDesign verändert werden kann, ist man in vielen Fällen nicht mehr auf Photoshop angewiesen. Bei Textrahmen bestimmt er den Textfluss, sofern nicht andere Rahmen zu um-fliessen sind.

Das alles kennt man auch aus anderen Programmen. Bei InDesign kön-nen Sie Rahmen allerdings beliebig tief verschachteln: Ein Rahmen kann also einen weiteren aufnehmen und so weiter. Der Rahmeninhalt macht alles mit, was Sie dem Rahmen selbst antun: Wenn Sie also den Rahmen mit dem Skalierungswerkzeug verändern, skaliert die enthaltene Schrift gleich mit (wenn Sie die Textgrösse unverän-dert beibehalten möchten, führen Sie die Grössenänderung mit dem Auswahlwerkzeug durch). Wenn Sie den Rahmen stauchen oder drehen, betreffen die Modifikationen auch die Schrift.

Als Erstes brauchen wir also einen Rahmen für die Überschrift in unserem Flyer.

Wählen Sie aus der Werkzeugpalette das Ellipse-, Polygon- oder Rechteck-Werkzeug aus und ziehen Sie einen Rahmen in gewünschter Grösse auf. (PageMaker-gewohnte Layouter können auch mit dem Textwerkzeug einen Rahmen aufziehen, einfach klicken und losschreiben funktioniert allerdings nicht). Im Gegensatz zu PageMakers Frame-Funktion müssen Sie nicht beim Erstellen schon entscheiden, ob der Rahmen ein Bild oder einen Text enthalten soll. Die In-Design-Rahmen sind diesbezüglich flexibel und harren in nichtdeterministischer Weise der Dinge, die da kommen sollen.

Erzeugen Sie also einen Textrahmen für die Überschrift. Wenn Sie den Text formatieren wollen, werden Sie feststellen, dass es in InDesign keine separaten Dialoge für Absatz und Zeichen mehr gibt. Die Formatierung erfolgt ausschliesslich über die entsprechenden Paletten, die stark an die Kontrollpalette von PageMaker erinnern – auch wenn sie, angepasst an das Reiterdesign, deutlich mehr Platz benötigen. Dafür sind diese Paletten flexibler: Wenn Sie aus dem Paletten-menü den Befehl „Vertikale Palette“ wählen, erhalten Sie beispielsweise eine Anordnung wie in Illustrator.

Typografie: eine Freude fürs Auge

Wer Sinn für typografische Feinheiten hat, sollte ein wenig mit der neuen Option „Optisch“ experimentieren, die in dem Eingabefeld fürs Kerning (Unterschneiden) zur Verfügung steht und mit der Adobe im Desktop-Publishing neue Massstäbe setzen will. Der Zeichenausgleich findet dann nicht stur rechnerisch statt, so wie es fast alle anderen Layout- und Grafikprogramme handhaben, sondern nach ausge-klügelten Algorithmen, die einen optisch ausgewogenen Gesamteindruck sicherstellen sollen. Auch Schriften ohne Kerningtabellen sollen davon profitieren – insbesondere greift diese Option aber auch dann, wenn Schriftschnitte gemischt werden und verschiedene Schriftgrössen zum Einsatz kommen. Ähnliche Verhaltensweisen können Sie auch für längere Texte aktivieren: Benutzen Sie den Befehl „Schrift –Textabschnitt“ und setzen Sie dort das Häkchen bei „Optischer Randausgleich“. Nun setzt InDesign wenig schwärzende Zeichen wie Bindestriche und Anführungszeichen, aber auch bestimmte Versalien wie A und W ein wenig über die Spaltenbegrenzung hinaus. Die Spaltenränder erscheinen dadurch ausgeglichener. Das bekannte Blocksatzproblem der durch die Trennzeichen unschön an-geknabberten Spaltenränder wird damit elegant umgangen.

In der Absatz-Palette haben Sie die Möglichkeit, den „Adobe MehrZeilen-Setzer“ zu wählen. Mit dieser Option berechnet InDesign den Zeilenumbruch nicht wie üblich nur anhand der aktuellen Zeile, sondern bezieht eine gewisse Anzahl an vorangehenden und nachfolgenden Zeilen (wählbar unter „Voreinstellungen – Satz“) mit in die Berechnung ein. Dadurch werden vielfach hässliche Lücken im Blocksatz geschlossen, das Schriftbild wirkt harmonischer, und manuelles Trennen ist häufig überflüssig. Als typografisches Element feiert auch das Initial fröhliche Ur-ständ: Es lässt sich leicht erzeugen, indem in der Absatz-Palette eine Initialhöhe grösser als 1 eingegeben wird. Formatierungswechsel macht das Initial unbeschadet mit.

Ein erfreuliches Detail bei den Zeichenformaten ist die Tatsache, dass diese nun nicht mehr vollständig definiert sein müssen. Man kann einzelne Eingabefelder wie Schriftgrösse, -auszeichnung oder -ausrichtung einfach leer lassen und damit bestimmen, dass die bereits existierende Formatierung beibehalten werden soll. Somit kön-nen Sie ein Format anlegen, das beispielsweise die Farbe Rot und eine fette Auszeichnung, aber keinen Schrifttyp definiert. Das Format lässt sich dann als universelle Hervorherbung nutzen, da Schriftart und -grösse unangetastet bleiben.

Bilder plazieren

In unserem Geburtstagsflyer geht es jetzt ans Positionieren von Bildern. Diese holen Sie mit dem Befehl „Datei Plazieren“ ins Dokument, dabei ist nicht nötig, vorher einen Rahmen zu erstellen. Bei EPS-Grafiken erhalten Sie keine pixelige Vorschau, sondern eine echte Vektordarstellung, genau wie in Illustrator. Dazu muss allerdings unter „Datei – Voreinstellungen – Allgemein“ die Option „Voll-auflösungsbilder“ gewählt sein, sonst erscheint wie gewohnt ein grobgerastertes Häufchen Elend.

Im ersten Moment ist der Umgang mit Grafiken in InDesign eher verwirrend und ungewohnt. Der Grund dafür liegt darin, dass Sie stets unterscheiden müssen, ob Sie eine Operation am Rahmen oder am Rahmeninhalt aus-führen. Wenn Sie beispielsweise direkt nach dem Positionieren nach dem Anfasser des Bildes greifen, um es ein wenig zu verkleinern, dann passiert etwas für PageMaker-Anwender Unerwartetes: Die Skalierung des Bildes bleibt unverändert, dafür wird der Ausschnitt kleiner, so dass nicht mehr das ganze Motiv dargestellt wird. Sie haben ganz einfach den Rahmen, aber nicht den Rahmeninhalt verändert.

Klicken Sie mit dem DirektauswahlWerkzeug (dem weissen Pfeil) in die Grafik, dann erhalten Sie plötzlich eine zweite Umrandung mit entsprechenden Anfassern. Nun können Sie das Bild innerhalb des Rahmens verschieben und bei Bedarf verkleinern oder vergrössern. Etwas verwirrend wird es allerdings, wenn Sie die Grafik so weit verschieben, dass sie komplett ausserhalb des Rahmens plaziert ist – der Rahmen erscheint dann leer. Praktische Befehle zu Bildrahmen und ihren Inhalten finden Sie im „Objekt“-und im Kontextmenü. Unter „Anpas-sen“ können Sie beispielsweise die Bildgrösse an den Rahmen oder die Rahmengrösse an den Bildinhalt anpassen. An diese Arbeitsweise muss man sich erst gewöhnen. Einfacher geht das Skalieren sicherlich, wenn Sie gleich das Skalieren-Werkzeug be-mühen: Wenn Sie damit den Rahmen verkleinern oder vergrössern, geschieht das auch gleich mit dessen Inhalt, so dass Sie das DirektauswahlWerkzeug und die erwähnten Menübefehle gar nicht benötigen.

Im „Objekt“-Menü findet sich ein weiteres wichtiges Werkzeug: die „Konturenführung“. Diese ist ebenfalls als Reiterpalette angelegt, kann also permanent auf dem Bildschirm gehalten werden, ansonsten ändert sich beim Festlegen der Textverdrän-gung im Vergleich zu PageMaker nicht viel. Beim Klick auf das dritte Symbol von links wird tatsächlich eine unre-gelmässige Kontur angelegt, das heisst, die Verdrängung erfolgt entlang dem Umriss eines Polygonpfades und nicht entlang einer rechteckigen „Boun-ding Box“ – eine Funktion, die wir bei jedem neuen PageMaker-Update ver-misst haben. Ausserdem erscheint die Konturenführung in der Bildschirmdarstellung nicht mehr gestrichelt, wie man das von PageMaker her gewohnt ist, sondern als dünne, durchgezogene Linie.

Ansichtssachen

Ein weiterer wichtiger Aspekt beim Arbeiten ist das Navigieren und Zoomen. Das Hand-Werkzeug erreichen Sie von jedem anderen Werkzeug aus am schnellsten, indem Sie die Leertaste drücken – das aktive Werkzeug bleibt dabei weiterhin ausgewählt. Die Lupe fürs Zoomen erreichen Sie über Control- und Leertaste (auf dem Mac mit Apfel- und Leertaste). Wer mit Photoshop oder Illustrator arbeitet, braucht sich in dieser Hinsicht nicht umzustellen. Für eine gute Orientierung bietet InDesign eine Navigator-Palette, die sich seit der erstmaligen Einführung in Photoshop einer recht grossen Beliebtheit erfreut. Ausserdem können Sie ein Dokument gleichzeitig in mehreren Fenstern betrachten, wobei Aktualisierungen automatisch in allen Fenstern durchgeführt werden. Statt hin und her zu zoomen oder zu blät-tern, kann man somit auch einfach zwischen zwei Fenstern wechseln, die unterschiedliche Vergrösserungen oder Seiten zeigen.

Pixelbilder zeigt InDesign stan-dardmässig als Vorschau in niedriger Auflösung an, auf Wunsch aber auch in Originalauflösung oder als graue Kästen (festzulegen unter „Datei –Voreinstellungen – Allgemein“). Die Auflösung des Vorschaubildes kann man (ausser bei EPS-Dateien) selbst wählen, indem man in dem Plazierungsdialog die Option „Import-optionen zeigen“ anklickt oder die Umschalttaste gedrückt hält. In dem anschliessend eingeblendeten Fenster kann man auch gleich die Einstellungen fürs Farbmanagement festlegen.

Nachträglich ändern lassen sich diese Einstellungen, indem man bei ausge-wähltem Bildinhalt den Punkt „Farb-einstellungen für Bild…“ im Kontext-menü wählt.

Ausgabe

Der Druckdialog ist – zumindest unter Windows – mit seinen Reitern recht übersichtlich gegliedert. Erwähnens-wert ist, dass sich unter „Farbüberfül-lung“ ein In-Rip-Trapping aktivieren lässt, sofern das Ausgabegerät solches unterstützt. Die von PageMaker her bekannte Funktion der „Drucker-formate“ steht unter InDesign leider nicht mehr zur Verfügung. Auf dem Mac ist eine sinnvolle Belichter-ansteuerung übrigens nur möglich, wenn man den auf der InDesign-CD befindlichen Adobe-PostScript-Treiber installiert und verwendet. Ansonsten stehen die Funktionen für Farbseparation, Bogenausgabe, In-Rip-Trapping etc. nicht zur Verfügung.

Erwähnenswert ist noch, dass In-Design im „Exportieren“-Dialog neben PDF, EPS und HTML auch die Option „Prepress-Datei“ anbietet. Dahinter verbirgt sich eine PostScript-Datei, die für die Weitergabe an Be-lichtungsdienstleister oder Druckereien optimiert ist und bei der man noch eine ganze Reihe von Details festlegen kann. InDesign bietet in diesem Zusammenhang auch die Mög-lichkeit, vor dem Drucken eine Über-prüfung des Dokuments durchzu-führen (Preflight-Check). Verwendete Schriften, Bilder, Farben etc. lassen sich in einem Report zusammenstellen. Ausserdem kann man unter „Datei – Verpacken…“ alle für die Ausgabe notwendigen Dateien zu einem Paket zusammenstellen lassen.

Quelle: PrePress, Mittwoch, 1. Dezember 1999

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Metadaten
Thema: Adobe InDesign
Nr: 361
Ausgabe: 99-12
Anzahl Subthemen: 1

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