Auf der Suche nach den verlorenen Daten

Ein falscher Befehl, ein bösartiges Virus, eine verunglückte Linux-Installation: Die Daten sind weg – was nun? Mit Lost & Found von Powerquest ist ein Tool verfügbar, das sogar nach einer Partitionierung und Formatierung Daten zurückholen kann.

Von Matthias Schüssler. Backups, daran führt kein Weg vorbei, sind zwingend nötig. Und zwar für alle, die nur halbwegs seriös mit dem Computer arbeiten. Denn Vorfälle, die zu Datenverlust führen, haben leider nicht die Eigenart, immer dann aufzutreten, wenn gerade ein frisches Backup erstellt wurde und alle Daten im Trockenen sind. Wird beispielsweise eine Datei gelöscht, an der eben noch intensiv gearbeitet wurde, dann nützt das schönste Backup nichts – die aktuellen Änderungen sind perdü.

Daher ist es hilfreich, ein Produkt im Schrank stehen zu haben, das im Notfall zur Datenrettung herangezogen werden kann. Powerquest, der Spezialist für leistungsfähige Systemtools aus dem amerikanischen Bundesstaat Utah, bietet mit «Lost & Found» eine solche Software.

Auch für Viren-Opfer

Die eben erst freigegebene Version 1.04 enthält neben optischen Modifikationen auch Routinen, die Opfern des «Worm.Explore.Zip»-Virus helfen, Daten zu retten (dieser Bösewicht löscht u.a. Doc-, cpp-, xls-Dateien). Aber auch irrtümlich gelöschte Daten kann das Programm retten, solange sie nicht überschrieben wurden. Dabei ist es unerheblich, ob die Partitionstabelle noch intakt oder beschädigt ist – auch bei einem versehentlichen Formatieren oder Neupartitionieren eines Massenspeichers kann Lost & Found Daten zurückholen. Die Funktion «Smart Data Analysis» soll darüber hinaus einem Datenverlust vorbeuten, indem die Festplatte auf defekte Sektoren hin überprüft wird.

Die Software wird unzeitgemäss auf Diskette ausgeliefert. Da noch nicht alle Computersysteme das Booten von CD-ROM unterstützen, ist dies sinnvoll. Die Software zum Einsatz, wenn die Festplatte unter Umständen nicht mehr bootfähig ist. Die Diskette enthält ein weitgehend hardwareunabhängiges Caldera-DR-DOS, mit dem Lost & Found ausgeführt werden kann.

Lost & Found arbeitet auf IDE-, EIDE-, SCSI- und den gängigsten mobilen Speichermedien, inklusive Disketten. Die Software unterstützt Fat16 und Fat32-Laufwerke – NTFS- und Linux-Partitionen können im Moment noch nicht bearbeitet werden. Künftige Versionen der Software werden auch das Reparieren von defekten CD-ROMs ermöglichen.

Nach dem Start von der Diskette führt Lost & Found erst einige Tests zur Identifikation der vorhandenen Massenspeicher aus. Hardware-Profis werden mit diversen Dialogen darüber in Kenntnis gesetzt; falls Ihnen Angaben über Zylinder und Sektorgrössen nicht viel sagen, können Sie diese einfach überblättern.

Mehr Rettungsboote als auf der Titanic

Im Anschluss stehen in einem Menü-System die gefundenen Laufwerke zur Auswahl. Nachdem das zu rettende Laufwerk bestimmt ist, muss ein Ziel-Drive angegeben werden: Lost & Found schreibt nämlich grundsätzlich nicht auf die beschädigten Laufwerke. Wenn das Laufwerk einen Hardwaredefekt aufweist, wären die Resultate unvorhersehbar. Darüber hinaus hat man die Möglichkeit, menschliche Datenrettungsexperten hinzuzuziehen, falls die Software nicht erfolgreich sein sollte. Im Notfall kann auch ein Diskettenlaufwerk für die zu sichernden Daten gewählt werden. Weitaus praktischer ist aber, eine zweite, externe Festplatte oder ein Jaz-Laufwerk für die geborgenen Daten anzugeben. Das Programm hat die Angewohnheit, immer nochmals nachzufragen, ob man sich seiner Wahl auch sicher sei. Angesichts des heiklen Aufgabengebiets ist das nicht übertrieben – und wenn man häufig mit dem Programm zu tun hat, sollte man sich überlegen, ob man die Festplatten künftig nicht bei einem anderen Händler beziehen soll.

Dann startet das Programm den Analysevorgang. Die gefundenen Verzeichnisse (auch gelöschte) werden in einer langen Liste gezeigt, mit Enter wechselt man zu einer Liste mit den im Ordner enthaltenen Dateien. Eine farbliche Kennzeichnung informiert über die Chancen der Wiederherstellung. Nun können Sie die zu rettenden Dateien mit der Leertaste anwählen. Für komplexere Selektionen stehen weitere Befehle zur Verfügung, über die das Handbung Auskunft gibt.

Sind die zu rettenden Dateien bestimmt, löst der Befehl «start recovery» die Wiederherstellung aus – doch bevor Daten gesichert werden, muss Lost & Found registriert werden. Dies bedeutet, dass das Programm künftig nur noch auf einem Rechner laufen wird. Fürs Recovery stehen verschiedene Optionen zur Verfügung: Sie können die Verzeichnisstruktur beibehalten oder alle Dateien in ein Verzeichnis ablegen. Lost & Found kann auf Wunsch auch komprimierte Archive Datenträger übergreifend anlegen – praktisch, wenn die Platzverhältnisse auf dem Sicherungsmedium beengt sind. Die Software versucht, auch die langen Dateinamen von Windows zu retten (diese sind separat in versteckten Fat-Einträgen abgelegt).

Tests vielversprechend

Wir haben Lost & Found getestet, indem wir auf einer externen Festplatte eine Partition angelegt und Dateien aufgespielt haben (hundert Bilddateien mit insgesamt 91 MB Volumen). Anschliessend haben wir die Partition erst mit fdisk gelöscht, eine neue Partition angelegt, diese formatiert und dann Lost und Found auf das Datendesaster losgelassen. Die Rettungsaktion dauert in etwa eine Viertelstunde, wobei das Wiederherstellen der rund hundert Megabyte in fünf Minuten erfolgte. (Ein Problem war, dass das Programm unsere SCSI-Festplatte erst beim zweiten Anlauf erkannte). Im Test fand Lost & Found alle hundert Bilder. Eine einzige Datei unterschied sich vom Original, war also defekt. Zu diesem guten Ergebnis beigetragen hat die Tatsache, dass die neue Partition noch nicht benützt worden war: Kopiert man Dateien auf die neue Partition, sieht die Erfolgsbilanz weniger erfreulich aus: Nachdem wir 130 Dateien (knapp 23 MB Systemfiles aus dem Windowsverzeichnis) kopiert hatten, fand Lost & Found noch immer hundert Grafiken – allerdings: Nur noch 69 waren lesbar, die anderen korrupt. Immerhin – hätte es sich nicht um eine Simulation gehandelt, sondern um den Ernstfall, wären wir um jede dieser Dateien mehr als froh gewesen.

(Kasten) Zweite Chance

Ein neues Produkt von PowerQuest namens «Second Chance» ist ebenfalls für das Backup und die Systemsicherheit zuständig, verfolgt aber einen anderen Ansatz als Lost & Found. Das Programm arbeitet nicht wie die Feuerwehr, die erst ausrückt, wenn die Scheune schon in Brand steht, sondern wird kontinuierlich verwendet. Sie können mit der Software «Checkpoints» erstellen oder automatisch erstellen lassen (in wählbaren Intervallen). Bei einem Checkpoint stellt Second Chance die Konfiguration des Systems fest und zeichnet diesen auf. Während des Betriebs überwacht das Programm alle Veränderungen am System, aber auch in den Dateien des Benutzers.

Der Benutzer kann nun jederzeit den Zustand des Systems zum Zeitpunkt eines beliebigen, abgespeicherten Checkpoints wieder herstellen. Dies ist auch von einer Bootdiskette möglich – falls das System nicht mehr starten sollte, kann Second Chance den letzten, intakten Status rekonstruieren. Die Software ist auch praktisch für Shareware-Tester: Nach einer ausgiebingen Testaktion kann die ursprüngliche Konfiguration einfach wieder restauriert werden.

Weitere Infos: Lost & Found, nur in Englisch: Fr. 134.–; Lost & Found 1.0 E Academic: Fr. 45.– Sotec, 1260 Nyon, 0878 800 680, www.sotec.ch, info@sotec.ch

Quelle: M+K Computer-Markt, Montag, 1. November 1999

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Thema: Das Thema: Sicherheit
Nr: 323
Ausgabe: 99-11
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