Flaach: Farbenprächtige 951-Jahrfeier

«In Flaach gedeihen Spargeln, Regierungsräte und Wein besonders gut»

Mit einer farbenprächtigen Feier begingen die Flaacher und Flaacherinnen letzten Sonntag ihr 951-Jahr-Jubiläum. Die Dorfbevölkerung und viele auwärtige Gäste versammelten sich auf dem Dorfplatz, um bei Puurezmorge, musikalischen Darbietungen und gehaltvollen Grussbotschaften den nicht ganz runden Geburtstag der Gemeinde zu feiern.

(msc) Obwohl sich die zahlreichen geladenen Gäste aus dem ganzen Kanton in ihren Grussbotschaften redlich Mühe gaben und sich mit Spekulationen gegenseitig überboten, konnte die wichtigste Frage des Tages nicht schlüssig geklärt werden: Weshalb, in Gottesnamen, feierten die Flaacher nicht vor einem Jahr runde 950 Jahre, sondern heuer diese ominöse 951 Jahre? Die SVP-Nationalrätin Lisbeth Fehr vermutete, eine grosse, stolze Gemeinde wie Flaach wolle ein derartiges Jubiläum nicht nach normalen Gesichtspunkten feiern – im Schlepptau der kleineren Gemeinden im Flaachtal, die vor einem Jahr alle diesen runden Jahrestag gefeiert hätten. Nein, man habe der ganzen Sache eine gewitzte Note geben wollen – deshalb finde das grosse Fest erst dieses Jahr statt. Verena Diener tat kund, im Regierungsrat habe ob dieser Frage eine eifrige Diskussion stattgefunden – böse Zungen hätten geunkt, in Flaach sei die Zeit sowieso stehengeblieben, deshalb sei das gar kein Problem. Sie persönlich jedoch teile die Ansicht, Flaach sei schon immer etwas Spezielles gewesen. Verena Diener ist selbst in Flaach aufgewachsen und bereits die zweite Vertretung dieser Gemeinde im Zürcher Regierungsrat in diesem Jahrhundert. Damit «die Flaacher immer wissen, welche Stunde geschlagen hat», schenkte Diener dem Gemeindepräsidenten Ulrich Schlüer eine absolut zeitgemässe, poppige Swatch. Auch die Flaacher Bevölkerung und die Heimwehflaacher hatten sich Gedanken gemacht; die originellsten Ideen wurden von Schlüer mit einer Flasche Wein belohnt.

«Nid immer alles gliichig»

Einer meinte, die Flaacher hätten ein Jahr länger Zeit gehabt, für dieses Fest zu sparen, die lateinische Sprache wurde bemüht, und mehrere Leute hatten komplizierte Berechnungen angestellt, um zu beweisen, dass auch 951 Jahre ein runder Geburtstag sind. Eine Schaffhauserin brachte es in ihrem Gedicht jedoch so auf den Punkt: «Es mues nid immer alles gliichig sii».

Um Punkt zehn Uhr eröffneten die Tambouren den offiziellen Teil; der ganze Dorfplatz besetzt mit blumengeschmückten Festbänken vom beflaggten Gemeindehaus bis zum «Gasthaus zum Engel»: «Das Dorf ist fast vollzählig da», bemerkte ein gutgelaunter Gast. Auch an den drei Fassstrassen für den währschaften «Puurezmorge» herrschte bereits reger Andrang, die Familien standen mit Kind und Kegel an, um den Sonntagsbrunch für einmal mitten im Dorf zu geniessen.

Nach der Begrüssung der Gäste durch den Gemeindepräsidenten zeigten die dreissig rumänischen Schüler, die momentan für zwei Wochen im Flaachtal zu Gast sind, einen Volkstanz aus ihrer Heimat. Im Erntedankgottesdienst, welcher die beiden Pfarrer Felix Schmid und Daniel Eschbach gemeinsam bestritten, stand die Dankbarkeit im Zentrum. Eine Gemeinde könne nur dank dem segnenden Wirken Gottes von 1044 bis heute bestehen, und dafür müsse man dankbar sein. «Denn Dankbarkeit ist die Imprägnierung des Herzens, damit es vor Sorgen nicht gefressen wird», sagte Schmid.

Präsi im Güllenloch

Heinz Breiter von der Nachbargemeinde Berg wusste in seiner Grussbotschaft eine Unzahl an Anekdoten aus dem Gemeindeleben früherer Jahre zu erzählen. Beispielsweise von jenem alt Gemeindepräsidenten, der in jungen Jahren beim Herumtollen mit Altersgenossen ins Güllenloch gefallen sei. Da er aber bloss den damals gebräuchlichen Spitznamen des Unglücklichen nannte, wussten nur alteingesessene Flaacher, von wem da die Rede war. Urs Stampfli erzählte als Vertreter der Oberstufenschule von der «schwierigen Ehe von Schule und Gemeinde seit es hier eine Oberstufenschule gibt». Es sei eine 161 Jahre lange Leidensgeschichte gewesen, die Schulräume seien mal in einer Metzgerei, mal in einer Wirtschaft untergebracht gewesen. Und die Gemeinde habe an der Heizung gespart – aber das sei ja, angesichts den Anschlussproblemen bei der Schnitzelheizung – noch heute so.

Die Jugend ist die Zukunft

Punkt zwölf zeigte der Posaunenchor in hautnah, welche grossen Veränderungen in den letzten 951 stattgefunden haben. Unter dem Motto «früher – heute – morgen» waren Burschen mit Dreschflegel am Werk, die von einem Mähdrescher abgelöst wurden, und den schwitzenden Waldarbeitern kam eine Motorsäge zu Hilfe. Die Feuerwehr hat die Kesselspritze gegen ein Tanklöschfahrzeug eingetauscht. Das dritte Stichwort aus dem Motte, das «Morgen», bestritten die Kinder und Jugendlichen von Flaach.

Der alt Gemeindeschreiber Gottfried Gisler hatte aus der Dorfchronik wichtige Eckdaten zusammengetragen, da er krankheitshalber abwesend war, blickte sein Sohn zurück in die Geschichte. Weitere Grussbotschaften kamen von Winterthurer Stadtrat Heiri Vogt, von Hanspeter Kern von Buchberg/Rüdlingen und vom Zürcher Zunftmeister Werner Ringger. Hanspeter Kern hatte den verdutzten Gemeindepräsidenten ein Ferkel mitgebracht, das, wenn es denn schlachtreif sei, von den Gemeinderäten der drei Gemeinden gegessen werden würde. Dem Schwein gefiel wohl als einzigem auf dem Platz die Feier nicht besonders – kein Wunder, bei seinen Perspektiven –, und verlieh seinem Unmut durch lautes Quieken Ausdruck. Ringger sprach als letzter Redner; das Fazit seiner humorigen Rede war: «In Flaach gedeihen Spargeln, Regierungsräte und Wein besonders gut.»

Nach dem offiziellen Teil des Festes folgte ein Platzkonzert einer Flaacher Brass-Band und einem Unterhaltungsprogramm von einheimischen Musikanten.

Quelle: Der Landbote, Dienstag, 26. September 1995

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Thema: 951. Jahrfeier
Nr: 86
Ausgabe: 95-222
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