Andelfingen: Die Hangriede sind wichtige Naturschutzgebiete – die Bevölkerung setzt sich aktiv zu ihrem Schutz ein

Ein Tag pro Jahr für die Natur

Um die 50 Andelfinger betrieben letzten Samstag tatkräftig Naturschutz: Mit Heugabeln ausgerüstet, beseitigten sie in den drei Hangriedgebieten Buschwerk, transportierten gemähtes Schilf ab und ermöglichten so diesen Refugien das Überleben. Setzt sich die Idee der Initianten durch, werden dem ersten Andelfinger Naturschutztag weitere folgen.

(msc) Nur zwei Prozent des Gemeindegebietes stehen in Andelfingen unter Naturschutz – wenig im Vergleich mit Nachbargemeinden. Dafür haben die Andelfinger etwas, was man anderswo vergeben sucht: sogenannte Hangriede, ortstypische Schilfflächen in Hanglage also. Dass es in der Weinländer Gemeinde überhaupt noch Schilfgebiete gibt, hat seinen Grund im Weinbau; die Winzer benötigen das Schilf zum Abdecken der Reben. Aber die Schilfgebiete sind gefährdet – wird das Schilf nicht regelmässig gemäht, droht die Verbuschung. Und damit verlöre eine grosse Anzahl von Sumpfbewohner ihren Lebensraum, darunter speziell Amphibien, Ringelnattern, Blindschleichen und Eidechsen. Weil sich auf dem abschüssigen Gelände der Hangriede keine Maschinen einsetzen lassen, müssen die Arbeiten von Hand erledigt werden. Doch das ist teuer, auf 7000 bis 8000 Franken käme die jährliche Pflege einer Hektare Hangried zu stehen. Zu kostspielig; bisher wurde deshalb das Schilf einfach abgebrannt.

50 Helfer in Gummistiefeln

Förster Peter Bänteli packte die Gelegenheit, die das Europäische Jahr des Naturschutzes bot, beim Schopf: Auf seine Anregung hin rief der Gemeinderat die Bevölkerung auf, am ersten Naturschutztag selbst aktiv zu werden. Für eine bescheidene Entlohnung – eine Portion «Spatz» mit Getränk – «bewaffneten» sich die rund 50 Helfer mit Heugabeln und Gummistiefeln, um unter der Anleitung von Forstwarten und Leuten vom Amt für Gewässerbau die anstrengende Arbeit in Angriff zu nehmen. Im «Unter Erlen» und in zwei Einsatzgebieten im «Neuguet» trugen die Freiwilligen Buschwerk und abgemähtes Schilf für den Abtransport in die Kompostieranlage zusammen. «Wir kompostieren das Schilf, denn damit dieser Magerboden bleibt wie er ist, sollten keine Nährstoffe von aussen dazukommen», erklärt Förster Bänteli.

Sumpfrohrsänger und Hirschzungenfarn

Im «Neuguet» beim Pumpwerk ist die Jugendgruppe für Vogelschutz im Einsatz. Auf etwa 100 Aren soll die stark fortgeschrittene Verlandung rückgängig gemacht werden – die Rottannen, das Buschwerk müssen weichen. Seit etwa zehn Jahren betreue die Jugendgruppe diesen Abschnitt, sagt Präsident Matthias Griesser, man habe in dieser Zeit die Fläche des Hangrieds etwa verdoppelt. «Wir mähen das Schilf alle zwei Jahre, ausserdem möchten wir das Gebiet durch Hecken beruhigen.» Seit sich die Vogelschützer um das Gebiet kümmern, habe sich der Sumpfrohrsänger in diesem Biotop niedergelassen, und es gebe wieder das seltene Hirschzungenfarn.

Keine Glaubensfrage mehr

Bänteli hofft, dass der Andelfinger Naturschutztag kein einmaliger Anlass bleibt: «Sich während eines von 365 Tagen für die Natur einzusetzen, ist doch durchaus vertretbar», sagt der Förster, und wünscht sich eine Institutionalisierung dieser Einsätze der Bevölkerung in ihrer unmittelbaren Umgebung. «Ich hoffe, dass dadurch die Leute ihre Haltung dem Naturschutz gegenüber ändern!» Er solle keine Glaubensfrage mehr sein, an der sich die Gemüter erregten, sondern einfach eine Selbstverständlichkeit. «Speziell die Kinder, die jetzt daran teilnehmen, können einen besseren Umgang mit der Natur lernen.» Eine weitere Gelegenheit dazu gibt es im Februar und März nächsten Jahres für die Oberstufe Andelfingen. Dann werden die Schüler und Schülerinnen in einem Projekt zusammen mit den Förstern einen Teil des Mühlebachs revitalisieren. Auf vorerst 80 von 250 Metern wird er versuchsweise aus seinem «Korsett», 50jährigen Betonschalen, befreit und erhält ein natürliches Bachbett.

Quelle: Der Landbote, Dienstag, 19. September 1995

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Thema: Naturschutztag
Nr: 85
Ausgabe: 95-216
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