Andelfingen: Die Trennung von Post und Telecom steht vor der Tür – Dieter Syz, (Noch-)Präsident der Generaldirektion PTT informierte

«Massgeschneiderte Lösungen sind gefragt!»

Die PTT gibt’s in gewohnter Form noch ganze dreieinhalb Monate. Danach gehen die Post und die Telecom getrennte Wege und beide Betriebe werden sich in einem (fast) freien Markt behaupten müssen. Steht für Weinländer Bevölkerung zu befürchten, dass die neuen Unternehmungen auf ihrem Rücken Kosten sparen werden? An einer Veranstaltung in Andelfingen sagte Dieter Syz, Präsident der Generaldirektion PTT, ob weitere Poststellen geschlossen werden.

(msc) Keine Region der Schweiz wird nach 1998 ohne Telefon- oder Postversorgung dastehen – denn die Grundversorgung ist gesetzlich festgeschrieben. «Und zwar bis in letschte Chrache», wie Dieter Syz an der von ZKB und FDP Andelfingen organisierten Informationsveranstaltung bekräftigte. Dennoch ist die Grundversorgung keine Garantie dafür, dass alle bisherigen Dienstleistungen weiter angeboten werden oder dass es weiterhin rund 4000 Poststellen geben wird. «Nicht immer ist ein Postbüro nötig», meinte Syz.

Postdienste nur noch an der Haustür

In kleinen Gemeinden könnten alle Dienste auch vom Pöstler an der Haustüre angeboten werden, sagte Syz. Es gelte aber in jedem Fall, für die betroffenen Gemeinden eine massgeschneiderte Lösung zu finden. Dabei schrecke man auch künftig nicht vor einer Zusammenarbeit mit dem Lebensmittelverteiler, der Bank oder der Gemeindeverwaltung zurück. Soviel jedenfalls ist klar: Gemeinden, welche die Entwicklungen im Auge behalten und gegebenenfalls Hand zu einer guten Lösung bieten, werden auch weiterhin ein Postbüro haben, andere müssen ihre Postgeschäfte vielleicht im Nachbardorf erledigen oder den Postboten vor ihrer Haustüre abpassen.

Eilsendungen nicht mehr überall?

Doch auch der Palette der angebotenen Dienstleistungen sind Abstriche denkbar – beispielsweise bei den Eilsendungen. Nicht gefährdet sind die «reservierten Dienste» – bei diesen bleibt die Post Monopolist. Darunter fällt die Zustellung der adressierten Briefpost und von Paketen bis zu zwei Kilogramm Gewicht. Im Rahmen des «service public» muss die Post nebst diesen Diensten auch die «nichtreservierten Dienste» flächendeckend anbieten: Pakete von zwei bis zwanzig Kilogramm, Ein-, Auszahlungen und Girodienste, Zeitungen und Zeitschriften und der internationale Postverkehr. In diesem Bereich dürfen auch Drittanbieter tätig werden. Die «Wettbewerbsdienste» indes kann die Post anbieten, ist jedoch nicht verpflichtet dazu. Die «freiwilligen» Dienste umfassen die Zustellung von Paketen über zwanzig Kilo, Eilsendungen, unadressierte Briefpost, Finanz- und elektronische Dienstleistungen.

Bei der Telecom sind die Veränderungen noch einschneidender. In ihrem Markt fallen die Monopole komplett, und ausserdem gibt’s einen neuen Namen: «swisscom». Während die Post als öffentlich-rechtliche Anstalt weiterhin im Besitz des Bundes bleibt, wird die «swisscom» als Aktiengesellschaft organisiert sein. Um die Verfassung nicht zu verletzten, hält die Aktienmehrheit vorerst der Bund; Syz machte aber keinen Hehl daraus, dass er lieber eine vollständige Privatisierung gesehen hätte: «Da aber Verfassungsänderungen noch viel länger dauern als Gesetztesänderungen, haben wir uns für den Spatz in der Hand entschieden».

Erfreuliche Aussichten für Telefonierer

Die Auswirkungen der Telecom-Pri-va-ti-sierung für die Privatkunden dürften laut Syz äusserst erfreulich ausfallen, denn es haben sich drei Mitbewerber bemerkbar gemacht, die für Konkurrenz und Preisdruck sorgen: Massiv sinkende Tarife und einen Innovationsschub prophezeite der Präsident der PTT-General-di-rek-tion. Dienstleistungen in der Telekommunikation anbieten wollen die Newtelco, ein Gemeinschaftsunternehmen von Migros, SBB und Bankgesellschaft, das die Glasfasernetze der SBB nutzt, Diax, ein Unternehmen der Elektrizitätswerke und die US-amerikanische World Com.

Somit kann der Privatkunde wählen, zu welchem Anbieter er gehen will, auch wenn der Telefonanschluss von der «swisscom» ist. Diese nämlich muss den Drittanbietern das eigene Netz auf der «last mile» auf dem Weg zum Kunden öffnen. Diese «Interkonnektion» gewährleistet die Wahlfreiheit des Kunden.

Auch die Staatskasse profitiert

Auch der Staat gehöre indes zu den Gewinnern, meinte Syz optimistisch. Aus dem grossen Verkaufsgewinn der Telecom wird «sicher auch etwas für die Bundeskasse abfallen», sagte er und ergänzte, auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Schweiz würden durch die Öffnung des Telekommunikationsmarktes markant verbessert. Darüber hinaus wird die «swisscom» Ende 1998 an die Börse gehen: «Dieser Schritt ist ein grosser Vorteil für den Kapitalmarkt!». Wie in Deutschland bestünden auch in der Schweiz grosse Chancen, dass sich dadurch viele Kleininvestoren auf den Aktienmarkt getrauten. Fürs Personal der ehemaligen Staatsbetriebe bedeutet die Privatisierung jedoch, dass weitere Stellen abgebaut werden. «Wir haben jedoch das Versprechen abgegeben, dass es bis 98 keine Entlassungen gibt», sagte Syz. Dann gibt es auch die Möglichkeit, bei einem der neuen Telekommunikationsunternehmen eine Stelle zu finden. Syz äusserte sich sehr positiv über die Reaktion der Mitarbeiter auf die PTT-Reform. «Wir hatten starke Befürchtungen, das Referendum der Genfer PDA gegen die Trennung käme zustande». Doch nur rund 16 000 Leute haben unterschrieben, weil einerseits die Gewerkschaften nicht mitgezogen hätten, aber es «haben auch viele PTT-Mitarbeiter begriffen, dass die Reform eine Chance ist». Mit der Aufgabe des Beamtenstatus fällt beispielsweise die Lohnnivellierung weg.

Fünf Jahre hat die PTT-Reform gedauert. «Aus Sicht des Marktes viel zu lange!» kommentierte Syz. Für die Politik dagegen eine «atemberaubend kurze Zeit» für so eine tiefgreifende Reform. «Mit der PTT-Reform steht weniger die Vitalität der Schweizer Wirtschaft als die Vitalität der Schweizerischen Politik auf dem Prüfstand», fasste Syz die Erfahrungen dieser Zeit zusammen. Der Erfolg der neuen Gesellschaften wird nämlich nicht unwesentlich von den Politikern abhängen: «Die Forderung ist, dass sie die ‹swisscom› machen lassen».

Sein erklärtes Ziel hat Dieter Syz auf Ende Jahr erst mal erreicht: Er hat seinen eigenen Posten, den des Präsidenten der Generaldirektion PTT, abgeschafft.

Quelle: Der Landbote, Freitag, 12. September 1997

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Thema: PTT-Präsident Dieter Syz zur bevorstehenden Trennung von Post und Telecom
Nr: 159
Ausgabe: 97-210
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