Printing on Demand in der Praxis: Ein Erfahrungsbericht

Printing on Demand ist zu einem Schlagwort geworden. Promoter führen Geschwindigkeit und Flexibilität als Argumente ins Feld; die neue Technologie verspricht Offset-Druckqualität für Kleinstauflagen. Wie funktioniert Printing on Demand in der Praxis und ist die Druckqualität wirklich befriedigend? Wir schildern an dieser Stelle unsere Erfahrungen.

Nicht gerade bis zur buchstäblich letzten Minute haben wir mit unserem Auftrag gewartet, doch viel Zeit für Experimente blieb nicht mehr. Eine realistische Ausgangslage, so ist zu vermuten, denn es ist ja gerade eine Stärke der neuen Technologie, dass nach dem Abliefern der Daten in der Druckerei nicht viel mehr Zeit als für eine ausgedehnte Kaffeepause verstreicht, bis die ersten Exemplare druckfrisch die Maschine verlassen.

Eher komplexes Testobjekt

Das Objekt unseres «Printing on Demand»-Tests war ein Werbeflyer für die swiss publisher CD, der im A4-Format, doppelseitig, als Beilage zum publisher gedruckt werden sollte. Wir brachten der Druckerei Pro Print in Zürich die Daten auf einer SyQuest; und zwar sowohl als PageMaker-File mit den rund sechzig positionierten EPS-Grafiken als auch als PostScript-Printfile. Wir wählten den (scheinbar) einfacheren Weg und starteten mit der PageMaker-Datei.

Die bekannten Fussangeln

Es zeigte sich jedoch schnell, dass es sich lohnt, mit Druckdateien (Printfiles) zu arbeiten – denn auch bei Printing on Demand lauern die vom Belichten her bekannten Fussangeln. Das war auch in unserem Fall nicht anders: Beim ersten Versuch hatten wir beim Öffnen der Windows-Satzdatei im Mac-PageMaker die Option «Dateinamen in Verknüpfungen übertragen» nicht aktiviert. Übersieht man diese unscheinbare Option, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, das Programm wolle einen dazu nötigen, sämtliche externen Grafiken neu mit der Satzdatei zu verknüpfen. Nachdem das PageMaker-Layout in einem zweiten Versuch die Konvertierung von der Windows- in die Mac-Welt heil überstanden hatte und auch die fehlenden Schriften installiert worden waren, versuchten wir, den Druckjob zu starten. Ohne unmittelbaren Erfolg, wie sich zeigte. Der Grund lag in einem fehlenden Font – nicht in der Satzdatei, schliesslich hatten wir ja vor einem Augenblick die notwendigen Schriften zugefügt -, sondern in einem positionierten EPS. In einem solchen Fall ist guter Rat teuer, denn das RIP führt keine Fontsubstitution durch, sondern verweigert schlicht die Arbeit. Wir griffen infolgedessen auf die PostScript-Druckdatei zurück, die sich problemlos verwenden liess.

Nach 20 Minuten ein 1. Ergebnis

Sind die Daten denn auch einmal in der verwendbaren Form vorhanden, gehts schnell. Der RIP-Prozess für das gut sieben MByte grosse Printfile war nach knapp anderthalb Minuten beendet und wenig später spukte die IBM InfoColor 70 den ersten Flyer aus. «Wir rechnen mit zwanzig Minuten, die es dauert, bis nach dem Eintreffen der Daten ein erstes Resultat zur Beurteilung vorliegt», sagt Roger Scheu von Pro Print. Ein weiterer Vorteil: Im Gegensatz zu einem Proof, das farblich abweichen kann, entspricht dieser Andruck qualitativ der restlichen Auflage. Entscheidet man sich aufgrund des ersten Augenscheins für das «Gut zum Druck», legt die IBM InfoColor 70 mit einer Geschwindigkeit von 35 Duplex-Seiten im A4-Format pro Minute los. Die ersten 1000 Stück sind somit in knapp einer halben Stunde fertig.

Bis 1500 Stück billiger als Offset

Obwohl’s bei unserem Test nicht auf Anhieb klappte, ist absehbar, dass bei eingespieltem Arbeitsablauf Kleinauflagen innert kürzester Zeit bereitgestellt werden können. Durch das Auslassen von Belichtungsprozess und Plattenherstellung wird ein nicht zu unterschätzendes Mass an Schnelligkeit und Flexibilität gewonnen. Dokumentationen können so leicht auf dem aktuellsten Stand gehalten und fortlaufend in den benötigten Stückzahlen erstellt werden. So genutzt, ist die Printing on Demand-Technik auch kostengünstiger: Bis zu einer Auflage von 1500 Stück kommt man billiger weg als beim Offset-Druck. Bei einer Stückzahl von 1000 Exemplaren sind mit Kosten von einem Franken pro A4-Seite zu rechnen.

Die neue Technologie ist doch ziemlich beeindruckend, und dabei hat die Print On Demand-Technik ihren grössten Trumpf bei unserem Test gar noch nicht ausgespielt: Die Möglichkeit, personalisierte Dokumente zu erstellen. Weil es keine Filme und Platten braucht, können im Zusammenspiel mit Datenbanken individuelle, auf jedes einzelne Mitglied der Zielgruppe zugeschnittene Dokumente gedruckt werden. Dieses Verfahren wird von IBM mit Plug-ins für Quark XPress und PageMaker unterstützt und auch dahingehend, als dass die RIP-Verarbeitung und das Drucken gleichzeitig stattfinden kann.

Heisser Tip: Printfiles!

Wie erwähnt, lohnt es sich, Druckdateien zu schreiben und die Daten so zum Drucker zu bringen. Laut Scheu sind denn auch die häufigsten Gründe für Stockungen im Workflow fehlende Bilder und Schriften. Verzögerungen, die man ausschalten kann, wenn man den richtigen Druckertreiber hat und die Einstellungen kennt. Das Printfile unseres Flyers schrieben wir mit dem PageMaker, indem wir im Druckmenü als Drucker «QMS ColorScript 100» und als PPD (PostScript-Printer Description, im PM unter «Art» auswählen) «Color General» angaben.

Was leistet die IBM-Maschine in Sachen Qualität nun wirklich? Dies können Sie anhand eines eigenen Augenscheins selbst beurteilen – dieser Ausgabe des publishers liegt ein Exemplar unseres Testobjekts bei.

Das Testobjekt: Der swiss publisher CD-Flyer

Die Nuss, welche wir der IBM InfoColor 70 zu knacken gaben, gehört zu der härteren Sorte: Rund 7 MByte PostScript-Code mit etwa 60 integrierten EPS-Grafiken, darunter der ganze Netzplan des Zürcher Verkehrsverbundes.

Zum Netzplan auf dem Flyer sei noch folgendes angemerkt: Leute mit scharfen Augen können ihn sogar benutzen, um die gewünschte S-Bahn-Verbindung herauszusuchen.

IBM InfoColor 70

Die IBM InfoColor 70 ist ein elektrofotografischer Farbdrucker, der mit Trockentoner arbeitet. Die Druckeinheit enthält einen 600 × 600 LED-Array mit variablem Lichtniveau pro Punkt und pro Farbe, was effektiv einer Auflösung von 2400 dpi entspricht.

Verschiedene Automatikfunktionen helfen, die Qualität zu sichern, so der automatische Farbabgleich, der auf Vergleichstabellen nach dem SWOP und Euroskala-Standard zurückgreift. Gedruckt werden Prozessfarben (CMYK) nach dem PostScript-Level 2-Standard. Die nötige Rechenleistung stellt ein IBM RISC System/6000 bereit, welches softwaremässig den ganzen Druckprozess überwacht. Bedruckt wird ein Papier von der Rolle auf einer Breite von 210 bis 320 Milimeter; die Länge kann maximal 27 Meter betragen, wird aber in der Realität vom installierten Speicher und von der Software weiter begrenzt (Im PageMaker ist die maximale Seitenlänge 1,066 Meter).

Weitere Informationen: IBM

Schweiz, Printing Systems, Postfach, 8010 Zürich, Tel. 01 643 69 35

Pro Print AG, Badenerstrasse 569, 8048 Zürich, Tel. 01 496 60 60

Quelle: Publisher, Samstag, 1. März 1997

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Metadaten
Thema: Praxistest: Digitaldruck mit IBM InfoColor 70
Nr: 129
Ausgabe: 97-1
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Tabb: FALSCH